Schwacher Jahresauftakt für Green und Sustainable Finance
Schwacher Jahresauftakt für Green und Sustainable
Emissionen gehen um 31 Prozent zurück – Konjunkturlage hemmt Investitionen – China vor Deutschland führend – Transition Finance legt zu
Bei den Emissionen im Bereich von Green und Sustainable Finance ist es im ersten Quartal zu einem kräftigen Rückgang gekommen. Transition Finance konnte indes zulegen. China führt bei den Emissionen noch vor Deutschland.
kjo Frankfurt
Die globale Nachhaltigkeitsfinanzierung (Sustainable Finance) hat im ersten Quartal dieses Jahres einen deutlichen Rücksetzer erlebt. So ging das Primärmarktgeschäft mit Anleihen, Schuldscheindarlehen und Krediten zur Mittelaufnahme für nachhaltige Zwecke in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 31% von 292 Mrd. Euro auf 201 Mrd. Euro zurück. In gleichem Ausmaß fiel die Anzahl dieser Transaktionen. In allen Regionen weltweit wurden signifikant weniger Mittel für Nachhaltigkeit strukturiert. Hinsichtlich des Volumens kam es zu den größten Einschränkungen in Europa (−42 Mrd. Euro) und in Asien (umgerechnet −22 Mrd. Euro). Allein die Institute der Weltbank-Gruppe fragten geringfügig mehr nachhaltig eingesetztes Kapital nach. Das geht aus einer Studie von Capmarcon hervor, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Nachhaltigkeitsmanagement und Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft, die Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt, Rahmenwerke erstellt und bei ESG-Ratings unterstützt. Das Unternehmen berät bei der nachhaltigen Kapitalbeschaffung besonders in den Bereichen Green, Blue, Social, Sustainable oder ESG-linked Financing.
Geringere Attraktivität
Green und Sustainable würden zusehends an Attraktivität einbüßen, gerade auch bei der Finanzierung. Nach Jahren starken Zuwachses sei nun das Neugeschäft immer deutlicher rückläufig. Dafür gebe es verschiedene Gründe. „Die gegenwärtige Konjunkturlage limitiert Investitionen und damit auch den Bedarf an Green Financing. Darüber hinaus war dieser Markt anfangs im Jahr 2007 der grüne Wilde Westen: keine Vorgaben, keine eingespielten Usancen. Die Begebung war weitgehend unreguliert“, hält Hans-Werner Grunow, Chef von Capmarcon fest. Erst mit den Jahren hätten sich Anforderungen und Standards etabliert, um dem Geschäft die angemessene Seriosität zu geben. „Damit ließen sich aber viele Projekte und Vorhaben nicht mehr als nachhaltig ausgeben. Heutige Gepflogenheiten verlangen einen wirklich nachhaltigen Kern, Überprüfbarkeit, ausreichende Dokumentation und Berichterstattung. Hürden, die für eine Reihe von Emittenten zu hoch sind“, so Grunow. Hinzu komme die starke Regulierung auf EU-Ebene. Den Unternehmen würden im Bereich Nachhaltigkeit Formalien auferlegt, die in keinem adäquaten Verhältnis zum Nutzen stehe. „Zwar ist die EU diesbezüglich wieder im Rückwärtsgang, doch ist der Point of no return mitunter bereits überschritten“, so der Experte.
Euro liegt vorn
Größte Länder für Sustainable Finance waren im ersten Vierteljahr China mit Emittenten aus unterschiedlichen Branchen (Volumen: umgerechnet 23,4 Mrd. Euro), vor Deutschland vor allem mit dem Staat, Banken und Stromnetzbetreibern (21,9 Mrd. Euro). Es folgten die USA mit Daten-Centern und Energieerzeugern (17,4 Mrd. Euro), und Spanien mit Erzeugern regenerativer Energien (11,8 Mrd. Euro). Wichtigste Währung bei der Denominierung von nachhaltigen Finanzierungen sei in den ersten drei Monaten, wenn auch mit fallender Tendenz, wieder der Euro gewesen mit einem Anteil am Neugeschäft von 46%. Die Bedeutung des US-Dollar sei unverändert geblieben. Wegen der regen Aktivitäten chinesischer Adressen sei der Renminbi mit einem Anteil von 10% gefolgt.

Größte Gruppe an Emittenten war laut der Studie im ersten Quartal die Realwirtschaft mit etwa 70 Mrd. Euro (−44 % gegenüber der Vorjahresperiode); der größte Teil davon entfiel auf Versorgungsunternehmen, vor allem Netzwerkbetreiber und Energieerzeuger. Zu letzteren zählten sowohl ausgewiesene Produzenten von erneuerbarer Energie als auch konventionelle Produzenten mit der Umstellung bzw. Ergänzung ihrer bisherigen Geschäftsmodelle. Erheblich weniger Sustainable Finance arrangierten Industrieunternehmen.
Entgegen dem rückläufigen Trend bei Sustainable Finance weiter zugenommen habe hingegen der Anteil von Transition Finance, das den Wandel von herkömmlichen Wirtschaftsaktivitäten hin zu besonders umweltfreundlichen und nachhaltigen Wirtschaften einleiten bzw. beschleunigen soll. Das entsprechende Volumen (Anleihen und Kredite) habe sich von 23,5 Mrd. Euro auf nunmehr 31,1 Mrd. Euro in den vergangenen drei Monaten erhöht und macht jetzt 15% aller nachhaltigen Finanzierungen weltweit aus. Ebenfalls zugelegt habe die Emission von nachhaltigkeits-orientierte Anleihen, (Sustainability-linked Bonds). „Ausschlaggebend war hier die relativ einfache Arrangierbarkeit. Hinsichtlich anderer Mittelverwendungsarten gingen jedoch die Begebungen deutlich zurück“, so Grunow.

Debüt-Adressen im Bereich von Sustainable Finance hielten sich bei der Strukturierung entsprechender Transaktionen immer stärker zurück. Ihr Anteil am Primärmarktvolumen fiel von 17% auf aktuell nur noch 10%. Die Quoten in Europa sind mit 4% und in Deutschland mit nur 1% liegen nochmals deutlich niedriger. Noch vor wenigen Jahren machten Debüts rund ein Fünftel bis ein Drittel des Neugeschäfts aus.
Das ausstehende Volumen von grünen, sozialen, nachhaltigen und nachhaltigkeitsgebundenen Schuldtiteln hat in diesen Tagen indes einen neuen Meilenstein aufgestellt. Laut Daten von Environmental Finance Data wurde die Marke von 5 Bill. Dollar überschritten. Mit einem ausstehenden Volumen von mehr als 2,9 Bill. Dollar machen Green Bonds damit immer noch den Löwenanteil der diesbezüglichen Titel aus. Weltweit sind es mehr als 16.300 grüne Bonds, die aktuell im Umlauf sind. Es folgt der Bereich der Nachhaltigkeitsanleihen, auf die ein Volumen von gut 900 Mrd. Dollar entfällt. Hier sind es 2.500 Sustainability Bonds.