IM INTERVIEW: MIKE SHIAO, INVESCO

"Wir sind für den Konsumbereich sehr zuversichtlich"

Chief Investment Officer Asien: Maßnahmen der Regierung für Chinas Aktienmarkt sehr positiv - In der Bankenbranche untergewichtet

"Wir sind für den Konsumbereich sehr zuversichtlich"

Die schnell steigende Verschuldung der chinesischen Volkswirtschaft bereitet so manchem Investoren Sorgen. Mike Shiao schreckt das nicht ab. Der Chief Investment Officer Asia ex Japan von Invesco ist überzeugt, dass die Gegenmaßnahmen der chinesischen Regierung wirken werden. Vor allem für chinesische Konsumaktien ist Shiao zuversichtlich.- Herr Shiao, Sie sind für chinesische Aktien zuversichtlich. Bedeutet die hohe gesamtvolkswirtschaftliche Verschuldung denn nicht ein Risiko?Die gesamtvolkswirtschaftliche Verschuldung beläuft sich derzeit auf 255 % des chinesischen Bruttoinlandsproduktes. Das ist kein besonders hohes Niveau. Das Problem ist aber, dass sie sich in einem sehr hohen Tempo erhöht. Die politische Führung hat allerdings die Dringlichkeit des Schuldenabbaus erkannt und handelt entsprechend. Ihre Sorge ist, dass ein weiterer Anstieg der VeArschuldung das Wirtschaftswachstum gefährdet. Für den Aktienmarkt ist ein Gegensteuern positiv, weil damit die Befürchtungen der Investoren über die Verschuldung reduziert werden.- Warum steigt die Verschuldung so schnell?Der schnelle Anstieg ist insbesondere auf die Staatsunternehmen und die regionalen Regierungen zurückzuführen. Die Prioritäten der Staatsunternehmen liegen nicht so sehr auf der Profitabilität, sie fokussieren sich eher auf den Ausbau von Kapazitäten. Sie sind in ihrem Investitionsverhalten nicht so umsichtig wie Unternehmen des Privatsektors. Hinzu kommt, dass die Staatsunternehmen vor allem in zyklischen Industrien aktiv sind. Dadurch entstehen in Abwärtszyklen Überkapazitäten.- Welches Problem besteht bei den regionalen Regierungen?Ihre Verschuldung ist so hoch, weil sie umfangreiche Infrastrukturinvestitionen tätigen müssen, um Wachstum zu ermöglichen. Gleichzeitig erhalten sie aber im Vergleich zur Zentralregierung eine wesentlich kleinere Steuereinnahmenzuteilung.- Mit welchen Lösungsansätzen geht die chinesische Regierung die Probleme an?Bezüglich der Staatsunternehmen betreibt die Regierung – in den Worten des Staatspräsidenten Xi Jinping – eine “angebotsorientierte Reform”. Sie zählt zur Top-Agenda der chinesischen Regierung. Im jüngsten Fünfjahresplan wurde die Senkung von Überkapazitäten in den Stahl- und Kohlebranchen festgelegt. Die Reduktion wird den Unternehmen helfen, ihre Profitabilität zu verbessern. Wenn sie profitabler sind, können sie ihre Verschuldung leichter abbauen. Als Folge der Umsetzung erwarten wir einen Anstieg der Gewinne in den betroffenen Branchen sowie der Erzeugerpreise.- Welche Maßnahmen sind für die lokalen Regierungen vorgesehen?Bislang mussten die regionalen Regierungen die Investitionen in die Infrastruktur allein finanzieren. Nun will die Zentralregierung mit Public Private Partnerships arbeiten. Sie will den Privatsektor überzeugen, an Infrastrukturprojekten zu partizipieren. Das wird den Finanzierungsbedarf der regionalen Regierungen reduzieren. Infrastrukturprojekte werden dadurch auch stärker kommerziell getrieben sein. Unternehmen des Privatsektors wollen Gewinne machen, das heißt, Projekte werden dann nicht mehr so stark politisch getrieben sein. Dadurch werden sie auch effizienter. Public Private Partnerships stoßen auf großes Interesse. Ihr finanzielles Volumen ist seit Anfang 2016 von 8 auf 13,5 Bill. Renminbi gestiegen. Bislang sind 16,5 % der vereinbarten Projekte im Bau.