DEVISENWOCHE

Verlieren Zentralbanken Macht über den Markt?

Von Sonja Marten *) Börsen-Zeitung, 22.3.2016 Mit wenigen Ausnahmen kennt die globale Geldpolitik derzeit nur eine Richtung: expansiv. Schon vor Jahren waren die traditionellen Mittel der Zentralbanken ausgeschöpft, seither dreht sich alles um...

Verlieren Zentralbanken Macht über den Markt?

Von Sonja Marten *)Mit wenigen Ausnahmen kennt die globale Geldpolitik derzeit nur eine Richtung: expansiv. Schon vor Jahren waren die traditionellen Mittel der Zentralbanken ausgeschöpft, seither dreht sich alles um unkonventionelle Maßnahmen. Mittlerweile gehört es quasi zum guten Ton, ein hauseigenes Wertpapierankauf- bzw. QE-Programm einzurichten, und auch eine Absenkung der Zinsen in den negativen Bereich ist bei weitem kein Tabu mehr. Dabei verschleiert die Frage “Was kommt als Nächstes?” den Blick auf das Wesentliche: Sind die Mittel der Wahl tatsächlich dazu geeignet, die geldpolitischen Ziele der Zentralbank zu erreichen?Für die meisten Zentralbanken hat das Inflationsziel (meistens in der Region von 2 % im Jahresvergleich angesiedelt) oberste Priorität. Unglücklicherweise steht ihnen bei der Erreichung dieses Ziels seit Herbst 2014 der fallende Ölpreis bzw. die Unfähigkeit der Opec, eine gemeinsame Linie zu finden, im Weg. Fallende Rohstoffpreise haben einen, zumindest in dieser Dimension, selten zuvor gesehenen deflationären Impuls geliefert und Zentralbanken weltweit vor massive Herausforderungen gestellt. Diese haben darauf, mehr oder weniger unisono, mit einer zunehmend expansiven Haltung reagiert. Zinssenkungen und QE-Programmen zum Trotz ist die Inflation heute jedoch weiterhin niedrig – so niedrig, dass sich zuletzt mehrere Zentralbanken für eine erneute Lockerung ihrer Politik entschieden haben. So hat die Bank of Japan (BoJ) im Januar überraschend negative Zinsen eingeführt und damit einen Schritt unternommen, den BoJ-Gouverneur Kuroda noch wenige Wochen zuvor als ein Risiko für die Finanzstabilität Japans bezeichnet hatte. Die EZB hat Anfang März ein überraschend umfangreiches Paket an zusätzlichen Maßnahmen vorgestellt, das weit über das hinausging, was der Markt erwartet hatte. Die Riksbank in Stockholm hat ihren Leitzins auf nunmehr – 0,50 % gesenkt. Die Zentralbank Neuseelands (RBNZ) hat ebenfalls eine weitere Zinssenkung unternommen, während ihre Kollegen in Australien (RBA) zwar noch ausharren, aber in den kommenden Monaten ebenfalls weitere Schritte ankündigen dürften. In Anbetracht der offensichtlichen Bereitschaft der Zentralbanken, alles Mögliche zu tun, um ihrem Inflationsziel näher zu kommen, verwundert es kaum, dass immer wieder darüber spekuliert wird, ob Zentralbanken mit ihrer derzeitigen Politik auch auf den Wechselkurs abzielen. Einfluss auf WechselkurseWährend einige Zentralbanken keinen Hehl aus ihrem Wunsch nach einer Abwertung der heimischen Devise machen (u. a. RBA, RBNZ, Riksbank, BoJ), sind andere vorsichtiger. Dies trifft in besonderem Maße auf die EZB zu. Zwar unterstellt man ihr spätestens seit der Einführung des QE-Programms Anfang 2015 subversive Absichten in Richtung Wechselkurs, deutlich dazu geäußert haben sich die EZB-Oberen bislang jedoch selten. Daran dürfte sich auch in Zukunft wenig ändern, schließlich hat die Europäische Zentralbank kein Währungsmandat. Ob aber nun öffentlich oder nicht – wir haben keine Zweifel daran, dass die Zentralbanken, die derzeit auf eine