Anlagestrategie

„Wir haben einen Bärenmarkt bei Anleihen“

Die Wirtschaft überwindet die Coronakrise weltweit in einem sehr unterschiedlichen Tempo. Diese asynchrone Erholung stelle Investoren vor eine Herausforderung, betont der Assetmanager Carmignac.

„Wir haben einen Bärenmarkt bei Anleihen“

ck Frankfurt – Nach Einschätzung von Gergely Majoros werden Investoren im aktuellen Umfeld vor besondere Herausforderungen gestellt. In einem Pressegespräch verwies das Mitglied des Investment Committee des Assetmanagers Carmignac am Dienstag auf die asynchrone Erholung der Weltwirtschaft. Es gebe viele regionale Unterschiede, was es Investoren erschwere, Entscheidungen zu treffen. Zur asynchronen Erholung trage bei, dass bereits die Ausgangslagen vor der Coronakrise unterschiedlich gewesen seien und die Regionen unterschiedlich stark von der Pandemie getroffen worden seien. Auch seien die Impffortschritte sehr unterschiedlich. Von China abgesehen seien die Impffortschritte in vielen Schwellenländern sehr langsam. Sie würden erst im nächsten Jahr eine starke Erholung erleben. Hinzu kämen stark unterschiedliche fiskalische Impulse. Europa sei vor der Krise viel weiter von seinem Wachstumspotenzial weg gewesen als die USA, die zudem deutlich stärkere fiskalische Impulse erhielten. Damit seien Wachstums- und Inflationsaussichten sehr unterschiedlich. Auch seien die den Privathaushalten für Konsumausgaben zur Verfügung stehenden Mittel in den USA wesentlich höher.

China wiederum erlebe bereits eine Art Verlangsamung in der makroökonomischen Dynamik. Dort versuchten die Behörden nicht so stark wie in Europa und den USA, die Wirtschaft zu stimulieren. Die Regierung versuche sogar, den Kreditimpuls zu verringern Die USA befänden sich dagegen noch in der Erholungsphase mit viel Dynamik, was das Wachstum betreffe. Sie würden oberhalb ihres Potenzials wachsen beziehungsweise eine Überhitzung erleben. Die entsprechend höhere Inflation sei aber nur ein Phänomen für die Vereinigten Staaten. Auch in Europa gebe es eine gute Dynamik, aber mit Unterschieden innerhalb der Region, etwa zwischen Deutschland und Südeuropa. Deutschland sei mit seiner exportorientierten Wirtschaft noch relativ gut durch die Krise gekommen und nicht so stark vom Tourismus abhängig. Aber auch Deutschland sei noch ein Stück weit von seinem Potenzial entfernt. In vielen Schwellenländern sei die starke Erholungsdynamik noch nicht angekommen.

Höhere Inflation

In den USA treffe ein sehr starkes Wachstum auf ein niedriges Angebot, weil viele Bereiche noch nicht auf die Wiedereröffnung vorbereitet seien. Das sei aber ein vorübergehendes Problem. „Wir glauben, dass die Probleme in den Wertschöpfungsketten in den nächsten Monaten gelöst werden“, so Majoros. Die entscheidende Frage sei allerdings, was darüber hinaus geschehe. Es gebe durchaus Argumente dafür, dass doch eine höhere Inflation als in den zurückliegenden Jahren kommen werde. Wichtig seien hier unter anderem die Mietpreise, auf die 40% des Inflationskorbes entfielen. Wenn das Mietenmoratorium auslaufen werde, werde es zu einem starken Anstieg kommen, auch weil die Immobilienpreise in den letzten Monaten gestiegen seien. Noch wichtiger sei die Dynamik am Arbeitsmarkt. „Wir werden relativ schnell einen Arbeitsmarkt kriegen, der noch enger ist als vor der Krise“, so Majoros. Der Arbeitsmarkt könne sehr eng werden mit der Folge von Gehaltserhöhungen, die die Inflation erhöhen.

Die Herausforderung für Fonds sei nun, die regionalen Unterschiede und die Entwicklung des Konjunkturzyklus umzusetzen. „Wir befinden uns kurz vor dem Hoch des Zyklus“, so Majoros. Das Wachstum sei stark, die Inflation nehme zu und die Rohstoffpreise stiegen. Die Frage sei nun, wann der Übergang in die Phase der Verlangsamung bei gleichzeitig steigender Inflation folgen werde. Das Problem dabei sei, dass der Zyklus durch die fiskalischen Stimuli in den Vereinigten Staaten verzerrt werden könnte. Das erschwere Investoren die Positionierung. Die USA befänden sich irgendwo vor dem Hoch, Europa werde mit einer Verzögerung von ein paar Monaten folgen. Darauf müssten sich Fonds vorbereiten.

Negative Duration

Skeptisch ist Majoros, was Anleihen betrifft. „Bei Anleihen wollen wir in den kommenden Monaten vorsichtig sein. Wir haben in diesem Jahr einen Bärenmarkt bei Anleihen, der noch nicht zu Ende ist. Wir glauben, dass die Renditen weiter steigen werden.“ Die Schlussfolgerung sei: Auf keinen Fall eine zu hohe Duration fahren. „Wir versuchen, am Anleihemarkt kein Geld zu verlieren, gleichzeitig aber auch etwas zu verdienen.“ Umgesetzt werde dies im Mischfonds Carmignac Patrimoine mit einer Short-Position in US-Staatsanleihen, mit der Folge, dass die Duration des Anleiheteils negativ sei. Auch bei Spread-Produkten ist Carmignac Majoros zufolge vorsichtig und selektiv. In Unternehmens- und Emerging-Markets-Anleihen gebe es ausgewählte Positionen, aber keine größeren Posten. Chinesische Lokalwährungsanleihen seien interessant. Sie böten eine attraktive Rendite und möglicherweise auch eine Dekorrelierung von anderen Positionen des Portfolios.

In Aktien „gut investiert“

Die Einstellung zu Aktien beschrieb Majoros als „deutlich konstruktiver“. „Wir sind gut investiert.“ Konkret ist der Carmignac Patrimoine bei maximal zulässigen 50% zu 40% in Aktien investiert. Jedoch seien die guten Nachrichten zu einem großen Teil eingepreist, die Bewertungen hoch. Auch hier seien die unterschiedlichen Zyklusphasen der Regionen umzusetzen. So seien etwa in China eher defensive bzw. Wachstumswerte angesagt, in Europa eher zyklische Titel. Bei Value-Aktien ist Majoros jedoch mittlerweile vorsichtiger. Das Umfeld für Value-Aktien sei möglicherweise nicht mehr so gut. Nach den sensationellen Ergebniserwartungen für 2021 rechne der Konsens für 2022 und 2023 mit einem Ergebniswachstum von nur noch 10% bzw. 8%. Eine wieder auf den Durchschnitt zurückgekehrte Ergebniserwartung sei für Value-Aktien möglicherweise nicht mehr genug.