Währungen

Warum erholt sich der Rubel?

Derzeit hält sich der Rubel trotz düsterer Aussichten recht gut. Mittelfristig spricht aber vieles für eine Abschwächung der russischen Währung.

Warum erholt sich der Rubel?

Von Ulrich Leuchtmann*)

Warum erholt sich der Rubel? Wirken etwa die Sanktionen nicht? Solche oder ähnliche Fragen werden mir in den letzten Tagen häufig gestellt. Zunächst zeugen diese Fragen von einem Missverständnis. Denn die Sanktionen der westlichen Welt gegen Russland zielen in erster Linie gar nicht auf eine maximale, rasche Rubel-Abwertung ab. Wäre das der Fall, dürfte man beispielsweise nicht Exporte (be­stimmter Güter) nach Russland sanktionieren. Denn für die Bezahlung dieser Güter müssen die russischen Nachfrager (oder ihre Lieferanten) Rubel in Fremdwährungen tauschen. Können russische Abnehmer diese Güter nicht mehr im Westen kaufen und finden sie in Drittländern nur ungenügend Ersatz, werden sie – soweit möglich – auf heimische Produkte ausweichen. Dies erhöht den Anteil der Nachfrage nach russischen Gütern und stützt den Rubel.

Im Falle Russlands wird dieser Effekt dadurch verstärkt, dass ausländische Unternehmen in Scharen das Land verlassen. Denn die von ihnen in Russland abgesetzten Güter dürften typischerweise einen hohen Importanteil gehabt haben. Weichen russische Konsumenten nun auf heimische Anbieter mit geringerem Importanteil aus, wird ebenfalls ein geringerer Teil der russischen Endnachfrage in Importe fließen und den Bedarf an Rubel relativ erhöhen.

In der letzten Woche kam ein weiterer Faktor hinzu, der dem Rubel Rückenwind geben könnte. Denn Russlands Präsident Wladimir Putin hat verkündet, dass russische Unternehmen für ihre Gasexporte in „unfreundliche“ Staaten nur noch Zahlungen in Rubel akzeptieren dürfen. Details dazu arbeitet gerade die Zentralbank aus. Währenddessen haben einige westliche Regierungen angekündigt, solche Umstellungen der Lieferverträge zwischen russischen Gasexporteuren und westlichen Importeuren nicht zulassen zu wollen.

Noch ist nicht abzusehen, wie dieser Streit ausgeht. Aber würde es den Rubel tatsächlich weiter stärken, wenn russisches Gas nur noch mit Rubel bezahlt werden könnte und westliche Importeure trotzdem weiterhin Gas aus Russland abnehmen? In der Tat, wenn westliche Gasimporteure hektisch in großem Umfang Rubel kaufen, könnte der derzeit dünne Markt überlastet werden und der Rubel kurzfristig deutlich zulegen.

Letztendlich ist es aber egal, in welcher Währung die Lieferungen bezahlt wird. Am Ende kommt es darauf an, wie viel von diesen Importeinnahmen in Rubel und wie viele von ihnen in Euro oder Dollar ausgegeben werden. Denn ob der Exporteur oder der Importeur den Umtausch vornimmt, ist für den Wechselkurs gleichgültig. Dass der Anteil des russischen Endverbrauchs, der in Fremdwährungen getätigt wird, derzeit sinkt, ist (wie oben erläutert) völlig unabhängig von den Gasbezahlungsmodalitäten. Deren Änderung gibt dem Rubel also keinen zusätzlichen nachhaltigen Rückenwind.

Wird die Gas-für-Rubel-Regel umgesetzt, könnte freilich ein anderer Effekt greifen. Noch ist nicht klar, wie die Umstellung der bisherigen, auf Euro und Dollar lautenden Verträge in Rubel-Beträge erfolgen würde. Der russische Staat und die russischen Gasexporteure dürften daran interessiert sein, dass sich hierdurch ihre Einnahmen erhöhen, entweder über für Russland günstige Umstellungskurse oder über eine Anpassung der Preise langlaufender Verträge auf aktuell hohe Gaspreis-Niveaus. Steigende Gaseinnahmen der russischen Volkswirtschaft würden auch die Rubel-Nachfrage erhöhen und damit die russische Währung stärken. Die mittelfristigen Auswirkungen der Gas-für-Rubel-Regel auf die Rubel-Wechselkurse können wir daher erst dann abschätzen, wenn die Umstellungsmodalitäten bestehender Gaslieferverträge bekannt werden.

Mittelfristig spricht aber vieles für einen schwächeren Rubel. Denn die Waren und Dienstleistungen, die Russlands Volkswirtschaft produziert, sind durch den neuen faktischen Paria-Status Russlands auf dem Weltmarkt im Schnitt weniger wert. Gleichzeitig werden für Russland Importe besonders wertvoll, weil Teile davon nicht mehr so effizient wie bislang aus dem Westen bezogen werden können.

Beides zusammen dürfte die Wettbewerbsfähigkeit von Russlands Wirtschaft deutlich verringern. Denn Russlands Exporte werden im Verhältnis zu Russlands Importen weniger wert. Und damit wird das Zahlungsmittel, mit dem die Produktion russischer Exportwaren bezahlt wird, – der Rubel – an Kaufkraft verlieren. Im Inland durch Inflation, am Devisenmarkt durch Abwertung. Dass Russlands Endnachfrage mehr auf heimische Güter fokussiert sein wird, kann diesen Prozess nicht dauerhaft übertünchen.

Freilich hat die Geldpolitik der russischen Zentralbank theoretisch die Möglichkeit, das Rubel-Angebot so massiv zu verknappen, dass Inflation und Abwertung ausbleiben. Diese Strategie hat die Zentralbank z.B. bei den Russland-Sanktionen nach der Krim-Annexion angewendet. Der Rubel konnte sich in der Folge deutlich erholen.

Diesmal wird die russische Zentralbank jedoch aller Voraussicht nach nicht so konsequent handeln können. Die zu erwartenden konjunkturellen Folgen der neuen Sanktionen dürften so massiv sein und der inflationäre Effekt dürfte so ausgeprägt sein, dass die Zentralbank es sich nicht leisten kann, mit ultrarestriktiver Geldpolitik Inflation und Abwertung zu verhindern. Denn solch eine Geldpolitik würde die bereits schwache Konjunktur zusätzlich stark belasten. Realistisch wäre wohl bestenfalls, dass die Zentralbank mittelfristig eine galoppierende Inflation (Inflationsraten über 20%) bekämpft, um das Risiko einer Hyperinflation zu vermeiden. Der Rubel dürfte daher mittelfristig deutlich abwerten, wenn die russische Zentralbank nicht zu Devisenbewirtschaftung und fixen Wechselkursen übergeht.

Markt nicht mehr effizient

Angesichts solch durchschlagender Argumente für einen mittelfristig schwächeren Rubel müsste dieser in einem effizienten Markt sofort abwerten. Jedoch ist der Rubel-Markt derzeit keineswegs effizient. Spekulative Marktteilnehmer, die sonst dafür sorgen, dass sich Erwartungen unmittelbar in Wechselkursen niederschlagen, haben es angesichts geringer Ru­bel-Liquidität, breiter Bid-Ask-Spreads und weiterer Sanktionsrisiken schwer, auf künftige Rubel-Kurse zu wetten. Deshalb reflektieren die Rubel-Wechselkurse derzeit diese Erwartungen nicht vollständig. Das dürfte der Grund sein, warum sich die russische Währung trotz düsterer Aussichten momentan relativ gut hält.

*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.

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