zunehmende Ausweitung der Geldpolitik setzen, dabei den Wechselkurs klar vor Augen haben. Auch die EZB. Tatsächlich dürfte ihr, ebenso wie vielen anderen Zentralbanken, der Wechselkurs derzeit als letzte Hoffnung auf Rettung erscheinen. Nachdem sowohl andere konventionelle als auch unkonventionelle Maßnahmen nicht zu fruchten scheinen, bleibt zumindest die Hoffnung, durch eine Abwertung der Landeswährung und die damit verbundenen steigenden Importpreise etwas Preisdruck zu generieren. Euro steigt trotz mehr QEIn der Vergangenheit hat sich der Wunsch nach einer schwächeren Währung oft erfüllt. So hat zum Beispiel das Einpreisen der QE-Programme der BoJ und der EZB die jeweilige Währung massiv unter Druck gesetzt. Der Yen fiel um die Jahreswende 2012/2013 um über 20 %, während der Euro im Zuge der QE-Ankündigung gute 10 % an Wert verlor. Die Ernüchterung dürfte allerdings schnell eingesetzt haben. Im weiteren Jahresverlauf 2015 stabilisierte sich der Euro und konnte zwischenzeitlich sogar deutlich zulegen. Und während der Yen in den ersten beiden Jahren nach QE schwach blieb, hat auch er sich 2015 deutlich fester gezeigt und konnte in diesem Jahr sogar signifikant aufwerten. Tatsächlich scheint der marginale Effekt expansiver Maßnahmen auf die Wechselkurse stark nachzulassen, ja sich zum Teil sogar ins Gegenteil gekehrt zu haben. Der Yen legte trotz der Einführung von Negativzinsen deutlich zu, der Euro steht trotz der jüngsten Ankündigungen der EZB fast bei 1,13 Dollar, und auch die schwedische Krone hat in diesem Jahr an Wert gewonnen, obwohl die Riksbank sogar so weit ging, zu signalisieren, dass sie offen für eine mögliche Devisenmarktintervention ist. Betrachtet man die Entwicklung der handelsgewichteten Währungsindizes seit Beginn 2016, so fällt auf, dass sich der Yen, der Euro, der austr. Dollar und die schwedische Krone unter den Gewinnern des Jahres befinden. Die Zentralbanken, so scheint es fast, stehen nicht nur der Inflation (oder besser gesagt dem Mangel an Inflation) hilflos gegenüber, ihr Einfluss auf den Devisenmarkt schwindet ebenfalls zusehends.Zum Teil dürfte dies Gewöhnungseffekten geschuldet sein. Expansive Geldpolitik, selbst in den derzeitigen Ausmaßen, ist nichts Neues mehr. Erschwerend hinzu kommt, dass die Auswirkungen auf das Renditeniveau des jeweiligen Landes ebenfalls begrenzt sind: Die Renditen sind bereits extrem niedrig und können daher nicht mehr so deutlich fallen, wie dies zu Beginn der derzeitigen Expansionswelle der Fall war. So hat sich die Renditedifferenz zwischen Bundesanleihen und US-Treasuries im 2-jährigen Bereich zuletzt sogar eingeengt, trotz EZB – was aber auch der Fed geschuldet war. Mangelnder Bewegungsspielraum am Zinsmarkt (nach unten) macht es den Zentralbanken schwer, den Wechselkurs zu beeinflussen.Ohne Frage wird die Geldpolitik auch in den kommenden Monaten eine wichtige Rolle für die Devisenmärkte spielen. Allerdings hat sich die Reaktionsfunktion des Marktes verändert. Zentralbanken, die zum Zweck der Erfüllung ihres Inflationsziels auf eine schwächere Währung setzen möchten, könnten gezwungen sein, schwerere Geschütze aufzufahren, um den Markt nachhaltig zu bewegen. Alternativ bleibt ihnen nur noch die Hoffnung, dass die Fed ihren Leitzins tatsächlich weiter anhebt, was den Dollar auf breiter Front stärken und andere Währungen unter Druck setzten dürfte.—-*) Sonja Marten ist Leiterin des Devisenresearch der DZ Bank.