Silbernes Jubiläum für Magenta
Am Frankfurter Parkett hat es ein richtiges Geschubse und Gerangel gegeben, als die Deutsche Telekom am 18. November 1996 erstmals an der Börse notierte. Denn das Interesse war riesig, und jeder wollte mit dabei sein, als die Mega-Emission vor knapp 25 Jahren startete. Wer diese Zeit nicht erlebt hat, kann die Börseneuphorie, die damals aufkam und in den Jahren danach herrschte, kaum nachvollziehen.
Das Projekt „Volksaktie“
Die Deutsche Telekom rührte mit dem populären Volksschauspieler Manfred Krug via Fernsehspots kräftig die Werbetrommel für die T-Aktie. Und etliche deutsche Privatanleger, die vorher zum Teil gar nichts mit Aktien zu tun hatten, kauften Telekom. In den ersten Jahren kletterte der Kurs der Volksaktie kräftig, so dass viele auch beim zweiten und dritten Börsengang zu wesentlich höheren Kursen einstiegen. Und dies häufig auch mit großen Summen. Jeder Ältere weiß zur Telekom eine selbst erlebte Geschichte oder eine aus seinem Bekanntenkreis zu erzählen. Zum Beispiel von dem Stadtrat, der zu den hohen Preisen des zweiten oder dritten Börsengangs 100 000 Euro in die T-Aktie investierte und eine Menge Geld verlor. Oder von dem Freund, der bei einem Kurs von 100 Euro je Aktie verkaufen wollte, zur Bank ging und dann von seinem Anlageberater gebremst wurde: „Herr Müller, verkaufen Sie nicht, die steigen weiter.“
Letztendlich wurde aus dem Projekt Volksaktie, aus der angestrebten Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Produktivvermögen für viele Anleger, ein gewaltiges finanzielles Desaster. Und dies übrigens nicht nur für Kleinaktionäre, sondern auch für etliche institutionelle Adressen, die zu einem ungünstigsten Zeitpunkt T-Aktien kauften. Zahlreiche Privatanleger kehrten nach den negativen Erfahrungen mit Telekom und Neuem Markt der Aktie für Jahre oder auch für immer den Rücken. Doch was lief schief, und was können Anleger aus der Telekom-Historie lernen?
Ungebremste Euphorie
Das Eigentümliche ist, dass 1996 bei Analysten und Medien zunächst durchaus eine gewisse Skepsis gegenüber der Telekom-Emission herrschte. Die Deutsche Telekom wiederum zog alle Register, um für ihre Aktie zu werben. Marketingagenturen wurden engagiert, es liefen Werbespots wie für ein neues Waschmittel, mit Krug weckte ein bekannter Schauspieler Emotionen, und für Privatanleger wurde extra ein Programm mit vergünstigtem Bezugspreis und Treueaktien aufgelegt. Zudem machten die Protagonisten damals ein T mit den Händen als Symbol für Telekom oder T-Aktie. Selbst der Postminister Wolfgang Bötsch verrenkte sich entsprechend, was vielleicht ein wenig ungelenk ausgesehen haben mag.
Das Werben um die T-Aktie zeigte denn auch entsprechend Wirkung: Der erste Börsengang der Telekom war fünffach überzeichnet, es lagen Zeichnungsaufträge von 1,9 Millionen Privatanlegern vor. Immerhin, der Ausgabepreis von 28,50 D-Mark (14,57 Euro) je Aktie erschien einigermaßen angemessen und nicht völlig überteuert. Und am ersten Handelstag legte die T-Aktie gleich deutlich auf einen Schlusskurs von 33,90 D-Mark zu.
Was sich dann in den darauffolgenden Jahren bis zum Frühjahr 2000 an den Aktienmärkten breitmachte, war eine Euphorie sondergleichen. Billiges Geld trieb die Aktienkurse an. Telekom, Mobilfunk und das neue Medium Internet wurden als Reichmacher gehandelt. Unternehmensgewinne schienen nicht mehr zu zählen, es wurden vor allem mögliche Umsatzsteigerungen und Fantasie gehandelt. Dass etliche Unternehmen ihre Ergebnisse schönten, war gleich. Denn fast ein jeder, der damals blind, ohne genau hinzusehen investierte, machte an der Börse Gewinn. Es entstand die bekannte Dotcom-Blase, die dann ab Frühjahr 2000 zu platzen begann.
Zweifach überzeichnete Emission
Unternehmenschefs wurden in dieser Zeit mitunter wie Popstars verehrt, so auch der Telekom-Vorstandsvorsitzende Ron Sommer. Ihnen waren die steigenden Kurse meist sehr recht, konnten sie doch dadurch über Aktienoptionen ihr Vermögen deutlich steigern.
