Südafrika braucht Reformdynamik
Attraktiv hohe Zinsen machen Südafrika für Investoren grundsätzlich zu einem interessanten Anlagemarkt. Doch durch global hohe Inflation, restriktive Geldpolitik der US-Notenbank und die daraus resultierenden Rezessionsängste ist viel Geld aus dem Markt geflossen. Nicht zum Vorteil für die Währung des Landes, den südafrikanischen Rand. Dieser hat durch diese Entwicklung, aber auch aufgrund der geopolitischen Ereignisse und Versäumnisse im eigenen Land an Attraktivität verloren.
Dabei hat 2022 gar nicht so schlecht begonnen. Mit einem Wirtschaftswachstum von rund 2% im Jahresvergleich hat sich das erste Quartal – getrieben von steigenden Rohstoffpreisen – für den Rohstofflieferanten Südafrika noch ganz gut entwickelt, zumindest besser als erwartet. Doch mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine hat sich auch für Südafrika das Bild gedreht. Hinzu kamen verheerende Überschwemmungen in der wirtschaftlich bedeutenden Provinz KwaZulu-Natal, die wichtige Logistikwege zerstört und auch den größten Hafen des Landes zum Stillstand gebracht haben.
Aussichten erneut eingetrübt
Kaum von den pandemiebedingten Einbrüchen erholt, trübte die Fortdauer des Krieges die globalen Konjunkturaussichten erneut ein. Steigende Preise infolge der Verknappung von fossilen Brennstoffen und Lieferkettenunterbrechungen führten zuletzt weltweit zu stark wachsenden Inflationsraten. Die damit einhergehenden restriktiven geldpolitischen Notenbankmaßnahmen gekoppelt mit möglichen Rezessionsfolgen haben viele Märkte, darunter auch Südafrika, unter Druck gebracht. Konnte sich der Rand bis etwa Mitte April 2022 gegenüber dem Euro noch recht gut halten, hat die Währung mit zunehmenden Inflationssorgen, gestiegenen Ängsten über eine noch aggressivere Fed und daraus resultierender möglicher Konjunkturabschwächung in der Folge abgewertet. Der sichere Hafen US-Dollar war stärker nachgefragt. Südafrikas Inflation blieb im Vergleich zu anderen Emerging Markets in den ersten Monaten des Jahres gedämpft. Gestiegene Rohstoffpreise unterstützten Südafrikas Exporte und stärkten die Währung, während der Inlandskonsum eher moderat ausfiel. Der globale Preisanstieg bei Lebensmitteln und Treibstoff schlug sich letztlich auch auf Südafrikas Inflation stark nieder. Aktuell liegt die Inflation bei 7,6%.
Mit der sukzessiven Anhebung des Leitzinses von 3,75 auf derzeit 7,0% soll das künftige Preiswachstum gedämpft werden. Gleichzeitig reagiert die südafrikanische Notenbank auch auf Leitzinserhöhungen der Fed, welche allerdings zuletzt durch die Ankündigung der Verlangsamung des Tempos der US-Zinserhöhungen aufgrund des stärkeren Rückgangs der US-Inflation den Druck auf die südafrikanische Notenbank verringerte. Das verbesserte zwar die Marktstimmung, doch für freundlichere konjunkturelle Aussichten bedarf es weiterer positiver Wachstumsimpulse in den Märkten der wichtigsten Handelspartner Südafrikas, nämlich China und Europa.
