Umfeld spricht derzeit gegen Rally des Dax
Von Christoph Geyer*)
„Die Märkte stehen vor einer Explosion.“ Solche reißerischen Überschriften garantieren dem Autor zumindest Aufmerksamkeit. Ob der Artikel dann das hält, was die Überschrift verspricht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hätte die Überschrift gelautet: „Der saisonale Faktor spricht für steigende Kurse“, hätten viele den Artikel vielleicht überhaupt nicht beachtet. Was dahintersteht, ist aber die gleiche Aussage. Nun kann man die Statistik nicht heranziehen, um Aussagen über die künftige Entwicklung zu treffen. Wenn man allerdings eine technische Indikation hat, dass es zu steigenden Notierungen kommen könnte, dann unterstützt die Statistik bei der Beurteilung der Lage ungemein.
Erhebliche Unsicherheiten
Doch bevor man die Statistik zu Rate zieht, sollte die aktuelle Lage betrachtet werden. Es liegt auf der Hand, dass ein unsicheres Umfeld nie gut für steigende Notierungen ist. Auch wenn ein alter Börsenspruch besagt, dass „man kaufen soll, wenn die Kanonen donnern“, stellt sich aktuell die Frage, ob dieser Rat in der jetzigen Situation noch Anwendung finden sollte. Es hat sich doch einiges verändert, was z. B. die globalen Auswirkungen betrifft. So haben die ausbleibenden oder zumindest in Teilen reduzierten Rohstofflieferungen oder die damit verbundenen Lieferkettenprobleme für u. a. deutlich anziehende Inflationsraten gesorgt. Solche Unsicherheiten, die reale Auswirkungen auf die Wirtschaft haben (fragwürdige politische Entscheidungen sind hier noch gar nicht berücksichtigt), werden von den Marktteilnehmern natürlich kaum goutiert. Dies alles spiegelt sich entsprechend im Trend der Märkte wider, wobei die Probleme weltweit in entsprechend überall zu beobachtenden Abwärtstrends zu sehen sind.
Vorübergehende Erholungen
So befindet sich der Dax seit Jahresbeginn in einem Abwärtstrend, bei dem von der Spitze Anfang dieses Jahres über 4000 Punkte oder ein Viertel des bereits erreichten Stands verloren wurde. Wenn man es sich schönreden wollte, könnte man feststellen, dass zwischenzeitlich auch Erholungsphasen von rund 3000 Punkten zu beobachten waren. Nach der klassischen Trendanalyse waren dies aber lediglich Gegenbewegungen in einem übergeordneten Abwärtstrend, da die zuvor erreichten Tops nie wieder angelaufen wurden. Ein ähnliches Bild zeigte auch der US-Markt, wobei sich hier immer wieder einmal Chancen aufgetan hatten, einen neuen Aufwärtstrend zu etablieren. So wurde z. B. im August das zuvor erreichte Top überwunden, was eine Möglichkeit bot, den Trend zu ändern. Aber auch hier schafften es die Marktteilnehmer nicht, diese Chance zu nutzen. An dieser Stelle kommt dann die Statistik ins Spiel. Von Mitte August bis Mitte Oktober zeigt sich in den Vereinigten Staaten nämlich ein weitgehend ausgeglichenes Bild, welches ähnlich viele positive wie negative Jahre hervorgebracht hat. Diese Betrachtung über 72 Jahre zeigt, dass es sich um eine unsichere Phase im Jahresverlauf handelt, gleichgültig wie die Rahmenbedingungen sind.
Beeindruckende Statistik
Beim Dax sieht der gleiche Zeitraum sogar noch bedenklicher aus. Hier überwiegen die negativen Jahre deutlich, und erst ab Mitte Oktober verbessert sich die Statistik signifikant, was auch in den USA zu beobachten ist. Drei Viertel der Jahre verlaufen in den USA bis zum Jahresende positiv. In Deutschland sind es immerhin noch zwei Drittel der beobachteten Jahre. Dies ist eine beeindruckende Statistik, die sich noch verbessert, wenn man sich den Dekadenzyklus ansieht. Alle sechs Jahre, die auf eine 2 geendet haben, sind seit dem Jahr 1962 im Dax (oder dem Vorgängerindex) positiv verlaufen. In den Vereinigten Staaten kann hier immer noch mit einer 5:2-Performance aufgewartet werden.
Es ist sicher nicht übertrieben, hier von einer Jahresschlussrally zu sprechen. Die Gazetten sind ja meist erst ab Ende November mit diesem Thema befasst. Die Statistik zeigt aber deutlich an, dass eine solche bereits saisonal viel früher startet, als es von den Medien als Thema aufgenommen wird.
Immer wieder gescheitert
Es nützt allerdings wenig, die Statistik zu betrachten, wenn sich das Umfeld derart unsicher und bedenklich darstellt, wie dies in den letzten Wochen und Monaten der Fall war. Immer wieder hat der Dax versucht, den Abwärtstrend anzulaufen und diesen zu brechen. An der Trendlinie, welche ohnehin eher nur eine begrenzte Aussagekraft besitzt, ist der Index immer wieder gescheitert. Zuletzt hat sich eine latente Unterstützung ausgebildet, die von einigen bereits als Dreifachboden fehlinterpretiert wurde. In diesem Bereich besteht zwar weiterhin die Chance auf ein Halten, und die Indikatoren auf Wochenbasis sehen recht verheißungsvoll aus, ob dies aber ausreicht, um eine Bodenbildung und damit eine mögliche Trendwende zu generieren, ist zumindest fraglich.
Sollte sich die Lage im Krisengebiet allerdings schnell ändern, was sicher jeder für wünschenswert hält, und die Energiefrage ebenfalls schnell geklärt werden, würde sicher ein Schub an den Märkten zu beobachten sein. In diesem Fall bereits von einer Kursexplosion zu sprechen, ist sicher fragwürdig.
*) Christoph Geyer ist freier technischer Analyst der VTAD e.V.