- Wie beurteilen Sie die Regulierungsmaßnahmen für das Bankensystem?Auch sie sind aus Sicht des Aktienmarktes positiv. Die Zentralbank hat im zurückliegenden Jahr eine makroprudenzielle Überprüfung des Bankensystems vorgenommen, weil viele Aktivitäten der Banken außerhalb der Bilanz beziehungsweise im Schattenbankensystem stattfinden. Dadurch wird ein großer Teil der Aktivitäten der Branche nicht angemessen überwacht und geprüft. Ziel der Regierung ist es, die außerbilanziellen Aktivitäten zu reduzieren. Sie hat unter anderem die Möglichkeit, ein höheres Risk Weighting anzuordnen. Banken müssen dann die außerbilanziellen Aktivitäten reduzieren oder ihr Kapital erhöhen. Die Zentralbank überwacht derzeit genau die Qualität des Kreditwachstums.- Wie wirkt sich der Shanghai-Hong Kong Stock Connect aus?Über diese Verbindung zwischen den beiden Aktienmärkten hat die Hongkonger Börse seit dem Start im Jahr 2014 57 Mrd. Dollar vom chinesischen Festland angezogen. Damit wurden die Abflüsse aktiver Fonds in Höhe von 37 Mrd. Dollar mehr als kompensiert, wobei zu berücksichtigen ist, dass davon 24 Mrd. Dollar in Hongkong-ETF geflossen sind. Die chinesischen Zuflüsse stützen den Hongkonger Aktienmarkt. Doch was wir bisher gesehen haben, ist nur der Anfang. Denn die chinesischen Versicherer haben erst im September 2016 die Erlaubnis erhalten, über den Stock Connect in Hongkong zu investieren. Wir werden daher in diesem Jahr noch mehr festlandchinesische Zuflüsse sehen. Auch das ist für den chinesischen Aktienmarkt positiv.- Für welche Branchen sind Sie besonders zuversichtlich?Wir sind nach wie vor für den Konsumbereich sehr zuversichtlich. Sowohl bei Konsumgütern des alltäglichen Bedarfs als auch bei Konsumgütern des gehobenen Bedarfs sind wir stark übergewichtet. Außerdem setzen wir auf konsumbezogene Aktien der Technologie- und der Healthcare-Branche. In Letzterer sind wir noch leicht übergewichtet. Wir suchen dort aber nach weiteren interessanten Anlagemöglichkeiten.- Welche speziellen Konsumsegmente gefallen Ihnen?Für vielversprechend halten wir unter anderem die Automobilbranche. Allerdings setzen wir hier auf die Zulieferer. Die chinesischen Automobilhersteller haben noch keine wettbewerbsfähigen Eigengewächse, sondern arbeiten mit Joint Ventures. Das ist bei den Zulieferern anders. Sie exportieren ihre Waren auch und beliefern beispielsweise US-Werke von BMW. Uns gefällt auch die Tourismusbranche – nicht nur weil immer mehr Chinesen ins Ausland reisen, sondern auch, weil immer mehr Besucher nach China kommen. Wir halten beispielsweise Aktien eines Reisebuchungsunternehmens. Interessant ist ferner die Bildungsbranche. Sie verfügt über eine gute Preissetzungsmacht. Alle Chinesen müssen eine einheitliche Prüfung absolvieren, um sich für Hochschulen zu qualifizieren. Vorbereitungsschulen sind sehr profitabel. Denn Eltern geben für die Vorbereitung ihrer Kinder viel Geld aus. Im Bereich des gehobenen Konsums findet man viele interessante Segmente, die nicht stark miteinander korrelieren.- Von welchen Branchen halten Sie eher Abstand?Wir sind in der Bankenbranche untergewichtet. Die Eigenkapitalrenditen des Sektors werden weiter sinken, weil sich das Gewinnwachstum sehr stark verlangsamt.- Was halten Sie von chinesischen Versicherern?Die Branche steht bei der Deckung ihrer langfristigen Verbindlichkeiten vor großen Herausforderungen. Denn die Unternehmen haben in dem Umfeld niedriger Zinsen Schwierigkeiten, Assets zu finden, die die dafür notwendigen Erträge abwerfen. Wir haben hier eine ähnliche Situation wie in Europa.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.