Kapitalmärkte

Spaniens Börse auf Schrumpfkurs

Marktaufsicht und Börsenbetreiber verlangen besser Rahmenbedigungen, um die Flaute bei IPOs zu bekämpfen.

Spaniens Börse auf Schrumpfkurs

Spaniens Börse sucht Mittel gegen Schrumpfkurs

Den zahlreichen Delistings aus unterschiedlichen Gründen stehen zu wenige Börsengänge gegenüber – Gute Aussichten für den Ibex im neuen Jahr

Der Ibex 35 belegte im vergangenen Jahr einen Spitzenplatz unter den europäischen Märkten. Die Wirtschaft soll auch 2025 solide wachsen. Die notierten Konzerne locken vor allem mit üppigen Dividenden. Marktaufsicht und Börsenbetreiber verlangen bessere Rahmenbedingungen, um die Flaute bei IPOs zu bekämpfen.

ths Madrid

Die spanische Börse hat unter anderem dank des Rückenwinds durch die robuste Konjunktur im Lande 2024 wie schon im Vorjahr stark zugelegt. Der Leitindex Ibex 35 lag am Jahresende mit 11.595 Punkten 14,8% höher als 2023, als die bolsa sich gegenüber dem Vorjahr um 22,8% verbessert hatte. Damit wurde Madrid im letzten Jahr unter den großen Märkten Europas nur noch vom Dax übertroffen. Doch während der deutsche Leitindex Rekorde aufstellt, ist der Ibex 35 sehr weit von seiner historischen Bestmarke von 15.946 Punkten im November 2007, zum Höhepunkt der Immobilienblase, entfernt. Am Mittwoch begann der Ibex bei knapp 11.900 Punkten, klar über dem 12-Monats-Tief von 9.858 vor fast genau einem Jahr.

Trotz der guten Entwicklung des Leitindexes treibt die Verantwortlichen der Wertpapiermärkte aber Sorgen um. Denn die spanische Börse schrumpft. Seit der Pandemie sind mehr Unternehmen vom Parkett verschwunden als neue hinzugekommen. Die Zahl der gelisteten Werte am Mercado Continuo sank seit 2019 von 132 auf 121. Einige Delistings sind durch Fusionen bedingt, wie der Zusammenschluss des Telekomkonzerns MásMóvil mit der spanischen Tochter der französischen Orange. Die italienische Mediaset schloss ihre Spanien-Tochter von der Börse aus, Siemens verleibte sich den Windradhersteller Gamesa ein und die zuvor notierte Betreibergesellschaft der spanischen Börsen BME wurde selbst von der Schweizer Six geschluckt. Nach Berechnungen der Wirtschaftszeitung Expansión haben seit der Pandemie 17 Unternehmen die Börse verlassen, mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 38,5 Mrd. Euro.

Weitere Index-Werte könnten verschwinden

Der Trend hält an. Minor Hotels aus Thailand hat ein Angebot an die Minderheitsaktionäre der spanischen NH Hotels abgegeben. Sollte die Großbank BBVA mit der feindlichen Übernahme des Mitbewerbers Sabadell erfolgreich sein, könnte ein weiterer großer Ibex-Wert verschwinden.

Die Verluste konnten durch Neuemission nicht ausgeglichen werden. Nach einem schwachen Vorjahr für IPOs, erfüllte auch 2024 nicht die Erwartungen. Lediglich drei Unternehmen feierten ihr Debüt an der allgemeinen Börse und 23 kleinere Firmen gingen an die Wachstumssegmente BME Growth und BME Scale Up. Der Börsengang der Parfümeriekette Puig war im vergangenen Mai einer der größten in Europa, mit einer anfänglichen Kapitalisierung von 14 Mrd. Euro. Doch wurden die Erwartungen enttäuscht. Die Aktie ist mit aktuell 17,30 Euro weit hinter dem Ausgabepreis von 24,50 Euro entfernt. Andere Unternehmen stellten ihre Börsenpläne zurück.

IPO-Bedingungen verbessern

Die Aussichten für IPOs im neuen Jahr sind nicht gerade rosig. Der neue Präsident der spanischen Börsenaufsicht CNMV, Carlos San Basilio, beklagt „eine große Schüchternheit bei Börsengängen“. Zusammen mit dem Betreiber BME will die Behörde die Bedingungen für IPOs verbessern und neue Anleger anlocken. „Wir müssen angesichts des enormen Bedarfs zukünftiger Investitionen kreativer sein“, erklärte San Basilio am Dienstag auf dem Spain Investors Day in Madrid, dem ersten öffentlichen Auftritt seit Amtsübernahme. Die CNMV will IPOs flexibler gestalten und denkt über ein eigenes Segment für Werte mit einem zu geringen free float nach, das nicht für Kleinanleger offenstehen soll.

