Nach Gewinnerholung

US-Aktienrückkäufer melden sich mit Macht zurück

Nachdem die Gewinnerholung in den Vereinigten Staaten die Erwartungen gesprengt hat, schalten die US-Konzerne wieder auf Aktienrückkäufe um. Doch es droht Gegenwind aus Washington.

US-Aktienrückkäufer melden sich mit Macht zurück

Von Christopher Kalbhenn,

Frankfurt

Aktienrückkäufe erleben in den Vereinigten Staaten derzeit ein spektakuläres Comeback. In den ersten vier Monaten des Jahres haben amerikanische Unternehmen, so das Research von Goldman Sachs, Rückkäufe im Volumen von 484 Mrd. Dollar angekündigt, eine Steigerung gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 207%.

Der bisherige Jahresrekord wurde 2018 aufgestellt. Angetrieben nicht zuletzt von den vom US-Präsidenten Donald Trump beschlossenen Steuersenkungen kündigten US-Firmen erstmals innerhalb eines Jahres Aktienrückkäufe von mehr als 1 Bill. Dollar an. Das Volumen der tatsächlich ausgeführten Rückkäufe der S&P-500-Firmen erhöhte sich von 519 Mrd. auf rekordhohe 806 Mrd. Dollar, gefolgt von ebenfalls enorm hohen 723 Mrd. Dollar im Jahr 2019. Die Pandemie führte dann zu einem Rückschlag und einem Rückgang um nahezu 29% auf 520 Mrd. Dollar. Der schwere wirtschaftliche Einbruch und die sehr unsicheren Aussichten zwangen die Unternehmen, angekündigte Rückkäufe aus Sicherheitsgründen zurückzustellen. Zudem waren Aktienrückkäufe durch den Boom in den beiden Vorjahren verstärkt in die Kritik geraten, und der Präsidentschaftswahlkampf sowie die Pandemie heizten die Diskussion zusätzlich an. Politiker des linken Spektrums der Demokraten forderten ein generelles Verbot von Rückkäufen. Auch dies ließ die Auflegung von Rückkäufen inopportun erscheinen. Im Fokus standen insbesondere die Airlines, die wie Unternehmen anderer Branchen Liquidität für Rückkäufe eingesetzt hatten, nun aber mit Hilfen im Umfang von 50Mrd. Dollar vom Staat gerettet werden mussten. Unternehmen, die Hilfen in Anspruch nahmen, wurden Rückkäufe untersagt. Zudem verbot die Fed den größten Banken zwecks Stärkung ihrer Kapitalpuffer Aktienrückkäufe.

Rekordhohe Liquidität

Mit der beginnenden V-förmigen Erholung und Wiedereröffnung der Wirtschaft kommt es nun zur dramatischen Wende. Mit der spektakulären, die Erwartungen deutlich übertreffenden Erholung ihrer Gewinne, und der wieder hergestellten Zuversicht schalten die Unternehmen wieder auf Rückkäufe um. Viele Unternehmen haben überdies Nachholbedarf bzw. setzen zuvor angekündigte, aber in der Krise ausgesetzte Rückkäufe nun um. Vor allem schwimmen sie in Liquidität. Laut Bloomberg haben die Liquiditätsüberschüsse der S&P-500-Firmen rekordhohe 2,7 Bill. Dollar erreicht. Gleichzeitig sind die Anlagemöglichkeiten angesichts des von der Fed auf nahezu 0% gesenkten Leitzinses eingeschränkt. Haupttreiber der neuen „Buyback Bonanza“ ist der Technologiesektor. Apple hat Rückkäufe für bis zu 90 Mrd. Dollar angekündigt. Auch die Banken schlagen wieder zu, nachdem die Fed das Verbot aufgehoben und ihnen in zunächst begrenztem Umfang erlaubt hat, wieder Rückkäufe zu tätigen.

Unter diesen Voraussetzungen und angesichts der rekordhohen Ankündigungen scheint durchaus möglich, dass auch die Aktienrückkäufe wieder auf Vor-Corona-Niveaus zurückkehren werden. Goldman Sachs etwa erwartet für dieses Jahr einen Anstieg um 35%, gefolgt von weiteren 5% im kommenden Jahr. Bezogen auf die Unternehmen des S&P 500 würde dies für dieses und nächstes Jahr Rückkäufe im Umfang von 702 Mrd. und 727 Mrd. Dollar bedeuten. 2022 würde damit das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 erreicht bzw. leicht übertroffen.

Allerdings gibt es auch potenzielle Gegenwinde, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. So dürfte der neue Boom der Aktienrückkäufe deren Kritikern und nicht zuletzt dem linken Flügel der Demokraten ein Dorn im Auge sein. Neuerliche Forderungen nach Verboten oder zumindest Einschränkungen könnten die Folge sein. Zu den prominentesten Kritikern zählt William Lazonick, der seit Jahren einen Feldzug gegen Rückkäufe führt. Die Pandemie war im zurückliegenden Jahr Wasser auf seinen Mühlen. In den vergangenen zehn Jahren, hieß es im Juli 2020 in einem Artikel, dessen Co-Autor der emeritierte Wirtschaftsprofessor der University of Massachusetts war, hätten die US-Un­ter­nehmen Rückkäufe für 5,3 Bill. Dollar getätigt. Wäre nur 1% davon den Pandemie-Vorbereitungsmaßnahmen zugeflossen, so die Autoren des Artikels, hätte dies dem Vierfachen des von der US-Regierung zur Verfügung gestellten Mitteln für Gegenmaßnahmen entsprochen.

Im Zusammenhang mit dem Vorhaben von US-Präsident Joe Biden, 2 Bill. Dollar in die Infrastruktur und die Bekämpfung des Klimawandels zu investieren, fordert Lazonick nun, dass Unternehmen, die im Zusammenhang mit dem Vorhaben steuerfinanzierte Subventionen erhalten, sich auf den Ausbau ihrer Kapazitäten und die Lieferung der Produkte, die nun benötigt würden, fokussieren sollten, und von „Wall-Street-Casino-Spielen“ zum Nutzen von reichen Hedgefondsmanagern und führenden Angestellten, d.h. von Rückkäufen, absehen sollten.

Relevanter ist jedoch ein anderer Aspekt. Zu den bisherigen Rekorden der Jahre 2018 und 2019 hat wie erwähnt jene Steuerreform von Donald Trump maßgeblich beigetragen. Mit diesem Rückenwind kann nicht mehr gerechnet werden. Im Gegenteil: Trump-Nachfolger Biden strebt eine Erhöhung der Unternehmenssteuern an. Er wird möglicherweise bezüglich des Ausmaßes Abstriche machen müssen. Aber auch dann wird sich der steuerliche Rückenwind in einen Gegenwind für Aktienrückkäufe umgekehrt haben.