Wohnimmobilienaktien im Aufwind

Titel schlagen Indizes teilweise deutlich - Preisanstieg beschleunigt sich - Segment der Favorit der Analysten

Wohnimmobilienaktien im Aufwind

Nach einem holprigen Start in den ersten Monaten haben sich die Wohnimmobilienaktien wieder zu einer der Topbranchen des deutschen Aktienmarktes gemausert. Sie haben die Indizes teilweise deutlich geschlagen und reihenweise Rekordstände erreicht.Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtDie deutschen Wohnimmobilienaktien sind wieder en vogue. Trotz der Sorgen, die Experten wegen der Aussicht auf steigende Zinsen geäußert haben, und der Diskussion über eine vermeintliche Preisblase haben die Aktien der Branche nach einem holprigen Jahresstart an ihren Höhenflug wieder angeknüpft. Im August haben Titel des Segments, darunter mit Vonovia und Deutsche Wohnen die Großen der Branche, Rekordstände erreicht, und in einem bislang insgesamt mäßigen Aktienjahr zählt der Sektor zu den wenigen Bereichen, die mit positiven Vorzeichen aufwarten. Die Indizes wurden teilweise deutlich geschlagen, etwa durch Deutsche Wohnen, die seit Jahresbeginn 17,3 % gewonnen hat, während der MDax auf der Stelle getreten hat.Die Outperformance ist ein Spiegelbild der positiven Entwicklung des Wohnimmobilienmarktes. Weiterhin solide steigende Mieten gehen einher mit ungebrochen anziehenden Wohnimmobilienpreisen, die von der anhaltenden Angebotsknappheit in vielen Städten getrieben werden. Die Stagnation, die Ende 2016 einsetzte, ist längst überwunden. Seit dem April ist der EPX-Hauspreisindex von Europace mit einer einzigen Ausnahme in jedem Monat gestiegen. Zuletzt hat sich der Preisanstieg noch beschleunigt. Von Juni auf Juli zogen die Preise um 2,4 % an, der stärkste monatliche Anstieg seit dem Juni 2016. Im Vergleich zum Juli 2017 stand ein sattes Plus von nahezu 7 % zu Buche.Standard & Poor’s (S & P) zufolge wird dieses Tempo nicht aufrechtzuerhalten sein. Die Ratingagentur rechnet für die europäischen Wohnimmobilienmärkte mit einem “Soft Landing”. In Deutschland erwartet sie eine Verlangsamung des Preisanstiegs auf 4 % nach 4,5 % im zurückliegenden Jahr. Aber auch das ist ein absolut solider Wert. Zudem rechnet S & P für die Jahre 2019 bis 2020 mit Preisanstiegen von 3,5 %, 3 % und 3 %. Ähnliche Erträge werden Bundesanleihen wohl kaum abwerfen können. Anhaltende KnappheitDamit sehen die Aussichten unverändert gut aus. Auch in den kommenden Jahren werden solide steigende Mieteinnahmen erwartet. Faktoren wie die Immigration und der Zug in die Städte werden weiterhin für eine preisstützende Knappheit sorgen. Das Gleiche gilt für die Bauprojekte verkomplizierende und verteuernde Regulierung, auch dies ein Faktor, der nicht so schnell verschwinden wird. Im Euroraum wird es noch bis mindestens zum Sommer 2019 dauern, bis es zur ersten Leitzinserhöhung kommt, und es darf bezweifelt werden, dass die EZB weitere Zinsschritte im Eiltempo folgen lassen wird. Somit bleiben auch die Finanzierungskosten bis auf Weiteres für den Markt konstruktiv. Deutsche Wohnimmobilienaktien sind denn auch das klar favorisierte Segment unter den europäischen Immobilienaktien. Die Verteilung der Empfehlungen spiegelt dies deutlich wider: Verkaufsempfehlungen haben Seltenheitswert, Kaufempfehlungen überwiegen deutlich. So empfehlen 18 von 28 bei Bloomberg erfassten Analysten beim Branchenprimus Vonovia den Kauf, nur einer rät zum Verkauf.In einer Studie über europäische Wohn- und Gewerbeimmobilienaktien hat die UBS kürzlich den deutschen Wohnimmobilienmarkt zum Favoriten erklärt. Er ist das einzige Segment, das nach sechs von UBS angesetzten Kriterien wie dem makroökonomischen Erfolg und Leerstand durchweg ein grünes Ampellicht erhält. Mit Vonovia und Ado Properties stellt das Segment zwei der fünf “Top Picks”, die das Institut unter den europäischen Immobilienaktien hervorhebt. Die Kursziele für beide Aktien lauten auf 55 (aktuell 42,65) und 65 (derzeit 52,15 Euro). Zum Kauf empfohlen werden außerdem Deutsche Wohnen, Grand City Properties und LEG Immobilien. “Wir favorisieren weiterhin den deutschen Wohnimmobilienmarkt, der, getrieben von Immigration, attraktivem Zugang zu Finanzierung und Mieteinnahmenwachstum von einer niedrigen Ausgangsbasis aus, attraktive Angebots-/Nachfragedynamiken aufweist.” Impuls durch BaukindergeldMorgan Stanley geht davon aus, dass die Branche, ebenso wie die gleichfalls favorisierten spanischen und Logistikimmobilien, zwar eine “maturing equity story” darstellt. Das US-Haus glaubt aber, dass die drei genannten Segmente noch auf absehbare Zeit outperformen und auch absolut gute Erträge abwerfen werden. Mit Deutsche Wohnen, LEG Immobilien und Vonovia stellte die Branche drei der sechs von Morgan Stanley hervorgehobenen “Key Picks”. In ihrer Branchenstudie werden die Kursziele im Durchschnitt um 1 % reduziert. Für die deutschen Wohnimmobilienaktien werden sie allerdings angehoben, für Vonovia und Deutsche Wohnen (derzeit 42,77 Euro) jeweils von 45 auf 47 Euro. Morgan Stanley begründet ihren Optimismus u. a. mit einem stetigen, organischen Anstieg der Mieteinnahmen, der das Angebot übersteigenden Nachfrage und der Einführung des Baukindergelds, durch das Familien, die Wohneigentum kaufen, bis zu zehn Jahre lang für jedes Kind 1 200 Euro pro Jahr erhalten.