Anleihemärkte

Sprung über die Nulllinie

Die zehnjährige Bundrendite hat den Sprung ins Plus geschafft – erstmals seit Mai 2019. Die hohe Inflation und die Erwartung, dass die Zentralbanken geldpolitisch gegensteuern, sind die Gründe dafür.

Sprung über die Nulllinie

kjo Frankfurt

Erstmals seit dem 6. Mai 2019 ist die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe zur Wochenmitte wieder im positiven Bereich gewesen, auch wenn es nur für den niedrigen einstelligen Basispunktebereich im Plus-Terrain gereicht hat. Lag sie am Dienstag im späten europäischen Handel noch bei –0,02%, war sie gleich zur Eröffnung am Mittwoch schon bei 0,004% und notierte damit mit einem positiven Vorzeichen. Bis auf das Tageshoch von 0,03% ging es dann herauf. Im späten europäischen Geschäft wurde dann aber schon wieder ein negativer Satz von –0,01% gemessen.

Hinter den Renditesteigerungen bei den sicheren Staatsanleihen, d.h. in erster Linie bei den US-Staatsbonds und den Bundeswertpapieren, stehen im Wesentlichen zwei Faktoren, die ineinandergreifen. Das ist die Inflationsentwicklung in vielen Ländern, darunter in den USA und auch in Deutschland. Dort sind die Steigerungsraten der Teuerung auf den höchsten Ständen seit Jahren, teilweise sogar seit Jahrzehnten angekommen. Weite Anlegerkreise gehen angesichts dieses Inflationsszenarios davon aus, dass die Zentralbanken als Reaktion hierauf die ultralockere Geldpolitik, die die Märkte, allen voran die Anleihe- und Aktienmärkte, stark beeinflusst hat, nun in den kommenden Monaten zurückfahren werden. Das bedeutet, dass Anleihekäufe gestutzt werden und auf absehbare Zeit zudem die Leitzinsen angehoben werden. Marktteilnehmer stellen sich darauf ein, dass die US-Notenbank Fed den Anfang machen wird in Sachen Leitzinserhöhung und andere Notenbanken später aber folgen werden.

Skeptische Stimmen

Aber es gibt auch skeptische Stimmen im Bondmarkt, die ihre Haltung damit begründen, dass die Teuerung sich wohl nur als ein vorübergehendes Phänomen erweisen wird. Diese Ansicht vertritt auch die Europäische Zentralbank (EZB). Christine Lagarde, oberste Währungshüterin der Eurozone, hat die Märkte wiederholt darauf eingestellt, dass auch sie nicht mit einem dauerhaften Schub der Inflation nach oben rechnet, sondern von einem Abklingen im weiteren Jahresverlauf ausgeht. Vor diesem Hintergrund wird denn vielerorten auch kein schnelles Eingreifen der EZB in Sachen Zinssteigerungen erwartet, was umgekehrt wiederum als Unterschätzen der Inflationsgefahr eingestuft wird.

Vor diesem Hintergrund fiel der Renditeanstieg in der Eurozone in den vergangenen Wochen moderater aus als bei anderen sicheren Staatspapieren. Union Investment, die Fondstochter der DZBank, geht denn auch davon aus, dass dies in nächster Zeit so bleiben wird, und nennt dafür drei Gründe. Im Euroraum sei die Inflationsdynamik insgesamt noch relativ moderat, insbesondere im Vergleich zu den USA. Das bremse den Renditeanstieg ab. Die EZB sei deutlich zurückhaltender als ihre Pendants bei der Straffung der Geldpolitik. Zwar würden auch in der Währungsunion die Anleiheankäufe verringert, aber eben nicht gestoppt. „Von Leitzinsanhebungen oder gar dem Abbau der Zentralbankbilanz, beides in den USA schon in diesem Jahr zu erwarten, sind wir in der Eurozone noch weit entfernt“, heißt es bei Union Investment. Das Neuangebot an deutschen Staatsanleihen werde in diesem Jahr sinken. Die Wirtschaft erhole sich vom Corona-Schock, die Bundesregierung müsse also weniger Schulden machen. Bunds blieben damit knapp, und der Anteil im Streubesitz dürfte kaum steigen. Das stütze den Preis und begrenze den Renditeanstieg, auch wenn die EZB ihre Käufe von Anleihen zurückfahre.

„Wir erwarten daher einen weiteren Renditeanstieg, aber nur in moderatem Maße. Im Ergebnis dürfte die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen nach unseren Prognosen bis zum Jahresende auf 0,2% klettern. Der Anleihemarkt bietet auch 2022 attraktive Möglichkeiten. Dazu müssen Anleger aber über den Tellerrand schauen, denn die Bundesanleihe gehört dieses Jahr wohl nicht dazu“, führen die Kapitalmarktexperten von Union Investment aus.

Mangel an Prämien

Beim Anleihegiganten Pimco wird im gegenwärtigen Renditeumfeld an den internationalen Bondmärkten allgemein eine Untergewichtung der Duration (Kapitalbindungsdauer) angestrebt, vor allem aufgrund des Mangels an Risikoprämien, der sich durch die gesamte Laufzeitstruktur ziehe. „Angesichts der Wahrscheinlichkeit einer höheren Volatilität erwarten wir, dass das aktive Durations-Management eine bedeutendere Alpha-Quelle sein könnte als in der Vergangenheit“, so die Pimco-Experten. Die Aussichten für Unternehmensanleihen stellen sich nach Ansicht von Pimco unter einigen Vorbehalten insgesamt positiv dar, allerdings werde die Titelauswahl wahrscheinlich ein Renditetreiber auf den Märkten für Unternehmensanleihen bleiben. „Interessante Chancen finden sich in ausgewählten Themen der Covid-19-Erholung wie Hotellerie, Luftfahrt und Tourismus sowie in Finanzunternehmen und in Sektoren, die von den längerfristigen Transformationsprozessen profitieren werden.“

2022 wird herausfordernd

Axa Investment Managers erwartet, dass das Jahr 2022 herausfordernd für Anleihen wird. „Die Inflation wird hoch bleiben, auch wenn wir uns nahe dem Höchststand der Inflationsraten auf Jahresbasis befinden. Die Gesamtrendite von Anleihen wird es schwer haben, weil die Zinsen steigen und sich die wahrgenommene Dynamik von Angebot und Nachfrage, aufgrund der geringeren Käufe der Zentralbanken und da diese zu Nettoverkäufern werden, ändert“, so die Einschätzung. Die größte Hoffnung bestehe darin, dass die Renditen nicht zu sehr ansteigen und die Nachfrage bestimmter Investorengruppen hoch bleibe. „Sicherlich sind die weltweiten Pensionsfonds in guter Verfassung und haben die Möglichkeit, aus Wachstumsinvestments in festverzinsliche Wertpapiere umzuschichten, um die derzeit sehr gesunden Finanzierungspositionen für leistungsorientierte Systeme in ausgewählten Märkten abzusichern“, heißt es weiter.

Auf eine stärkere Nachfrage bei höheren Renditen der sicheren Staatsanleihen seitens der Real Money Accounts verweisen auch andere Adressen. Pensionsfonds und Versicherer etwa griffen auch schon in früheren Phasen von steigenden Renditen zu, um sich die gestiegenen Sätze zu sichern, die sie dann schon seit längerer Zeit nicht mehr am Markt festzurren konnten. Allein dieser Faktor sorgte für ein Abbremsen des Renditeauftriebs.

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