Skandinavien gilt als sicherer Hafen
Mit soliden Staatsfinanzen und unabhängigen Währungen stehen Schweden, Norwegen und Dänemark gegenwärtig beneidenswert da. Aber auch im Norden haben krisensichere Anlagestrategien gegenwärtig Hochkonjunktur.Von Gottfried Mehner, HamburgSchweden mit seinen großen Maschinenbaukonzernen kommt bislang auffallend gut durch die Krise. Das Land könnte als Referenzgröße für Deutschland gelten, wie es dort in etwa unter D-Mark-Bedingungen aussähe. Allerdings ist die Exportlastigkeit in Schweden mit über 80 % noch deutlich höher.Die 94 börsennotierten großen und mittelgroßen Unternehmen in Stockholm – in Langfassung nennt sich die dortige Börse “Nasdaq OMX Stockholm” – haben jedenfalls mehrheitlich Zahlen für das erste Quartal vorgelegt, die besser waren als erwartet. Vor allem die Industriewerte, aber auch die Banken überraschten mit Ausreißern nach oben. Den Berichtsreigen hatte übrigens der weltgrößte Kugellagerhersteller SKF mit positiven Quartalszahlen eingeläutet. Inzwischen kam aber die erste Warnung, dass das Geschäft im April und Mai nicht so dynamisch gelaufen sei.Gleichwohl hatte die zu den führenden Marktakteuren in Skandinavien gehörende SEB Enskilda die Gewinnerwartungen nach den Quartalsberichten für die Banken um 8 % und die der Industrie um 4 % nach oben gesetzt. Diese führte dazu, dass die schwächelnden Kandidaten – seien es Telefongesellschaften, die für das Land bedeutsame Papierindustrie oder auch der Einzelhandel – im Gesamtbild überhaupt nicht mehr störend auffielen.Da die Schuldenkrise die Bewertungen auch in Skandinavien am Boden hält, die Unternehmen aber üppig verdienen, erwartet etwa die schwedische Wirtschaftszeitung “Dagens Industri” für 2012 rekordhohe Ausschüttungen. Im Schnitt wird die Dividendenrendite bei 4,7 % für die schwedischen Blue Chips erwartet. Dabei wird unterstellt – das mag mutig sein -, dass die Großkonzerne ihre “aggressiven” Ausschüttungsquoten auch für das Jahr 2012 durchhalten. Den Vogel in dieser Disziplin schießt übrigens die Telefongesellschaft Tele 2 mit einer Dividendenrendite von 13 % ab.Gefragt sind in diesen Zeiten auch im Norden krisenresistente Strategien. Einige Analysten empfehlen, verstärkt auf solche Konzerne zu setzen, die im Export ein starkes Dollar-Exposure haben. Die USA hätten aktuell die weitaus besseren Wachstumschancen. So erziele etwa Ericsson ein Viertel des Gesamtumsatzes in den USA. Beim Kompressorenhersteller Atlas Copco seien es 20 %. Auch Investments in Alfa Laval werden empfohlen, während SKF und Sandvik stärker vom Euroraum abhingen.SEB weist darauf hin, dass die acht größten notierten schwedischen Konzerne, die für rund die Hälfte der Börsenbewertung stehen, seit 1999 rund 80 % ihres Umsatzwachstums außerhalb Europas und Nordamerikas geholt hätten. So stehe Asien für 44 % des Wachstums.In unruhigen Zeiten böten sich zudem Investments in defensiven Aktien an, etwa in Medizinfirmen, raten einige Analysten. Hier kommen die dänische Novo Nordisk oder die schwedische Astra Zeneca ins Bild.SEB plädiert dagegen für zyklische Werte (siehe Grafik). Diese rangierten auf einem so tiefen Niveau, das in den vergangenen 20 Jahren nur fünfmal beobachtet worden sei. Sie böten für den Fall, dass die Märkte sich normalisierten, das größte Upside-Potenzial.Finnische Analysten sehen die norwegischen TGS am krisenstabilsten aufgestellt. TGS analysiert als Geologieunternehmen Bodenproben für die Ölindustrie. Die Börsentrends im Ölland Norwegen folgen ohnehin ganz anderen Trends. Einige Beobachter sind skeptisch, dass die Börsen die Sommermonate unbeschadet überstehen. Das Wirtschaftsmagazin “Affärsvärlden” zitiert aus dem Blog der “Freunde des Parketts” – einer der heißesten Internet-Plattformen -, dass einige Schwalben nicht helfen, solange das wirtschaftliche Fundament der Eurozone dermaßen zerrüttet ist. Es gebe kein Aufatmen. Nach der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal würden die Gewinnerwartungen auf breiter Basis ins Rutschen geraten. Deshalb solle man von den industriellen Schwergewichten wie Scania, Volvo Trucks, Alfa Laval, Sandvik und anderen die Finger lassen. Bei den Banken sehe es dagegen besser aus, besonders bei Nordea und der Swedbank. Sie stünden unter intensivster Beobachtung der Aufsicht, der Geldgeber und der Politik.