Windturbinenaktien heben ab
Die Aktien von Windturbinenherstellern zählen zu den großen Gewinnern des Jahres. Verstärkte Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels und damit verbundene hohe Wachstumserwartungen für die Branche haben den Titeln Kursgewinne von bis zu rund 90 % beschert.Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtMit sehr starken Kurssteigerungen fallen in diesem Jahr nicht nur Corona-Gewinner wie die Aktien etwa des Essenslieferdienstes Delivery Hero und des Herstellers von Distanzarbeits-Software Teamviewer auf. Zu den Lieblingen der Anleger zählen auch die Aktien der Windturbinenhersteller. So hat Nordex in diesem Jahr um 62 % zugelegt, und wer während des Corona-Crashs in die Aktie investiert hat, kann sich über einen noch größeren Gewinn freuen. Im Vergleich zum März-Tief hat sich der Titel um rund 250 % befestigt. Die dänische Vestas und die in Madrid notierte Siemens Gamesa haben seit dem Jahresbeginn um knapp 90 % und 91,4 % zugelegt. Schub durch Bidens WahlsiegEinen zusätzlichen Kursschub brachten im März die Wahlen in den Vereinigten Staaten. Denn mit dem sich abzeichnenden Sieg des demokratischen Kandidaten Joe Biden begannen die Marktteilnehmer eine Wende in der Klimapolitik der US- Regierung vorwegzunehmen. Unter Biden werden die USA dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten. Wichtiger noch aus Sicht der Windturbinenhersteller: Der designierte Präsident hat im Wahlkampf einen Green Deal angekündigt, der staatliche Förderungen für den Klimaschutz in Höhe von 1,7 Bill. Dollar vorsieht mit dem Ziel einer emissionsfreien Industrie bis zum Jahr 2050. Rund um den Globus haben sich Regierungen ehrgeizige Klimaziele gesetzt, die zu massiven Investitionen in die erneuerbaren Energien führen werden. So hat etwa die Europäische Union einen Green Deal beschlossen. Spätestens im Jahr 2050 sollen keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden. Explosives WachstumDer Nachdruck, mit dem zur Erreichung der Klimaziele erneuerbare Energien ausgebaut werden, verspricht den Windturbinenherstellern prall gefüllte Auftragsbücher. So geht der Global Wind Energy Council (GWEC) davon aus, dass die neu installierten Offhsore-Windenergiekapazitäten in diesem Jahr mit 6,6 Gigawatt (GW) den Rekord des Vorjahres von 6,1 GW übertreffen werden, ehe das Wachstum in den kommenden Jahren abhebt. Bis zum Jahr 2030 werden dem GWEC zufolge weltweit mehr als 205 GW neue Offhore-Windenergiekapazitäten neu installiert werden. Das Research- und Beratungsunternehmen Wood Mackenzie erwartet für dieses Jahr neue Offshore-Kapazitäten von 6,8 GW, gefolgt von einem deutlichen Anstieg auf 9,8 GW im kommenden Jahr. 2028 wird die neu in-stallierte Kapazität laut Wood Mackenzie 25,8 GW betragen. Das würde dem 3,8-Fachen der für dieses Jahr geschätzten Neuinstallation entsprechen. Allerdings haben die Aktien der Windturbinenhersteller mit ihrer Hausse die Aussichten auf ein extrem hohes Wachstum bereits ein gutes Stück weit eingepreist, so dass die Bewertungen recht luftige Höhen erreicht haben. So weist Nordex auf Basis der von Bloomberg erfassten Konsensschätzungen für das Jahr 2022 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 22 auf. Für Vestas und Siemens Gamesa liegen die entsprechenden Werte bei 31,5 und 38,4. Analysten zurückhaltendAnalysten sind denn auch eher zurückhaltend, auch wenn sie die Aktien zuletzt hochgestuft und Kursziele erhöht haben. So erst gestern Kepler Cheuvreux. Das Research-Haus stufte Vestas, die sie für einen Profiteur des Wahlsiegs von Joe Biden hält, mit einem Kurs von 905 auf 1 380 (aktueller Kurs: 1 276 dkr) von “Hold” auf “Buy” hoch. Darüber hinaus wurden die Kursziele für Nordex und Siemens Gamesa von 11 auf 19 (derzeit 19,61 Euro) und von 22,50 auf 29 (aktuell 29,93 Euro) angehoben, die Halteempfehlung für diese Titel aber beibehalten. Die von Bloomberg erfasste Empfehlungsbilanz fällt für Nordex am besten aus. Sieben Kauf- steht nur eine Verkaufsempfehlung gegenüber. Hinzu kommen sechs Haltevoten. Vestas wird bei zehn Kaufempfehlungen von immerhin sieben Häusern zum Verkauf empfohlen. Elf Adressen raten zum Halten. Am schlechtesten schneidet Siemens Gamesa mit vier Kauf- und neun Verkaufs- bei zwölf Halteempfehlungen ab. An den durchschnittlichen Kurszielen lässt sich ablesen, dass die Analysten insgesamt gesehen die Aktien der Branche für ausgereizt halten. Im Falle von Nordex lautet der Durchschnitt auf 19,36 Euro und liegt damit wie auch bei Vestas und Siemens Gamesa unter dem aktuellen Niveau.Langfristig sehen die Wachstumsaussichten der notierten Windturbinenhersteller zwar gut aus. Neben den hohen Bewertungen ist aber auch der scharfe Wettbewerb in der Branche, zu der auch viele nicht notierte Firmen sowie diversifizierte Unternehmen wie General Electric zählen. Auch könnte die Euphorie über den Wahlsieg Bidens abebben. Denn da die Republikaner die Mehrheit im Senat behauptet haben, sind seinen Möglichkeiten Grenzen gesetzt, die auch den in Aussicht gestellten Green Deal betreffen dürften.