China-Aktien

Scharfe Wende an Chinas Festlandbörsen

Der gewaltigen Hausse an Chinas Börsen folgt ein Realitäts-Check. Die Anleger misstrauen vagen Stimulus-Versprechen und sammeln erst einmal Gewinne ein.

Scharfe Wende an Chinas Festlandbörsen

Scharfe Wende an Chinas Festlandbörsen

Blue Chips knicken um 7 Prozent ein – Peking unter neuem Zugzwang bei der Stimulus-Agenda

nh Schanghai

Im heiß gelaufenen chinesischen Aktienmarkt schalten die Anleger nach jüngster Enttäuschung über weiterführende Stimulus-Bereitschaft der Pekinger Regierung auf Gewinnmitnahmen. Die Ende September von einer Zinssenkungsrunde und großzügigen Versprechen zu neuen Konjunkturimpulsen losgetretene gewaltige Hausse kommt nun unter die Räder. Am Mittwoch erlebten die Festlandbörsen den schärfsten Abverkauf seit Februar 2020, also dem Zeitpunkt des Ausbruchs der Corona-Epidemie in China.

Historischer Einbruch

Der Leitindex CSI 300 für Blue Chips an den Börsen in Schanghai brach um 7,1% auf 3.956 Punkte ein und ging damit wieder unter die am Vortag erstmals nach zwei Jahren wieder passierte Marke von 4.000 Punkten. Die Korrektur kommt keineswegs unerwartet, nachdem in Hongkong bereits am Dienstag der Rückwärtsgang eingelegt worden war und der dortige Leitindex Hang Seng um 9,4% einknickte. Auch am Mittwoch ging die Reise beim Hang Seng zunächst weiter kräftig nach unten, allerdings begrenzte sich der Tagesverlust letztlich auf 1,5%.

Gestaffelte Korrektur

Die Märkte in Schanghai und Shenzhen wiederum hatten am Dienstag noch deutlich mit 6,5% im Plus geschlossen, weil es am ersten Handelstag nach einer einwöchigen Ferienpause auf dem Festland stramme Vorgaben aus dem weiterlaufenden Handel in Hongkong aufzuholen galt. Mit dem um einen Tag verzögerten Korrekturschub dürfte nun wieder stärkerer Gleichlauf zwischen dem Festland und dem Offshore-Platz Hongkong gegeben sein. Dennoch ist mit extremer Volatilität in einem von wilden Sentimentschüben geprägten Handel mit zuletzt rekordhohen Tagesumsätzen zu rechnen.

Noch lebt der Bulle

Die Preisfrage ist nun, inwieweit es gelingen kann, die immer noch rasanten Kursfortschritte seit der letzten Septemberwoche zu konsolidieren. Trotz des jüngsten Einschnitts befindet man sich noch in einem Bullenmarkt. Seit dem 24. September, als die Zentralbank mit einer Zinssenkungsrunde die Stimulus-Offensive einleitete, verbucht der CSI 300 Anstieg um gut 23%. Auch der Hang Seng liegt noch 20% im Plus.

Heikles Erwartungsmanagement

Um auf dieser Basis nun eine stetigere Rally-Bewegung zu nähren, müssen allerdings hochtrabende Erwartungen der Anleger bezüglich eines umfassenden Konjunkturprogramms mit der tatsächlichen Wirtschaftsagenda der Regierung in Einklang gebracht werden. Dies stellt sich extrem heikel dar, wie die Entwicklungen seit Wochenbeginn zeigen.

Peking hatte für den Wiederstart der Festlandbörsen am Dienstag eine als Wachstumsagenda apostrophierte Pressekonferenz der Wirtschaftsplanungskommission NDRC inszeniert. Davon versprach man sich ausreichenden Köder, um Chinas Kleinanleger mit Stimulus-Signalen bei der Stange zu halten. Der Schuss ist allerdings nach hinten losgegangen. Die Veranstaltung erwies sich als herbe Enttäuschung.

Es fehlt der Kraftakt

Anstelle der erhofften Verkündung eines wuchtigen Ausgabenprogramms ließ sich die Planungskommission lediglich zu der Mitteilung hinreißen, dass für das kommende Jahr budgetierte Investitionsschübe auf Lokalregierungsebene nach vorn verlegt werden sollen. Daraus haben die Marktteilnehmer zunächst folgerichtig geschlossen, dass Peking noch lange nicht zu einem fiskalischen Kraftakt bereit ist, der auf ein echtes Konjunkturanschubprogramm hinausläuft. Vor allem fehlt es an Signalen, wie Peking der schwächelnden Binnennachfrage und hartnäckigen Konsumklemme Abhilfe verschaffen kann.

Finanzminister will nachlegen

Nun muss Peking mehr Munition nachliefern, um Stimulushoffnungen am Leben zu halten, und ein rapides Abspringen der Kleinanleger auf dem Festland zu verhindern. Prompt heißt es nun, dass das Finanzministerium am Wochenende eine Pressekonferenz zu konkreteren fiskalischen Maßnahmenpaketen abhalten wird. Daraus dürften einige Tage Zeitgewinn resultieren. Sollte sich auch der neue Termin als weitgehend inhaltsleer erweisen, droht ein neuerlicher Abverkauf.

Analysten sprechen von einer gefährlichen Stimulus-Skepsis, die sich nach der ersten Begeisterungswelle breitgemacht hat. Dennoch trauen führende Investmentbanken dem chinesischen Markt einiges Aufwärtspotenzial zu. Insbesondere bei Goldman Sachs gibt man sich optimistisch, dass eine offensivere Stimulus-Agenda das Marktgeschehen in den kommenden Wochen stabilisieren wird. Das könne dem CSI 300 bis Jahresende zu einem weiteren kräftigen Zuwachs auf etwa 4.500 Punkte verhelfen.

Zahme Bewertung

Auch von den Bewertungsverhältnissen her sehen Analysten durchaus komfortablen Spielraum nach oben. Gegenwärtig stellt sich ein vorwärtsgerichtetes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 11 für die sogenannten A-Aktien an den Festlandbörsen als äußerst zahm für einen Schwellenländermarkt dar. Im Vergleich dazu kommt man im von internationalen Investoren zuletzt stark gesuchten indischen Aktienmarkt auf einen wesentlich strammeren Multiplikator von etwa 20.

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