Korrelationen

Stärkerer Gleichlauf von Aktien und Staatsanleihen

Der zunehmende Gleichlauf von Aktien und Staatsanleihen wird auch die kommenden Jahre prägen.

Stärkerer Gleichlauf von Aktien und Staatsanleihen

Staatsanleihen mit langer Duration boten lange Zeit die nahezu perfekte Absicherung gegen Kursverluste in Risikoanlagen. Sie generierten positive Erträge und kompensierten als sicherer Hafen bei Aktienmarktkorrekturen regelmäßig einen Teil der Verluste. Diese Korrelationseigenschaft zwischen Staatsanleihen und Aktien war maßgeblich für den Erfolg statischer Multi-Asset-Ansätze. Heute kämpfen Anleger nicht nur mit der niedrigen Rendite und oftmals negativen Ertragserwartungen von Staatsanleihen. Auch die Beziehung von Staatsanleihen- und Aktienentwicklung, die lange Jahre vorwiegend negativ war, ist aktuell an der Schwelle zum Positiven.

Diversifikation reduziert

Dieses Muster dürfte auch in den kommenden Jahren dominieren. Der zunehmende Gleichlauf reduziert die Diversifikation in Portfolios, sorgt für Schwierigkeiten bei risikobewussten Anlegern und erfordert von Multi-Asset-Anlegern ein flexibleres, opportunistisches Vorgehen – die Zeit der statischen Mischung aus Aktien und Anleihen ist vorbei.

Schaut man in die Historie, so wechseln sich aus zyklischer Sicht zwei Regime der Korrelationen von Aktien und Staatsanleihen ab. Regime 1 ist gekennzeichnet durch eine stärkere negative Korrelation zwischen beiden Anlageklassen. Regime 2 zeigt eine weniger negative (oder sogar positive) Korrelation zwischen Risikoanlagen und Staatsanleihen.

Häufige Reallokation

Regime 1 gilt vor allem in Phasen mit schwachem Wirtschaftswachstum oder Stress an den Finanz­märkten. In solchen Phasen ist das Handeln der Anleger vor allem von Risk-on-Risk-off-Erwägungen be­stimmt. Anleger reallozieren stark zwischen Risikoanlagen wie Aktien und sicheren Anlagen hin und her. Daraus ergibt sich eine deutlich negative Korrelation zwischen Risikoanlagen und sicheren Häfen. In solchen Phasen deuten steigende Anleiherenditen auf sinkenden Marktstress und eine geringere Nachfrage nach sicheren Häfen hin und vice versa. Zudem neigen die Zentralbanken zu Lockerungen der Geldpolitik.

Regime 2 ist vor allem in einem normalen Umfeld zur Mitte oder Ende eines Zyklus zu erkennen. Dann haben steigende Anleiherenditen negative Effekte auf Risikoanlagen, weil die Finanzierungskosten der Unternehmen ansteigen und die relative Attraktivität von Anleihen mit steigenden Renditen zunimmt. Zudem könnten sie auf eine Inflationsbeschleunigung hindeuten, was das Risiko einer Straffung der Geldpolitik seitens der Zentralbanken erhöht. In solchen Phasen ist die Korrelation zwischen Aktien und Staatsanleihen höher (sie kann auf null steigen oder zuweilen sogar positiv sein).

So lässt sich aus dieser zyklischen Betrachtungsweise der aktuell zunehmende Gleichlauf zwischen Risikoanlagen und Staatsanleihen erklären. Nach der Phase starken Risk-on-Risk-off-Verhaltens von Anlegern und massiver Lockerung der Geldpolitik durch die Zentralbanken im Zuge der Coronakrise sind die Märkte mit der wirtschaftlichen Erholung in ein normaleres Umfeld zurückgekehrt. Die Diskussion über die Reduktion der Anleihekäufe durch die amerikanische Zentralbank (Fed) sowie die möglicherweise früher als zunächst erwarteten Zinserhöhungen reflektieren diese Normalisierung.