Stromausfälle bremsen
Südafrika leidet nach wie vor unter hoher Arbeitslosigkeit, relativ geringem Lohnwachstum und mangelnder Inlandsnachfrage. Die hohe Inflation hat zu höheren Lebenshaltungskosten geführt und belastet die Konsumausgaben immens. Die Regierung hat zwar die Sozialzahlungen im Rahmen des Covid-Programmes wieder verlängert, jedoch reichen diese nicht aus, um die gewünschten Effekte in der lokalen Wirtschaft zu erzielen. Als Wachstumsbremse erweisen sich zudem rekordverdächtige Stromausfälle, ausgelöst durch veraltete Kohlekraftwerke des hoch verschuldeten staatlichen Energieversorgers Eskom – Umstände, die den dringenden Reformbedarf Südafrikas unterstreichen, denn die Liste der strukturellen Herausforderungen, mit denen das Land konfrontiert ist, ist lang. Es bräuchte eine klar erkennbare Reformdynamik, diese schreitet aber nur schleppend voran. So gibt es Bestrebungen der Regierung, erneuerbare Energien aufzubauen, um den massiven Stromausfällen zu begegnen. Doch es zeigt sich, dass, wie in anderen Ländern auch, die Bewilligungsprozesse viel zu lange dauern und auch die Produktionskapazitäten fehlen. Hier wären importintensive Investitionsausgaben notwendig, die wiederum die Leistungsbilanz stark belasten würden. Um das potenzielle Wachstum zu verbessern, sind regierungsseitig jedenfalls Investitionsausgaben vor allem in den Bereichen Bergbau, Energie, Verkehr und Dienstleistungen geplant.
Auch die Tatsache, dass die internationale Finanzaufsichtsbehörde „Financial Action Task Force“, die sich der Bekämpfung von Geldwäsche widmet, damit droht, Südafrika erstmals auf ihre „Graue Liste“ zu setzen, könnte das Land dazu bewegen, weitere Reformschritte in diese Richtung zu machen. Auf diese Liste zu kommen, hätte gravierende Folgen für das Finanzsystem und wäre schlimmer als ein Rating-Downgrade, weil dadurch jede Transaktion einer höheren Sorgfaltsprüfung unterzogen werden müsste und höhere Bank- und Handelskosten entstünden. Darüber hinaus würde sich der Zugang zur multilateralen Entwicklungshilfe erschweren. Ganz abgesehen davon, dass das auch unter dem Aspekt von ESG ein Governance-Thema ist und somit für nachhaltige Investoren ein No-Go. Südafrika hat hier also Handlungsbedarf und wird sehr wahrscheinlich die erforderlichen Schritte setzen.
Die Regierung von Präsident Cyril Ramaphosa hat bereits Schritte im Rahmen des Antikorruptionsprogrammes unternommen. So müssen Regierungsmitglieder ihr Amt zurücklegen, wenn sie mit einer Klage konfrontiert sind. Derzeit befindet sich der Präsident selbst inmitten eines Skandals um den Umgang mit einer hohen Devisensumme, die von seiner Wildfarm gestohlen wurde. Nachdem ein unabhängiges Untersuchungsgremium zum Entschluss kam, dass Ramaphosa sich möglicherweise schwerer Verstöße und Fehlverhaltens schuldig gemacht hat, droht ihm nun ein Amtsenthebungsverfahren. Die Abstimmung darüber findet nur wenige Tage vor einer wichtigen Konferenz der Regierungspartei ANC statt, wo auch ein neuer Parteivorsitzender gewählt wird. Der in der Bevölkerung beliebte Ramaphosa gilt als Spitzenkandidat. Ein Sturz Ramaphosas wäre für die regierende Partei ANC, die ohnehin eine abnehmende öffentliche Unterstützung erfährt, im Hinblick auf die Parlamentswahlen in 2024 besorgniserregend.
Politische Lage angespannt
Die politische Situation bleibt in Südafrika angespannt. Solange keine Klarheit herrscht, erachten wir eine defensive Positionierung als gerechtfertigt. Ein Abgang des Präsidenten würde die politische Instabilität vorübergehend verstärken. Seinen ins Leben gerufenen, wenn auch nur langsam voranschreitenden Reformen könnte der Stillstand drohen, wenn der potenzielle Nachfolger nicht an der Reformpolitik festhält. Chancen ergeben sich, wenn die Fed ihren aktuellen restriktiven Zinspfad tatsächlich abbremsen, beziehungsweise wieder beenden sollte. Nachlassender globaler Inflationsdruck und eine Verlangsamung des Zinserhöhungszyklus sollten die Währungen der Emerging Markets, einschließlich südafrikanischer Rand, begünstigen. Viel wird davon abhängen, wie sich China weiterentwickelt. Wenn von dort wieder Wachstumsmeldungen folgen, wäre das auch für Südafrika ein positives Zeichen.