Von der Regierung forderte San Basilio Steueranreize für Kleinanleger, denn die Spanier investieren weiterhin nur einen geringen Anteil von 15% ihres Vermögens in Aktien. Der neue CEO von BME, Juan Flames, stimmte auf der Konferenz zu, dass man dringend die Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Wertpapiermärkte verbessern müsse. BME hatte schon vor einem Jahr eine Blaupause mit Vorschlägen für regulatorische und andere Verbesserungen vorgelegt. Aber auch ohne verbesserte Rahmenbedingungen versicherte Flames, dass „das makroökonomische Umfeld großes Potential für den spanischen Aktienmarkt bietet“.

„Neues Deutschland“

In der Tat ist Spaniens Wirtschaft derzeit der Überflieger in Europa, insbesondere im Vergleich zu Deutschland oder Frankreich. Das Bruttoinlandprodukt dürfte nach den letzten Indikatoren 2024 um mehr als 3% gewachsen sein. Trotz einer allgemein erwarteten Abkühlung sehen die Prognosen auch für dieses Jahr einen Anstieg des BIP zwischen 2 und 3%. Der Arbeitsmarkt ist stabil, was zusammen mit Rekordzahlen von Touristen, den Konsum antreibt. Spanien wäre von einem Handelskrieg und möglichen Strafzöllen durch die neue US-Regierung weit weniger betroffen als andere europäische Nachbarn. Spanien sei zusammen mit Portugal und Irland „das neue Deutschland“, kommentieren die Analysten der spanischen Bankinter in ihrem Ausblick für 2025.

Die Experten gehen davon aus, dass sich die Gewinne der spanischen Unternehmen in diesem Jahr nicht mehr so stark entwickeln wie in 2024, aber weiter robust bleiben. Singular Bank prognostiziert einen Anstieg des Ibex 35 auf 12.400 Punkte bis Jahresende. Spanische Werte locken die Anleger vor allem mit einer im internationalen Vergleich recht großzügigen Vergütungspolitik. Seit dem Pandemie-Tief sind die Dividenden Jahr für Jahr gestiegen und lagen im November 2024 bei 34,4 Mrd. Euro, ein Plus im Jahresvergleich von 24%.

Cellnex mit Rückkaufprogramm

In den letzten drei Jahren verwöhnten die Konzerne ihre Anleger außerdem mit umfangreichen Aktienrückkäufen, vor allem die Banken. Der Trend setzt sich auch im neuen Jahr fort. Cellnex, der größte unabhängige Betreiber von Mobilfunktürmen in Europa, kündigte diese Woche ein Rückkaufprogramm von 800 Mill. Euro an, nach der Veräußerung seiner Aktivitäten in Irland. Das Unternehmen, einer der Favoriten vielen Experten für 2025, hatte seine Aktionäre in der raschen Wachstumsphase der letzten Jahre über den reinen Kursanstieg kaum belohnt.

Im Mittelpunkt der Anleger steht wie immer die Bankbranche, die den Großteil des Gewichts des Ibex 35 ausmacht. Mit Santander, BBVA, Caixbank und Sabadell hat Spanien vier internationale Champions aufzubieten. Da die heimischen Banken traditionell besonders stark im Retailgeschäft aktiv sind, konnten sie von den Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank saftige Gewinne über einen üppigen Zinsüberschuss einstreichen. Nun geht die Zinskurve wieder nach unten und es muss sich zeigen, ob die Banken die Bonanza gut dafür genutzt haben, sich durch Verschlankung und Digitalisierung fit gemacht zu haben. Über Zahlungsausfälle und faule Kredite machen sich Experten und auch die Aufseher in Spanien keine Sorgen.

Blick auf Großfusion

Das größte Thema 2024 wird auch im neuen Börsenjahr für viel Aufmerksamkeit sorgen: die feindliche Übernahme von Sabadell durch BBVA. Das Kaufangebot der zweitgrößten Bank des Landes für die Nummer Vier trieb den Kurs von Sabadell im letzten Jahr um 80%, sodass der Prämienaufschlag so gut wie aufgehoben ist. Das kleine Institut aus Katalonien wehrt sich nach Kräften gegen den Zugriff durch den großen Rivalen, der nun auf die Auflagen durch die spanische Wettbewerbsaufsicht wartet. Die Regierung droht im Falle einer geglückten Übernahme damit, einen organischen Zusammenschluss beider Geldinstitute zu blockieren.

Überhaupt gibt es am Markt Klagen über die gestiegene Interventionslust der Linksregierung in Madrid. So wurde eine Übernahme des börsennotierten Eisenbahnbauers Talgo durch die ungarische Magyar Vagon aus politischen Gründen verhindert, weil der Bieter der Regierung von Viktor Orban und Russland zu nahe stünde. Den Einstieg der staatlichen saudischen STC beim Telekomkonzern Telefónica mit 10% ließ man in Madrid nur zähneknirschend und erst, nachdem der Staat selbst als nun größter Aktionär im einstigen Staatskonzern eingestiegen war, zu. Im Wirtschaftsministerium ist man darum bemüht, potentielle Investoren aus dem Ausland zu beschwichtigen.

„Wir brauchen internationale Investoren“, erklärte der CEO von Blackrock Iberia, Luis Megías, auf dem Spain Investores Day, „denn nur mit den heimischen Anlegern reicht es nicht“.

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