Neben der zyklischen Betrachtung der Beziehung zwischen Aktien und Staatsanleihen sind historisch auch zwei vom Niveau der Inflation abhängige Korrelationsregime zu beobachten. Die Beziehung zwischen der Entwicklung von Aktien und Staatsanleihen in den USA war bei einer Kerninflationsrate oberhalb von 3% historisch fast ausnahmslos positiv. In einem Umfeld erhöhter und höherer Inflation verhalten sich Aktien und Anleihen also tendenziell gleichgerichtet. Bei einer Kerninflation unterhalb von 2% hingegen haben sich Aktien und Anleihen größtenteils gegenläufig entwickelt. Der aktuell zunehmende Gleichlauf von Aktien und Staatsanleihen ist somit auch konsistent mit dem starken Anstieg der Kerninflationsrate in den USA auf 4,5% im Juni und 4,3% im Juli.

Der Hintergrund ist in der Beziehung zwischen der Inflation bzw. der Inflationserwartung und der Bewertung an den Aktienmärkten zu suchen. Denn die Inflation bzw. deren Erwartung beeinflussen das reale Wachstum sowie die von Aktienmarktanlegern geforderte Ri­sikoprämie. So erreicht das Realwachstum in einem Niedriginflationsumfeld typischerweise sein höchstes Niveau, während die Risikoprämien für Aktien zeitgleich ihr niedrigstes Niveau erreichen. Werden diese beiden Abhängigkeiten in das Dividendenwachstumsmodell integriert, ergibt sich, dass in einem Niedriginflationsumfeld die Aktienbewertung gewöhnlich am höchsten ist, diese mit steigender Inflation ebenso wie mit fallender Inflation aber sinkt. Das bedeutet, dass bis zu einem Inflationsniveau von 2 bis 3% eine steigende Inflation und damit steigende Anleiherenditen positiv für die Aktienbewertung sind – Anleihen und Aktien entwickeln sich gegenläufig. Ab einem Inflationsniveau von 2 bis 3% sind eine steigende Inflation und damit steigende Anleiherenditen hingegen negativ für die Aktienbewertung – Anleihen und Aktien entwickeln sich gleichläufig.

Konsequenzen für Investoren

Die schlechte Nachricht für Anleger ist, dass sich in den kommenden Jahren die Korrelation zwischen Staatsanleihen und Aktien jeweils im Regime wenig negativer, tendenziell positiver Korrelation befinden dürfte. Die Märkte dürften sich zum einen weiterhin eher im zyklischen Regime2 (Mittzyklus, Normalisierung der Geldpolitik) befinden. Zum anderen gehen wir davon aus, dass die Inflation nach einem deutlichen Anstieg zwar wieder etwas zurückgeht, glauben aber, dass in den letzten Jahrzehnten disinflationär wirkende Trends wie die Globalisierung oder der demografische Wandel gedreht haben und in den kommenden Jahren wieder für höhere Inflation als vor der Pandemie sorgen werden. Auch wenn es immer mal wieder temporäre Phasen verstärkt negativer Korrelation zwischen Aktien und Staatsanleihen geben wird, ist ein schnelles Zurückfallen in ein Umfeld nachhaltig gegenläufiger Bewegungen von Aktien und Staatsanleihen aus unserer Sicht nicht zu erwarten.

Aktienpotenzial begrenzt

Die Aktienbewertungen dürften entsprechend auch nicht weiter steigen, was das Aufwärtspotenzial von Aktien abseits von Gewinnwachstum begrenzen dürfte. Die zunehmende Bedeutung von preisunelastischen Anlegern (ETFs, Systematiker, …) dürfte das Zurückfallen auf die historischen, niedrigeren Aktienbewertung aber erschweren. Statische Multi-Asset-Ansätze oder Ansätze mit Zielvolatilität oder Risikoparität dürften in diesem Umfeld weiter Schwierigkeiten haben. Erstere lassen im historischen Vergleich geringere Renditen bei höherem Risiko erwarten, Letztere, bei fixiertem Risikobudget, deutlich geringere Renditen.

Zuletzt erschienen:

Die Zukunft der Ernährung – besser und nachhaltiger (186), Pictet Asset Management

Aussichten für Emerging Markets langfristig intakt (185), Columbia Threadneedle

Warum Qualität Inflationsschutz bieten kann (184), Vontobel Asset Management

Die Wirtschaftsstruktur macht den Unterschied (183), Assenagon

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