„Spot-ETF auf Bitcoin wäre ein großer Schritt für den Markt“
Im Gespräch: Christopher Mellor
„Ein Spot-ETF auf Bitcoin wäre ein großer Schritt“
Invesco erwartet durch US-Freigabe für neue Indexfonds stärkere institutionelle Zuflüsse in Digital Assets – Optimismus trotz Skandalen um FTX und Binance
Invesco setzt darauf, dass eine Zulassung für Spot-ETFs auf Bitcoin in den USA das institutionelle Engagement im Kryptomarkt beflügeln wird. Im Vergleich zu bereits handelbaren Futures-Indexfonds böten solche Vehikel laut dem leitenden Produktstrategen Christopher Mellor umfangreiche Vorteile.
Von Alex Wehnert, New York
Der US-Vermögensverwalter Invesco sieht eine starke Perspektive für die institutionelle Adoption von digitalen Assets. „Ein Spot-basierter ETF auf Kryptowährungen in den USA wäre ein großer Schritt für den Markt“, sagt Christopher Mellor, Leiter des ETF-Produktmanagements für Europa, den Nahen Osten und Afrika, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Der Start passiver Investmentvehikel mit direktem Bezug zu Bitcoin sei in den vergangenen Monaten näher gerückt. Im August hob ein US-Berufungsgericht einen ablehnenden Bescheid der US-Börsenaufsicht SEC gegen die Investmentgesellschaft Grayscale auf, die ihren Bitcoin Trust in einen Spot-ETF umwandeln will. Nun liegen der Behörde mehrere Anträge auch großer Vermögensverwalter auf solche Indexfonds zur Genehmigung vor, darunter auch einer von Invesco.
Hohe Ansprüche
„Institutionelle Investoren sind im Umgang mit ETFs vertraut, die Vehikel erfüllen in der Regel auch hohe Ansprüche an die Sicherheit und Verwahrung der Basisassets“, betont Mellor. Bisher sind in den USA allerdings nur Futures-basierte ETFs auf Digitalwährungen handelbar. Die Einführung der ersten dieser Fonds im Oktober 2021 sorgte bei Anlegern zwar für Euphorie und schob Bitcoin auf ein Rekordhoch von nahezu 69.000 Dollar, doch die Aufbruchsstimmung ist seither verpufft. Mellor setzt darauf, dass ein Spot-ETF den Elan neu entfachen dürfte.
„Zwischen den Futures- und den Spot-Märkten besteht auf lange Sicht eine gewisse Diskrepanz“, sagt der Invesco-Produktexperte. „Auch wer den Goldpreis über Futures-Produkte nachbilden will, erhält häufig eine unterschiedliche Performance als bei direkten Gold-Investments in Dollar.“ Am Terminmarkt könnten Teilnehmer eben nicht in beliebiger Kontraktgröße oder -staffelung investieren, was eine Lücke zwischen den Preisen Futures-basierter ETFs und dem theoretischen Net Asset Value schaffe.
Spot-Bitcoin-Produkte ermöglichten hingegen ein Pricing viel näher am zugrundeliegenden Markt. Zudem bestünde eine weitere Ineffizienz, die Futures-Vehikel für institutionelle Investoren unattraktiv mache. „Der aktuelle Terminkontrakt muss wiederholt in den nächsten gerollt werden – befindet sich der Markt wie üblich im Contango, verursacht dies schnell hohe Kosten“, unterstreicht Mellor. Das Problem, den laufenden Future ablösen zu müssen, bestehe am Spotmarkt logischerweise nicht.
Trotz Fortschritten in Bezug auf Bitcoin-ETFs räumt Mellor ein, dass das Umfeld für einen Einstieg institutioneller Investoren in den Kryptomarkt oder einen Ausbau des Exposure schwierig ist. Schließlich signalisiere die Federal Reserve, dass sie die Zinsen noch für längere Zeit auf höheren Niveaus belassen werden. „Eine anhaltend restriktive Geldpolitik ist ein Problem für die meisten Risiko-Assets – insbesondere nach der Liquiditätsflut der Corona-Hochphase“, sagt Mellor. „Das wird Krypto-Vermögenswerte kurzfristig genauso weiter beeinflussen wie Aktien.“
Digitales Gold
Langfristig gesehen bestehe der Investmentcase von Bitcoin als digitalem Gold aber noch. Der Abwertung von Fiatwährungen wie dem Dollar durch die Inflation stehe die Limitierung von Bitcoin auf 21 Millionen Einheiten gegenüber, von denen die letzte im Jahr 2140 geschürft werde. Und das nächste Halving, bei dem die Menge der neu geschürften Bitcoin-Einheiten effektiv halbiert werde, stehe schon im kommenden Jahr bevor.
Hinzu komme, dass das Vertrauen in die fiskalische Stabilität der USA im laufenden Jahr unter dem langen politischen Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze in Washington gelitten habe. Die Ratingagentur Fitch stufte die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten daraufhin herab. „Die US-Schuldenstreitigkeiten sind ein Thema, das sich in höherer Frequenz wiederholt und Schlagzeilen generiert“, sagt Mellor. „Obwohl Argumente für Investitionen in Treasuries langfristig ihre Gültigkeit behalten dürften, macht es Assets wie Gold und Bitcoin attraktiver, wenn Anleger die fiskalische Stabilität zumindest nicht mehr als gegeben annehmen können.“
Vielschichtige Perspektiven
Die Anträge auf Spot-Bitcoin-ETFs in den USA sieht Mellor indes nur als einen Teil der Blockchain-Wachstumsperspektiven. Invesco hat in Europa Exchange Traded Products auf Bitcoin lanciert, zudem war das Haus mit seinem im März 2019 gestarteten, inzwischen mit Coinshares betriebenen Global Blockchain ETF Vorreiter im Segment. Das Vehikel im Ucits-Gewand investiert in Aktien von Unternehmen aus der Digital-Assets-Sphäre.
