Zweifel an Aufschwung

Technologie­aktien im Zwiespalt

Solide Quartalsergebnisse haben Tech-Werten zuletzt wieder Auftrieb verliehen. Doch einige Analysten warnen vor unterschätzten Zinsrisiken und einer unterdurchschnittlichen Gewinnentwicklung.

Technologie­aktien im Zwiespalt

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Für populäre Technologiewerte zeigt der Trend nach schwierigen Monaten wieder nach oben. So hat der Nasdaq 100 zwischen Mitte Juni und Mittwochabend um mehr als 19% zugelegt – zuvor hatte der software- und internetlastige US-Index seit Jahresbeginn gerechnet um nahezu 33% zurückgesetzt. „Mit Blick auf den starken Rückgang des Nasdaq seit Jahresbeginn könnten wir einen großen Teil der Verlustphase hinter uns haben“, kommentiert Brice Prunas, Fondsmanager des Oddo BHF Artificial Intelligence, die Entwicklung. Der Bärenmarkt im laufenden Jahr sei durch einen Rückgang der Investitionsausgaben nach dem Corona-Boom, Rezessionsängste und einen Anstieg der langfristigen Zinsen verursacht worden. Infolge erschwerter Finanzierungsbedingungen nahmen in der ersten Jahreshälfte viele Anleger von Tech-Titeln mit hohen Be­wertungen Abstand.

Zuletzt hob indes unter anderem die Kommunikation der Federal Reserve die Stimmung wieder. Die US-Notenbank signalisierte im Juli, das Tempo ihrer geldpolitischen Straffungen angesichts der vorherrschenden Konjunkturrisiken künftig möglicherweise drosseln zu müssen. Vor allem aber verliehen robuste Zahlen aus der Berichtssaison Tech-Werten jüngst Rückenwind. Gerade bei den großen Branchenvertretern hätten Beobachter große Gewinneinbrüche infolge steigender Zinsen befürchtet, betont Thomas Altmann, Leiter des Portfoliomanagements bei der Investmentboutique QC Partners. „Dass die Big Techs solide berichten, nimmt viel Druck und auch viel Angst aus dem Markt“, führt der Anlagestratege aus.

Tatsächlich bestimmen die führenden Branchenwerte die Entwicklung des Gesamtmarkts weiterhin maßgeblich. Schließlich sind die sogenannten „MAMAA Stocks“ – Microsoft, Apple, Meta, Alphabet und Amazon – immer noch für einen gewaltigen Teil der Marktkapitalisierung und der Handelsvolumen nicht nur im Nasdaq 100, sondern auch im marktbreiten S&P 500 verantwortlich. Zusammen mit der Aktie des E-Autobauers Tesla nehmen sie in letzterem Index über 20% an Gewicht ein.

Alphabet überzeugt

Die Analystengemeinde blickt jedenfalls überwiegend optimistisch auf die populärsten Vertreter der Tech-Branche. Die Aktie der Facebook-Mutter Meta empfehlen lediglich 6,7 % der Investmenthäuser, die den Titel regelmäßig beobachten, zum Verkauf, während 73,3 % zum Einstieg raten – damit ist sie noch der am negativsten beurteilte MAMAA-Wert. Alphabet kommt bei keinem einzigen „Verkaufen“-Votum beispielsweise auf einen Kaufempfehlungsanteil von 94,2%. Die Google-Mutter sei das „beste Haus am Platz“, urteilen die Analysten der Deutschen Bank. Das solide zweite Quartal demonstriere eine höhere Stabilität als befürchtet und zeige die Widerstandsfähigkeit skalierter und be­währter Werbeplattformen in einem unsicheren Makro-Umfeld.

Die Meta-Aktie empfiehlt das Geldhaus ebenfalls zum Kauf. Dabei sinken die Werbeeinnahmen von Meta, weil der Smartphone-Riese Apple neue Einstellungen für sein Betriebssystem iOS eingeführt hat und nun ausdrücklich um Erlaubnis fragt, das Surfverhalten im Internet nachverfolgen zu dürfen. Weil viele Nutzer dies ablehnen, sammeln Dienste wie Facebook weniger Daten, so dass die Werbung weniger präzise platziert werden kann. Laut der Deutschen Bank bedeutet dies aber nur temporären Gegenwind. Investitionen in datenschutzkonforme Targeting-Lösungen und eine stärkere Monetarisierung des Kurzvideodienstes Reels sollten die Herausforderungen nach Meinung der Analysten künftig abfedern.

Zinsrisiken ignoriert

Allerdings sieht der Analysedienstleister Bloomberg Intelligence die jüngste Kurserholung der Tech-Aktien als Belastung für die kommenden Monate. Die Marktkapitalisierung des Segments bleibe im Vergleich zu seinem Anteil an der Gesamtwirtschaft aufgebläht, die vorwärts gerichteten Kurs-Gewinn-Verhältnisse ignorierten überdurchschnittlich hohe Zinsrisiken. Rückläufige Erlöse und geringere Nettomargen dürften den Optimismus der Anleger demnach in den kommenden Monaten eintrüben. Bloomberg Intelligence geht davon aus, dass die Gewinne pro Aktie im Tech-Segment den Gesamtwerten für den S&P 500 im restlichen Jahresverlauf hinterhinken dürften. Dabei werde sich indes wohl eine Divergenz zwischen den weniger zyklisch geprägten Software-Werten und den Aktien der unter höheren Inputkosten leidenden Halbleiter- und Hardware-Konzernen ergeben.

Auch laut Oddo-BHF-Portfoliomanager Prunas dürfte das Marktumfeld durch Risikoaversion geprägt bleiben. In seinem Fonds meide er Unternehmen mit zu komplexen Geschäftsmodellen, die kurzfristig keinen freien Cashflow generierten. „Wir halten uns auch vom Streaming fern, da dieses Geschäftsmodell für den Gewinn von Marktanteilen auf hohe Investitionen für Inhalte wie Filme und TV-Serien angewiesen ist“, betont Prunas. Vielmehr konzentriere er sich auf Unternehmen, die gut etabliert seien, strukturell Marktanteile gewännen und über eine starke Preissetzungsmacht verfügten. Ein Beispiel sei der US-Cybersicherheitsdienstleister Fortinet.

Chancen bestünden zudem bei niedrig bewerteten chinesischen Internetwerten und Biotech-Aktien, die seit dem Winter deutlich zurückgesetzt hätten. Allerdings müssen Technologie-Investoren wohl weiterhin Leidensfähigkeit mitbringen. Denn lässt der Schwung aus der Berichtssaison nach, könnte sich der jüngste Aufwärtstrend laut Bloomberg Intelligence wieder umkehren.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.