Im InterviewLouise Street, World Gold Council

„Treiber des Goldpreises ist die Investmentnachfrage“

Der Goldpreis hat bislang eine bemerkenswerte Rally gezeigt. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert Louise Street, leitende Analystin beim World Gold Council, welche Nachfragergruppen aktuell die Rally antreiben. Im dritten Quartal waren das vor allem die Rückkehr der ETF-Investoren und der stark wachsende OTC-Handel.

„Treiber des Goldpreises ist die Investmentnachfrage“

Im Interview: Louise Street

„Treiber des Goldpreises ist die Investmentnachfrage“

Edelmetallexpertin des World Gold Council rechnet auch mit weiter hoher Nachfrage der Notenbanken

Der Goldpreis hat bislang eine bemerkenswerte Rally gezeigt. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert Louise Street, leitende Analystin beim World Gold Council, welche Nachfragergruppen aktuell die Rally antreiben. Im dritten Quartal waren das vor allem die Rückkehr der ETF-Investoren und der stark wachsende OTC-Handel.

Das Interview führte Dieter Kuckelkorn. Die vollständige Fassung des Interviews lesen sie unter www.boersen-zeitung.de

Frau Street, wie hat sich die Goldnachfrage im dritten Quartal entwickelt?

Nun, das dritte Quartal war recht bemerkenswert. Die Nachfrage nach Gold ist weltweit um 5% gestiegen auf einen mengenmäßigen Rekord von 1.313 Tonnen. Es gab aber auch einen Rekord mit Blick auf den Wert des gekauften Goldes, der erstmals in einem Quartal über 100 Mrd. Dollar gestiegen ist. Und wir haben natürlich auch gesehen, dass sich die gestiegene Nachfrage im Preis niederschlägt, der auf Rekordniveau geklettert ist.

Was waren die Haupttreiber für die hohe Goldnachfrage?

Der Hauptantreiber war ohne Zweifel die Investmentnachfrage, die sich im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum auf 364 Tonnen mehr als verdoppelt hat. Als Investment-Nachfrage bezeichnen wir die Zusammenfassung der Zu- und Abflüsse der auf Gold spezialisierte Exchange-traded Funds (ETF) und die Käufe von Goldbarren und Münzen. Innerhalb dieses Aggregats waren es in erster Linie die Zuflüsse zu ETF, die den Ausschlag gegeben haben. Es hat sich dabei um das erste Quartal mit Netto-Zuflüssen in ETF seit den ersten drei Monaten des Jahres 2022 gehandelt. Zu beobachten ist die Rückkehr des Interesses westlicher Investoren an amerikanischen und europäischen Gold-ETF, die wir schon seit einigen Quartalen erwartet haben. Diese umfangreichen Mittelzuflüsse vergleichen sich mit recht umfangreichen Abflüssen im gleichen Vorjahreszeitraum, sie haben aber natürlich auch aktuell den Goldpreis höher getrieben.

Was sind dabei Ihrer Meinung nach die Motive der ETF-Investoren, gerade jetzt verstärkt einzusteigen?

Es spielt sicherlich eine Rolle, dass die Zinssenkungen durch die US-Notenbank und die EZB jetzt aktuell geworden sind, vielleicht hat auch das Ausmaß der Zinssenkungen einige Investoren überrascht. Die steigenden geopolitischen Spannungen haben sicherlich auch eine Rolle gespielt und vermutlich auch die amerikanischen Präsidentschaftswahlen, deren Ausgang unsicher ist. Eine bedeutende Rolle hat auch der Faktor der Dynamik der Preisentwicklung gespielt, die Investoren angezogen hat. Wir sprechen hier von sogenannten Momentum-Investoren, die ein wichtiger Treiber des Goldpreises sein können.

Was hat noch die Goldnachfrage auffällig nach oben getrieben?

Die sogenannten Over-the-counter-Nachfrage hat wie schon seit sieben Quartalen einen signifikanten Beitrag zur Goldnachfrage geleistet. Hinter dieser Größe verbergen sich beispielsweise High-Net-Worth-Investoren, wobei es sich dabei aktuell durchaus um ein globales Phänomen handelt.

Wie hat sich die allgemeine Nachfrage nach Goldbarren und Münzen entwickelt?