„Natürlich bestehen da direkte Verbindungen zur Bitcoin-Performance“, räumt Mellor ein. Schließlich schlage sich die Kursentwicklung der Digitalwährung in den Erlösen von Mining-Firmen nieder, die im Basisindex einen bedeutenden Anteil einnähmen. Zudem beeinflusse die Bitcoin-Performance die Handelsvolumina an Kryptobörsen wie Coinbase.
„Allerdings verfolgen wir mit unserem ETF einen breiteren Ansatz als die meisten Produktanbieter, die nach uns in den Markt vorgestoßen sind“, sagt Mellor. Invesco setzt mit ihrem Indexfonds auch auf Enterprise Blockchain – also Digital-Assets-Lösungen, die genutzt werden können, um kommerzielle Anwendungen zu skalieren. Häufig genanntes Beispiel sind Tools für das Lieferkettenmanagement, an denen Konzerne wie IBM arbeiten.
Wenngleich im Basisindex also auch Aktien enthalten sind, die keine Blockchain-Pure-Plays darstellen, will Invesco laut Mellor ein möglichst klares Exposure gegenüber dem Anlagetrend beibehalten. „Sicherlich entstehen trotzdem Überschneidungen zu anderen Investmentthemen wie künstlicher Intelligenz“, sagt der Produktexperte. Schließlich würden sowohl für KI als auch für Blockchain hochleistungsfähige Halbleiter benötigt, die zumeist von TSMC gefertigt würden.
Die Aktie des taiwanesischen Chipriesen kommt im Invesco-ETF auf ein Gewicht von 4,83%. Die Analysten von Coinshares beobachteten aber genau, wie stark Einzeltrends tatsächlich auf die Umsatz- und Kursentwicklung solcher Unternehmen wirkten. Somit suchten sie zu vermeiden, dass der Fonds den Charakter eines beliebigen Tech-ETF erhalte.
Zu den größten Positionen im Portfolio gehört Coinbase. Die Handelsplattform liefert sich einen Rechtsstreit mit der US-Börsenaufsicht SEC. Die Behörde stuft viele der auf Coinbase handelbaren Cyberdevisen als nicht registrierte Wertpapiere ein und verklagte das Unternehmen im Juni wegen Betriebs einer Börse ohne Lizenz. Die Kryptobörse wehrt sich dagegen, doch das Vorgehen der Regulatoren gegen Digital-Assets-Dienstleister hat sich seit dem Kollaps der Handelsplattform FTX 2022 bedeutend verschärft.
Rechtssicherheit als Vorteil
„Eine fortschreitende Regulierung ist für die Entwicklung des Blockchain-Markts langfristig zuträglich“, wendet Mellor ein. Ein Ende des „wilden Westens“ schaffe höhere Rechtssicherheit für institutionelle Investoren. Der jüngste US-Prozess gegen den unter anderem wegen Betrugs schuldig gesprochenen FTX-Gründer Sam Bankman-Fried habe die Skandale der vergangenen Jahre zwar erneut in ein grelles Licht gerückt – zugleich aber gezeigt, dass Digital-Assets-Dienstleister nicht im rechtsfreien Raum agierten.
Auch die Kryptobörse Binance steht nach Rechtsstreitigkeiten im Fokus. So stimmte der Plattformbetreiber in der alten Woche Zahlungen von insgesamt 4,3 Mrd. Dollar zu, um Ermittlungen des US-Justizministeriums wegen Geldwäsche, Bankbetrugs und Sanktionsverstößen beizulegen. Im Rahmen des Vergleichs hebt der Derivate-Regulator CFTC auch eine Zivilklage gegen Binance auf – die Behörde warf dem Unternehmen den illegalen Betrieb einer Börse vor. Binance-CEO Changpeng Zhao musste zurücktreten.
Behördenvertreter betonten nach dem Deal ihre Bereitschaft, weiter hart gegen Rechts- und Compliance-Verstöße im Sektor vorzugehen. Allerdings hält Mellor neben höherer Rechtssicherheit auch einen offeneren und weniger konfrontativen Dialog zwischen der Kryptobranche und den Behörden für wünschenswert. „Nur so kann eine umfassende Regulierung wirklich zustande kommen, die den nächsten Schritt in der Blockchain-Evolution bedeutet“, sagt Mellor.
Verlierer in der dunklen Ecke
Es werde auch Verlierer dieser Entwicklung geben – dies seien aber hauptsächlich Firmen, die sich regulatorischer Kontrolle auch jetzt schon zu entziehen suchten. „Klarere Rahmenwerke werden Investoren dabei helfen, diese unsauberen Elemente von den Blockchain-Unternehmen mit sauberen Geschäftsmodellen zu trennen, die wir auch in unserem ETF sehen wollen“, betont der Invesco-Manager. Das investierbare Universum bleibe dabei breit genug und werde wohl noch wachsen.
Gegenüber globalen Aktien-Benchmarks verfüge das Vehikel über eine disproportional hohe Allokation japanischer, taiwanesischer und südkoreanischer Titel. „Die Gewichtung von US-Werten hat sich in den vergangenen Jahren aber ausgeweitet – mit fortschreitender Regulierung dürfte es in diesem Markt für Blockchain-Investoren künftig noch größeres Potenzial geben“, betont Mellor.