Aktienmarkt

Trendwende oder Dax vor 10.000 Punkten?

Trotz der Erholung im Dax Anfang Oktober bleibt weiterhin das Worst-Case-Szenario eines Kursverfalls in Richtung 10 .000 Punkte – oder auch darunter.

Trendwende oder Dax vor 10.000 Punkten?

Von Stefan Salomon *)

Wird alles wieder gut? Ist gar Licht am Ende des Tunnels zu sehen? Immerhin ist die aktuelle Stimmung unter den Marktteilnehmern sehr negativ. Gar leichte Panik macht sich breit – sofern die „weichen“ Stimmungsindikatoren berücksichtigt werden: Umfragen und Statements unter den Anlegern sowie den Vermögensverwaltern und Fondsmanagern. Die Mehrheit liegt bekanntlich falsch in ihrer Einschätzung und kann gar als Kontraindikator verwendet werden. Ist die Stimmung unter den Anlegern für die Aktienmärkte desaströs, so geht der Chartanalyst davon aus, dass kaum noch Abwärtspotenzial und weitere Verkaufsneigung vorliegt. Denn die meisten Bären haben dann schon verkauft oder ihre Positionen abgesichert. Im umgekehrten Fall einer Euphorie hingegen haben alle Marktteilnehmer mehrheitlich gekauft und warten auf weitere Kurssteigerungen, die mangels neuer Käufer jedoch nicht eintreten.

Worst-Case-Szenario

So war zum Beispiel vor rund einem Jahr die Stimmung unter den Anlegern recht positiv. Der Deutsche Aktienindex präsentierte sich im Herbst 2021 stabil nach einer kräftigen Aufwärtsbewegung. Doch aus charttechnischer Sicht war schon seit Oktober 2021 das Szenario einer potenziellen Gipfelbildung im Dax ersichtlich. An dieser Stelle sei erlaubt, auf die Schlagzeilen der vergangenen Kolumnen des Autors an dieser Stelle hinzuweisen. Am 5. Oktober 2021 wurde ein „Negatives Szenario für den Dax“ vorgestellt, am 7. Dezember 2021 eine Gipfelbildung als „das wahrscheinlichste Szenario“ angenommen, und noch am 18. Januar 2022 wurden unter dem Titel „Wahnsinn an den Märkten?“ entsprechende Abwärtsrisiken dargestellt. In den weiteren Kolumnen Ende März, Mitte Mai und Anfang Juli 2022 wurde stets betont, dass Erholungen an den Aktienmärkten eher verkauft werden dürften und ein Worst-Case-Szenario im Deutschen Aktienindex bis rund 10000 Punkte droht.

Die obigen Aussagen waren dabei kein „Hexenwerk“ oder der Blick in die Kristallkugel. Vielmehr zeigt sich im Deutschen Aktienindex ein langfristiger Aufwärtstrendkanal. An dessen obere Begrenzung lief der Markt 2021 heran und bildete hier eine klassische Phase der Unsicherheit, eine sogenannte Range oder ein Rechteck aus. Im Bereich der oberen Begrenzung eines langfristigen Aufwärtstrendkanals ist eine solche Range in der Regel eben eine Gipfelbildung.

Mit Ausbruch nach unten aus der Range im Februar 2022 waren die Gipfelbildung und ein übergeordnetes Verkaufssignal perfekt. Ziel war im ersten Schritt die langfristige Aufwärtstrendlinie. Aufgrund der Gipfelbildung hingegen musste auch mit einem Ausbruch aus dem Aufwärtstrendkanal nach unten gerechnet werden. Solange nun die ehemalige Range nicht zurückerobert wird, musste aus charttechnischer Sicht unter der Annahme der Gipfelbildung die Maxime ausgegeben werden, dass Erholungen eben grundsätzlich auf kurzfristige Verkaufssignale zu beobachten sind und letztlich verkauft werden sollten.

Mit dem nun erfolgten Ausbruch aus dem Aufwärtstrendkanal nach unten besteht weiterhin das Worst-Case-Szenario eines Kursverfalls in Richtung 10000 Punkte – oder auch darunter. Denn bei der Kurszielableitung nach Ausbruch aus dem Aufwärtstrendkanal nimmt der Chartanalyst die Breite des Trendkanals und trägt diese nominal oder grafisch nach unten ausgehend vom Ausbruchsniveau ab. Somit kann auch ein Kursziel knapp unter der 10000er-Marke ermittelt werden. Damit gilt auch weiterhin die Maxime, dass Erholungen im Markt eher verkauft werden sollten oder zumindest Erholungen auf Verkaufssignale beobachtet werden dürften.

Zum Monatsanfang Oktober 2022 kann der Dax jedoch eine deutlichere Erholung starten. Von unter 12000 Punkten geht es rasant bis Dienstagvormittag um rund 500 Punkte aufwärts. Die Erleichterung der Marktteilnehmer über Eingriffe der britischen Notenbank sowie eine Umkehr der britischen Regierung hinsichtlich ihrer umstrittenen Steuerpläne hat die Bären in die Flucht geschlagen. Diese Erholung und vor allem deren Dynamik – in Verbindung mit der recht angeschlagenen „Stimmung“ im Markt – könnte nun einen ersten Hinweis auf eine Stabilisierung und Aufhellung im Deutschen Aktienindex darstellen. Allerdings eben nur einen ersten Hinweis. Ein nachhaltiger Boden oder gar eine Trendwende ist so noch nicht erkennbar.

Die Erholung muss daher gegenwärtig als Pullback, als technischer Rücklauf an das Ausbruchsniveau interpretiert werden. Ein Anstieg hingegen über die runde 13000 per Wochenschlusskurs und nachfolgend auch ein Break des seit Ende 2021 laufenden Abwärtstrends könnten als Trendwende definiert werden.

Risiken überwiegen noch

Als Fazit muss daher wiederholt werden: Anleger sollten Erholungen im Deutschen Aktienindex auf Verkaufssignale beobachten. Erst ein Anstieg über 13000 sowie folgend über circa 13500 Punkte per Wochenschlusskurs würde eine deutliche Aufhellung mit sich bringen – eine rasante Hoffnungsrally insbesondere bei überraschendem Kriegsende und fallenden Inflationsraten könnte den Markt gar wieder in Richtung 15000 Punkte laufen lassen. Aktuell überwiegt jedoch noch das Risiko fallender Kurse.

*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst, www.candlestick.de.