GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (6)

Viel spricht für Gelassenheit an den Aktienmärkten

Börsen-Zeitung, 27.2.2018 An den Märkten geht es seit Anfang Februar ganz schön rund. Zumindest an manchen. Exemplarisch sei hier der Bitcoin genannt. Verglichen zu ihrem Hoch Mitte Dezember verlor die Kryptowährung bis Anfang Februar rund zwei...

Viel spricht für Gelassenheit an den Aktienmärkten

An den Märkten geht es seit Anfang Februar ganz schön rund. Zumindest an manchen. Exemplarisch sei hier der Bitcoin genannt. Verglichen zu ihrem Hoch Mitte Dezember verlor die Kryptowährung bis Anfang Februar rund zwei Drittel ihres Wertes. Seitdem ging es mit ihr wieder kräftig aufwärts. Um wie viel genau, hängt davon ab, ob man altmodisch versucht, auch bei durchgehend gehandelten Kryptowährungen so etwas wie Tagesschlusskurse zu verwenden. Kein Vergleich mit BitcoinDenn mit Bitcoin kann es leicht innerhalb weniger Stunden 7 % nach unten gehen – wie beispielsweise geschehen in den Morgenstunden vom 13. Februar. Oder auch 15 % nach oben – wie vor eineinhalb Wochen. Gegen 15 Uhr Frankfurter Ortszeit am 19. Februar notiert der Bitcoin schon wieder in etwa dort, wo er Anfang Dezember stand, bevor er zu seiner beeindruckenden Schlussrally ansetzte, die in seinem immer noch gültigen Rekordhoch mündete.Nicht nur verglichen zu Kryptowährungen wirken die Aktienbörsen geradezu gesittet. Der MSCI World etwa notierte zu Wochenbeginn schon wieder über seinem Jahresanfangswert. Warum also die Sorgen vieler Anleger und Kommentatoren? Das hat vermutlich drei Gründe. Zwei davon sprechen für Gelassenheit, der dritte für Wachsamkeit.Erstens sind Rücksetzer von 4 bis 5 % im viel beachteten US-Benchmarkindex Dow Jones Industrial Average keineswegs so ungewöhnlich wie von vielen Kommentatoren dargestellt. Zum Jahresanfang 2009 gab es beispielsweise eine ganze Reihe solcher Rücksetzer. Nur waren das bei den damaligen Indexständen um die 300 Punkte. Nun sind es eben knapp 1 200. Für den breiteren und aussagekräftigeren S & P 500 sieht es ähnlich aus. In der ersten Verkaufswelle, die am 2. Februar begann, lagen die S & P-Kursverluste bei knapp 8 %. Um dies einzuordnen, lohnt sich ein Vergleich mit den maximalen Kursrückschlägen innerhalb eines Kalenderjahres in der Vergangenheit. Mit dem maximalen Kursrückschlag misst man jenen Verlust, der sich ergäbe, wenn man den Markt am Höchststand kaufen und zum nächsten Tiefpunkt wieder verkaufen würde. Für diese Grafik (siehe anbei) haben wir Kursbewegungen von 1 % als Hürde genommen, um zu messen, wann der “nächste Tiefpunkt” erreicht ist, bevor der Markt wieder dreht. Anschließend haben wir für jedes Kalenderjahr den maximalen Kursrückschlag errechnet. Wie der Chart zeigt, entspricht der bisher größte Rückschlag aus 2018 genau dem historischen Durchschnitt. Ungewöhnlich war dagegen der sehr geringe maximale Kursrückschlag im Jahr 2017. Auch in den Jahren unmittelbar davor ging es vergleichsweise ruhig zu. Steht deshalb nun zwangsläufig die nächste große Krise bevor? Wir glauben es nicht. Allerdings gehen wir seit längerem davon aus, dass es in diesem Jahr ruppiger an den Märkten zugehen dürfte. Das ist an sich nicht negativ, sondern lediglich ein weiteres Zeichen der Normalisierung. Denn zweitens haben Verkaufswellen an den Märkten immer (auch) ein Element einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller hat das seinerzeit anlässlich des Crashs am 19. Oktober 1987 sehr schön beschrieben. Damals brach der Dow an einem einzigen Tag um 22,6 % ein. Shiller machte unmittelbar nach dem Einbruch eine Umfrage unter privaten und institutionellen Anlegern. Resultat war, dass es in den Tagen davor eigentlich keine Nachrichten gab, die eine fundamentale Neueinschätzung gerechtfertigt hätten. Bis auf den Kursrutsch selbst. Als die Verkaufswelle losging, setzte die große Panik ein. Verstärkt natürlich durch technische Faktoren. Vorsichtig zuversichtlichEs gibt zahlreiche Indizien, dass es im Februar 2018 ähnlich gelaufen ist. Dazu gehören etwa die Leerverkäufe von Volatilitätsoptionen oder Fonds mit einem Ziel-Risikograd. Ebenso mussten sich viele Trendfolgestrategien neu positionieren. Und schließlich ist da noch die psychologische Komponente – die eigene Reaktion auf Hiobsbotschaften und die Angst, wie die anderen Marktteilnehmer darauf reagieren.Das alles spricht dafür, die Kursrückschläge eher als Kaufgelegenheit zu werten. Anders als Kryptowährungen lassen sich Aktien ja durchaus fundamental bewerten. Das schützt nicht immer vor Irrtümern. Shiller prägte im Jahr 2000 das Schlagwort vom irrationalen Überschwang, in Anspielung auf eine Rede des damaligen Vorsitzenden der US-Notenbank, Alan Greenspan. Seither werden oft und gerne Blasen diagnostiziert. Wir wären mit diesem Begriff vorsichtig. Anders als zu Dotcom-Zeiten sind die Kurse derzeit von soliden Unternehmensgewinnen gestützt. Womit wir beim dritten Grund wären. Das Umfeld bleibt zwar weiter positiv für Aktien, das nunmehr weltweit starke Wirtschaftswachstum verspricht deutliche Gewinnsteigerungen. Wie nachhaltig die sein werden, muss sich aber erst weisen. Auf Basis von Shillers zyklisch angepasstem Kurs-Gewinn-Verhältnis, in das die Durchschnittsgewinne der vorangegangenen zehn Jahre einfließen, sind die Märkte teuer. Aber nicht so teuer, dass die Gewinne nicht in die Bewertung hineinwachsen könnten. Das Problem dabei: Die amerikanische Arbeitslosenquote ist nah an ihrem Rekordtief. Die Löhne ziehen seit einigen Quartalen an, wenn auch in kleinen Schritten. Vorerst scheint das Risiko sprunghafter Lohnschübe überschaubar. Früher oder später wird man den leer gefegten Arbeitsmarkt aber wohl auch bei den Margen vieler Unternehmen merken, selbst wenn es der US-Notenbank gelingen sollte, eine Überhitzung und darauf folgende Rezession zu vermeiden. Für Anleger heißt das: keine Panik. Aber sorgfältige Auswahl und aktives Risikomanagement scheinen im aktuellen Marktumfeld durchaus angebracht. (Literaturhinweis: Robert J. Shiller, Investor Behavior in the October 1987 Stock Market Crash: Survey Evidence, NBER Working Paper No. 2446, herausgegeben im November 1987)—-Stefan Kreuzkamp, CIO, Deutsche Asset Management