IM GESPRÄCH: PATRICK HUSSY

"Wir haben noch keine Panik gesehen"

Sentix geht trotz gutem Jahresstart von massivem Dax-Einbruch Ende Februar aus - Erholung folgt danach

"Wir haben noch keine Panik gesehen"

Patrick Hussy von Sentix wertet im Gespräch mit der Börsen-Zeitung den jüngsten Dax-Anstieg als “Pull-back” nach der ausgeprägten Dezember-Schwäche. Der finale Ausverkauf stehe noch aus, denn im Dezember sei keine Panik zu sehen gewesen und die Konjunkturerwartungen hätten noch nicht ins Positive gedreht.Von Werner Rüppel, FrankfurtDas Frankfurter Analysehaus Sentix hat mit seinem Behavioral-Finance-Ansatz, der nicht zuletzt auf der wöchentlichen Sentix-Investorenumfrage beruht, bereits mehrfach Wendepunkte an den Märkten treffend erkannt. Dies war zum Beispiel im März 2003 oder im März 2009 der Fall, als der Dax jeweils nach einer massiven Abwärtsbewegung nach oben drehte. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert Sentix-Geschäftsführer Patrick Hussy, wie er die Situation an den Märkten aktuell einschätzt.Auch die Sentix-Analysten hat die Höhe des Dax-Einbruchs im Dezember überrascht. Daher habe sich schon die Frage gestellt, ob dies vielleicht schon ein finaler Abverkauf und somit der Wendepunkt für den Dax gewesen sein könne, so dass der Ausblick für 2019 jetzt anders ausfalle (vgl. auch BZ vom 14. Dezember 2018 zum Sentix-Jahresausblick). Doch geht Sentix davon aus, dass der Dax bis etwa Ende Februar noch einen massiven Einbruch sehen wird. Hussy wörtlich: “Der Dax wird die alten Tiefs noch einmal testen.” Dafür führt der Analyst vor allem zwei Gründe an. Denn zum einen hat Sentix beim Abverkauf im Dezember keine Verängstigung festgestellt. “Wir haben noch keine Panik gesehen, die zu einem finalen Ausverkauf dazu gehört”, erklärt der Kapitalmarktexperte.Darüber hinaus seien die Konjunkturerwartungen auch im Januar sehr schwach ausgefallen. Im Allgemeinen drehe der Dax erst nachhaltig in Richtung Bullenmarkt, wenn auch die Konjunkturerwartungen drehten. Dies sei zum Beispiel Anfang 2009 der Fall gewesen. Insofern sei die jüngste Aufwärtsbewegung im Dax als “Pull-back” nach dem schwachen Abschneiden des Index im Dezember zu werten. Daher hat Sentix in ihrem Dax-nahen Fonds, der den Index flexibel mit einer Quote zwischen 80 % und 120 % abbildet, die Dax-Investitionsquote jetzt auf 95 % reduziert. Zu Jahresbeginn sei man zu 120 % investiert gewesen, habe also auf den “Pull-back” gesetzt.Aufgrund der genannten Faktoren erwartet Hussy weiterhin, dass der Dax im Februar oder Anfang März die Marke von 10 000 Punkten testen und vielleicht auch kurzfristig unter diese Schwelle fallen wird. Grundsätzlich belaste die Aktienmärkte weltweit weiterhin der “Kohleausstieg”, dass nämlich die großen Notenbanken die zur Verfügung gestellte Liquidität langsam abbauten.Nach dem prognostizierten Ausverkauf erwartet Sentix dann aber eine sogenannte Bärenmarktrally für den Dax, eine längerfristige Erholung im Bärenmarkt. “Diese kann durchaus drei bis sechs Monate dauern und zu einem Dax-Plus von 10 % oder etwas mehr führen”, meint Hussy. Jedoch sei wohl eine lange Strecke zu gehen, bis der Dax sich wieder in einem Bullenmarkt befinde. Dafür müssten sich zum einen die Konjunkturerwartungen nachhaltig aufhellen, zum anderen gehöre auch das entsprechende Chartbild dazu. “Erst wenn der Dax wieder über die 12 000 Punkte geht, kehrt er in einen Bullenmarkt zurück”, erläutert Hussy. China und Gold aussichtsreichWie von Sentix im Jahresausblick 2018 namens “Kohleausstieg” prognostiziert, sei im vergangenen die längste Aktienhausse aller Zeiten zu Ende gegangen. Nicht nur für den Dax sei dies der Fall gewesen, sondern zum Jahresende auch für den S&P 500. Für den amerikanischen Aktienmarkt ist Hussy weiterhin skeptisch gestimmt: “Es wird den USA schwerfallen, den Wachstumspfad zu halten.” Zudem drohten mit Aktienrückkäufen sowie mit kreditfinanzierten Käufen von Dividendentiteln zwei zentrale Triebfedern der US-Hausse wegzubrechen. Des Weiteren fahre die Fed im Vergleich zur EZB einen konservativen, relativ sturen Kurs. Darüber hinaus habe US-Präsident Trump überzogen und Amerika habe eine extrem hohe Schuldenlast aufgebaut. Hussy über Donald Trump: “Ihm wird es nicht gelingen, das Ruder herumzureißen, er hat sich selbst abgenutzt.” Aussichtsreicher als US-Werte seien chinesische Aktien. “Hier drehen die Anlegererwartungen bereits nach oben”, stellt der Sentix-Analyst fest. Auch Gold dürfte sich laut Hussy 2019 positiv entwickeln, ganz gleich welche Phase sich einstellen werde. Bei einer Rezession diene Gold als Zufluchtsort, und wenn die Inflationsgefahr zurückkehre, wirke Gold als Stabilitätsanker.Eine flache Zinsstrukturkurve gehe in der Regel mit einer hohen Volatilität einher, zeigt Hussy auf einem Chart auf. Daher werde 2019 auch von relativ großen Kursschwankungen geprägt sein. Noch immer würden relativ wenig Investoren short gehen, was nach der jahrelangen Hausse zwar verständlich sei, aber gleichzeitig anzeige, dass der Wendepunkt an den Aktienmärkten noch nicht erreicht sei. Autos statt TechnologieAuf Branchenebene warnt Hussy von Technologiewerten mit ihren gehebelten Bilanzen sowie ihrer hohen Sensitivität gegenüber Zinssteigerungen. Diese hätten in den vergangenen Jahren vor allem von Aktienrückkäufen und kreditfinanzierten Aktienkäufen profitiert, was jetzt die Anfälligkeit erhöhe. “Statt Technologie sollte man Autos haben”, meint der Sentix-Analyst. Denn die Investoren hätten ihre Portfolios von Autotiteln leer geräumt und es sei nahezu alles Negative bereits in den Kursen enthalten. Zudem rät Sentix zu defensiven Branchen wie Versorgern.”Die im Mai stattfindende Europawahl ist positiv für den Aktienmarkt zu werten”, sagt Hussy. Eine historische Analyse zeige auf, dass Dividendentitel in den Monaten vor und nach einer Europawahl überdurchschnittlich zulegten. Eine Gefahr für Investoren sieht Hussy darin, dass diese zunächst nicht mit einem neuerlichen Einbruch rechneten. Und dass die Anleger die Erholungsphase nach dem erwarteten Ausverkauf vom Ausmaß und von der Länge her falsch einschätzten. Denn die Bärenmarktrally könne eben durchaus mehrere Monate lang dauern. Insgesamt dürfte 2019 sicherlich kein einfaches Börsenjahr werden.