Christoph Bruns

„Wir kaufen Banken“

Der unabhängige Aktienspezialist Christoph Bruns sieht große Chancen in den Branchen Energie und Rohstoffe. In China würde der Fondsmanager gerne mehr investieren, scheut aber das Länderrisiko.

„Wir kaufen Banken“

Wolf Brandes.

Herr Bruns, in den vergangenen Jahren gab es Rückenwind für Aktien und durch die fallenden Zinsen auch für Bonds. Jetzt hat sich die Situation geändert. Die hohe Inflation führt zu einer weniger lockeren Geldpolitik. Was bedeutet das für Investoren?

Steigende Preise sind nicht gut für Aktien. Bislang konnte man stets den Rat geben, in der Krise zu ­kaufen. Doch die aktuelle Lage bringt Verwerfungen mit sich und die hohe Inflation wird das gesamte Ge­füge der Wirtschaft verändern. Grund- und Rohstoffe sind so teuer ge­worden, dass es überall zu spü­ren ist.

Ist die Preissteigerung das größte Problem?

Der Krieg hat die Inflation und die Konjunkturprobleme beschleunigt, aber die Entwicklung hat schon viel früher angefangen. Das größte Problem ist die Geldpolitik. Heute kann jeder sehen, dass wir keine unabhängigen Notenbanken mehr haben. Die Notenbanken haben sich bis aufs Mark blamiert. Die Aufgabe der Notenbanken wäre, Preisstabilität zu sichern – doch daran hat sich niemand gehalten. Die Notenbanken finanzieren die Staaten und die sind davon abhängig geworden.

Was bedeutet eine Inflationsrate von zuletzt mehr als 7%?

Das ist ein schwerer Vermögensverlust, der nicht mehr wiedergutzumachen ist. Die Entwertung ist eingetütet und geht nicht mehr zurück. Die Preise mögen demnächst vielleicht etwas weniger stark steigen, aber der Kaufkraftverlust ist eingetreten.

Welche Folgen werden steigende Renditen haben? Ist es nicht gut für Investoren, dass sie jetzt wieder Zinsen bekommen?

Erst die Nullzinsen und jetzt die Zinssteigerungen sind dramatisch für die Altersvorsorge. Es gibt immer noch keinen echten Coupon und jede Zinserhöhung führt zu Kursverlusten bei den Anleihen in den Portfolios. Die nächste große Krise wird eine Altersvorsorge- und Pensionskrise. Jeder, der einen Anspruch auf Rente hat, wird ein Problem bekommen. Ganz besonders in Deutschland, da das System überwiegend auf dem Zins basiert.

Was meinen Sie mit einer Pensionskrise?

Der Markt für Anleihen funktioniert nicht mehr nach der jahrelangen Überflutung mit Liquidität durch die Notenbanken. Mit Bonds ist nichts mehr zu holen, und daran gibt es selbst bei etwas höheren Renditen nichts zu rütteln. Alle Einrichtungen der Altersvorsorge, die Verpflichtungen abdecken müssen, werden mit leeren Händen dastehen. Ich rechne damit, dass es zunehmend Schieflagen bei Versicherern und Pensionsfonds geben wird.

Im Koalitionsvertrag ist die Aktienrente festgeschrieben. Hat Sie das optimistisch gestimmt?

Jede Hoffnung auf eine vernünftige Altersvorsorgepolitik wird in Deutschland im Keim erstickt. Als es nach der Wahl darum ging, eine Aktienrente einzuführen, war ich hellhörig. Auch wenn es viel zu spät ist, sollte man trotzdem dankbar sein für solche Ansätze. Aber angesichts der Krise ist das Thema schnell von der Tagesordnung verschwunden.

Zurück zu Energie- und Rohstoffpreisen. Sehen Sie auch Chancen in einem Wandel, der sich durch die Preissteigerungen ergibt?

Es gibt in jeder Krise Gewinner und diesmal sind es die Branchen Energie und Rohstoffe. Bei Energie muss man von einem Superzyklus sprechen. Einzelne Bereiche sind unterinvestiert, etwa in der Ölförderung. Das Problem des fehlenden Angebots lässt sich nicht über Nacht lösen.

Wo sollte man einsteigen?

Attraktiv sind Unternehmen, die Serviceleistungen im Bereich Energie und Öl erbringen, also die Zulieferbranche. Dort stehen wir am Anfang eines riesigen Investitionszyklus.

Gibt es für Sie weitere attraktive Branchen?