Die Nachfrage nach Barren und Münzen war im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 9% niedriger – trotz des steigenden Goldpreises. Das ist auf die Lage in einigen wesentlichen Märkten zurückzuführen, beispielsweise China. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass sich der aktuelle Berichtszeitraum mit einem starken Vorjahresquartal vergleicht. Betrachtet man den gesamten bisherigen Jahresverlauf, sehen wir in China die stärkste Nachfrage nach Barren und Münzen seit 2013.

Worauf ist der Rückgang in China im dritten Quartal zurückzuführen?

Es gibt eine Reihe von Gründen, darunter die Stärkung der Währung, sodass weniger Gold als Absicherung gegen die Schwäche der eigenen Währung gekauft wurde. Außerdem hat die chinesische Notenbank seit einigen Monaten keine Bekanntmachungen über Goldkäufe mehr getätigt, wobei dies von einem Teil der potenziellen Goldkäufer als Signal gesehen wird. Außerdem hat die Ankündigung von Maßnahmen zur Stimulierung der Konjunktur durch die chinesische Regierung die Risikobereitschaft chinesischer Anleger verstärkt, was dann ja den chinesischen Aktienmarkt angetrieben hat. Das hat die chinesische Nachfrage nach sicheren Assets reduziert.

Traditionell ist die Schmucknachfrage ein wichtiges Aggregat des Goldmarktes. Was war hier im dritten Quartal zu beobachten?

Angesichts des Anstiegs des Goldpreises ist es natürlich nicht verwunderlich, dass die Schmucknachfrage zurückgegangen ist. Sie zeigte sich allerdings in einigen wichtigen Märkten als recht widerstandsfähig angesichts der Preisentwicklung. Die große Ausnahme ist der indische Markt, der sich hinsichtlich der Nachfrage nach Barren, Münzen und Schmuck positiv entwickelt hat, weil die indische Regierung Ende Juli die Importsteuer auf Gold um 9 Prozentpunkte auf 6% gesenkt hat, was sofort eine starke Nachfragereaktion ausgelöst hat. In China hingegen gab es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Rückgang der Schmucknachfrage um 34%. Hier spielt übrigens der Anstieg des Goldpreises eine wichtige Rolle.

Wir sehen oft, dass Konsumenten mit einem festen Budget Schmuck kaufen, sodass bei einem Preisanstieg die Mengen zurückgehen. Derzeit sind die Verbraucher jedoch offenbar bereit, ihr Budget zu strecken, denn wertmäßig ist die Schmucknachfrage um 13% gestiegen.

Was war bei den anderen Bereichen der Goldnachfrage noch auffällig?

Wenn wir die kleineren Aggregate der Goldnachfrage betrachten, so ist Anstieg des Verbrauchs im Bereich Technologie um 7% festzustellen. Hier spielt offenbar das Wachstum bei KI-fähigen Smartphones eine Rolle, aber auch die Vielzahl an niedrig fliegenden Satelliten für den Internetzugang, die derzeit und in den kommenden Jahren gestartet werden. Für diese ist Gold ein äußerst wichtiger Werkstoff.

Einer der interessantesten Bereiche des Goldmarktes war in den vergangenen Jahren die Nachfrage durch die Zentralbanken. Was ist hier der aktuelle Trend?

Die Notenbanken haben in den vergangenen Jahren einen signifikanten Beitrag zur Goldnachfrage geleistet. Im Quartal haben wir einen Rückgang auf 186 Tonnen gesehen, was aber nach wie vor ein robustes Niveau darstellt. Im gesamten bisherigen Jahresverlauf befinden wir uns bis jetzt in etwa auf dem Niveau des Jahres 2022, in dem es ja bekanntlich rekordhohe Goldkäufe durch die Zentralbanken gegeben hat. Allerdings rechnen wir nicht damit, dass es 2024 einen neuen Rekord geben wird. Die Notenbanken teilen uns aber mit, dass ihre Motive für den Goldkauf dieselben wie bisher sind und an Bedeutung nicht verloren haben.

Welche Notenbanken tun sich dabei besonders hervor?

Nun, wir haben gesehen, dass die Notenbanken von Polen und Ungarn etwas stärker Gold kaufen. Es gibt zudem die regelmäßigen Käufe durch die indische Notenbank, während die People's Bank of China seit Mai nicht mehr von Goldkäufen berichtet hat.