Die steigenden Kurse kamen natürlich auch der Deutschen Telekom zupass. Beim zweiten Börsengang im Juni 1999 konnte die Gesellschaft den offiziellen Platzierungspreis bereits auf 39,50 Euro je Aktie festlegen. Frühzeichner erhielten erneut einen Preisnachlass, und unter bestimmten Bedingungen gab es Treueaktien, ähnlich wie Rabattmarken im Lebensmittelgeschäft. „Nie zuvor war eine Marketing-Kampagne, die sich an Privatanleger richtete, so breit und auf so viele Länder angelegt gewesen, mit Anzeigen in verschiedenen Sprachen, Fernseh- und Radiospots in mehreren Ländern und stark unterstützt durch das Internet als einem zentralen Informationsmedium“, schreibt die Telekom zum zweiten Börsengang. Entsprechend war das Interesse von Privatanlegern erneut hoch und die Emission immerhin zweimal überzeichnet.
Anstieg auf mehr als 100 Euro
Angeregt durch eine überschäumende Börseneuphorie wie auch eine hohe Gewichtung in Börsenindizes wie dem Dax kannte der Kurs der T-Aktie zwischenzeitlich kein Halten mehr. Im März 2000 markierte die Aktie ein Hoch von über 100 Euro, wer im November 1996 beim ersten Börsengang zum Ausgabepreis von 14,57 Euro eingestiegen war, konnte sich zu diesem Zeitpunkt über hohe Buchgewinne freuen.
Auf den zweiten folgte im Juni 2000 noch ein dritter Börsengang, bei dem Telekom-Aktien der Staatsbank KfW platziert wurden. Der offizielle Ausgabepreis betrug jetzt bereits 66,50 Euro je Aktie, und wiederum gab es unter bestimmten Bedingungen Vergünstigungen für Privatanleger. Das Interesse der institutionellen Investoren war bei dieser Emission bereits verhalten, dafür gab es allein 3 Millionen Zeichnungsaufträge von Privatanlegern. Schließlich wurden satte 70 % des dritten Börsengangs an private Anleger zugeteilt, im Vergleich zu 43 % beim ersten und 54 % beim zweiten Börsengang.
Ron Sommer muss gehen
Als weltweit die Dotcom-Blase platzte, gab es auch für die hoch gehypte T-Aktie keinen Halt mehr. Institutionelle trennten sich massiv von Beständen und auch immer mehr Privatanleger verkauften. Im Juni 2002 fiel dann der Kurs der T-Aktie unter die Marke von 10 Euro, und am 16. Juli 2002 trat Vorstandschef Ron Sommer zurück bzw. musste nach diesem Kursdebakel gehen. Einsichtig zeigte sich übrigens später Schauspieler Manfred Krug. Er bezeichnete es als seinen größten Fehler, für die T-Aktie geworben zu haben.
In den vergangenen Jahren ist es etwas ruhiger um die Deutsche Telekom geworden. Das Unternehmen erwirtschaftet stetige Cash-flows, zahlt ansprechende Dividenden und hat mit T-Mobile US eine ertragreiche Beteiligung. Auch hat sich der Kurs zuletzt wieder über 17 Euro befestigt.
Im Grunde war der Höhenflug der T-Aktie und der anschließende massive Absturz eine Lehrstunde für Anleger: Investoren sollten sich nicht von steigenden Kursen blenden lassen – und extrapolative Erwartungen sind immens gefährlich. Wenn der Kurs einer Aktie oder eines Wertpapiers massiv steigt, so heißt das noch lange nicht, dass sich dieser Anstieg dauerhaft fortsetzt. Und es ist immer besser, auch bei Aktien, günstig statt teuer zu kaufen. Aber wahrscheinlich ist der Aktienmarkt der einzige Markt, an dem die Käufer lieber teuer als günstig kaufen.
Dranbleiben lohnt sich
Darüber hinaus führen zu viele Emotionen bei der Geldanlage mitunter zu herben Verlusten. Nur weil ein bekannter Schauspieler für eine Aktie wirbt, wird sie dadurch nicht attraktiver. Und dass Nachbarn oder Bekannte mit einem Wertpapier hohe Gewinne erzielt haben, ist noch lange kein Grund, um einzusteigen. Sich in einen anderen Menschen zu verlieben, das kann richtig schön sein. Aber in eine Aktie sollte frau oder man sich niemals verlieben. Geldanlage ist eine nüchterne Angelegenheit, die viel mit Zahlen wie Cash-flows und Erträgen sowie deren Entwicklung zu tun hat, Emotionen sind da hinderlich.
Es ist zwar bekannt, dass eine breit gestreute Anlage, am besten über mehrere Assetklassen hinweg, Risiken deutlich senkt – die Erinnerung daran lohnt sich aber. Wer nur oder vor allem in eine Aktie investiert, erleidet damit leicht Schiffbruch.
Für langfristig orientierte Anleger gibt es zuletzt aber auch eine gute Nachricht. Denn wer beim ersten Börsengang zu 14,57 Euro in die T-Aktie eingestiegen und dabeigeblieben ist, hat in den vergangenen Jahren nicht nur satte Dividenden kassiert, er würde auch bei einem Verkauf heute Kursgewinne realisieren. Für diese Anleger hat sich ein Engagement in Deutsche Telekom richtig gelohnt: Laut Bloomberg beträgt die Wertsteigerung inklusive Dividenden über knapp 25 Jahre mehr als 200 %, entsprechend einer Rendite von 4,64 % im Jahr.