Durch den Ukraine-Krieg ist klar geworden, dass wir auf Energie nicht verzichten können, ohne Energie geht eben gar nichts. Und zu der Nachfrage trägt auch die Digitalisierung bei und die Verbreitung von technischen Geräten in allen Lebensbereichen. Digitalisierung heißt mehr Stromverbrauch.

Kaufen Sie jetzt Energieversorger?

Zu den Gewinnern gehört auch RWE, die von den gestiegenen Strompreisen profitieren. Hinzu kommt eine Konsolidierung im Bereich der unabhängigen Gasanbieter, die zunehmend vom Markt verschwinden werden. Das stärkt die Marktposition der großen Energiekonzerne. Und ganz wunderbar wird es, wenn man auch noch mit abgeschriebenen Anlagen Strom produzieren kann.

Auf der Zinsseite sehen wir seit langer Zeit wieder steigende Renditen. Wer profitiert davon?

Für uns als Investoren sind das Chancen, wir kaufen Banken. Deutsche Bank, UBS, Barclays, Santander oder Credit Suisse – überall steigen die Einnahmen. Aktien der US-Banken sind auch interessant, aber sie sind schon wesentlich besser gelaufen. Mit steigenden Zinsen haben die Banken mehr zu verteilen. Und die Zeiten eines kostenlosen Girokontos sind vorbei, überall werden Gebühren eingeführt. Höhere Zinsen sind für die Banken ein Glücksfall, die in Europa aus einer schrecklichen Phase mit Minuszinsen kommen. So etwas hat man in den USA und Japan den Banken nicht zugemutet. Und mal ehrlich: Auch in Europa wären negative Zinsen nicht nötig gewesen.

Was sagen Sie zu neuerdings gefragten Rüstungsaktien?

Nach dem Einmarsch in der Ukraine sind die Titel viel zu schnell gelaufen. Aber in dem Segment hat ein neuer Zyklus begonnen. Auch in Deutschland sehe ich ein Umdenken, die Regierung hat lieb gewordene Positionen über Bord geworfen und ein gewaltiges Aufrüstungspaket be­schlossen. Die Aktien sollte man auf dem Schirm haben.

Auffällig ist ihre Vorliebe für US-Tech. Ist der Bereich zu heiß?

Unternehmen aus der US-Technologiebranche waren und sind die strukturellen Gewinner der Coronakrise, aber auch generell des Wandels der Wirtschaft. Das Problem ist, dass die meisten Werte zu teuer sind und auch nicht wirklich korrigiert haben. Facebook mag es böse erwischt haben, aber die Blaublütigen der Tech-Branche, allen voran Microsoft, Amazon und Alphabet, scheinen irgendwie immun gegen richtige Kursrückschläge. Da müsste mehr passieren, damit die Bewertungen wieder attraktiv werden.

In China gibt es ebenfalls sehr interessante Tech-Aktien. Was halten Sie davon?

Die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre ist phänomenal. Bei Alibaba und Tecent sind zudem die Kurse extrem stark zurückgekommen und die Unternehmen haben nicht erst seit gestern Kaufkurse. Das Problem sind die Eingriffe der Regierung, die nur schwer zu prognostizieren sind. In China kann es schnell gehen und der Staat ordnet an, einen Teil des Gewinns abzugeben. Deshalb sind wir in China nur mit einem kleinen Anteil engagiert.

Warum?

Ein großes Risiko ist der Immobilienbereich in China, der viel zu schnell gewachsen ist. Es wurde in China zu schnell gebaut und zu viel finanziert. Solch ein Kartenhaus kann schnell zusammenfallen. Nicht ausgeschlossen ist, dass man bei einem Entwickler den Stecker zieht. Allerdings sollte man China als Investor trotz aller politischen Risiken nicht links liegen lassen. China ist ein starker Rivale geworden im Verhältnis zu den USA. Die Chinesen kennen ihre eigene Position heute viel besser als früher und sind in den vergangenen Jahren an den Märkten viel geschickter geworden.

An Russland zeigt sich das Länderrisiko, das Investoren eingehen. Wie beurteilen Sie das?

Wir haben in Russland eine Beimischung bei Gazprom sowie Lukoil und sind nicht mehr herausgekommen, denn das ging alles so schnell. Es wurde über Nacht nicht mehr gehandelt, aber unsere Positionen machen nur einen sehr kleinen Anteil aus. Was man aber immer bedenken muss: Aktien haben sich in Kriegen oft als wertbeständiger und sicherer erwiesen als andere Vermögensanlagen. Man kann es insofern schwer prognostizieren, wie es mit den russischen Aktivitäten weitergeht. Aber wenn der Krieg vorbei ist, bin ich ganz optimistisch für die russischen Papiere.

Das Interview führte

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