Zehnjährige Bundrendite knackt 1-Prozent-Marke
kjo Frankfurt
Am Dienstagmorgen um kurz nach 9.30 Uhr ist es dann so weit gewesen: Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe erreichte die Marke von 1% – erstmals seit dem Sommer 2015 wurde dieses Niveau nun wieder gesehen. Mehrere Anläufe hatte der Markt in den vergangenen Wochen hierfür gebraucht, immer wieder erschien der Widerstand dann doch zu groß. Bis auf 1,016% ging es bei der Rendite der zehnjährigen Benchmarktitel der Eurozone nun nach oben.
Frohe Investoren
Manch ein Investor ist ganz offenkundig froh gewesen, dass er dieses Marktzinsniveau jetzt wieder zu Gesicht bekam, es wurde festgezurrt. Denn im weiteren Tagesverlauf legte der Markt dann wieder den Rückwärtsgang bei den Renditen ein. Solche Renditeniveaus motivieren weite Anlegerkreise zum breiter angelegten Einstieg in das Segment der Bundesanleihen. So war es auch am Dienstag. Die zehnjährige Bundrendite fiel im Verlauf des Handels wieder zurück. Bis auf 0,91% ging es bis zum Nachmittag im zehnjährigen Laufzeitenbereich nach unten. Im späten europäischen Handel lag die zehnjährige Bundrendite bei 0,93% nach 0,96% am Vortag.
Getragen wird der Renditeaufschwung bei den Bundesanleihen von der Inflationsentwicklung – rund um den Globus. Denn die Teuerungsraten liegen in vielen Ländern auf den höchsten Ständen seit Jahren bzw. Jahrzehnten. Es wird allgemein an den Märkten erwartet, dass die Zentralbanken – allen voran die US-Notenbank Fed, aber auch die Europäische Zentralbank (EZB) – im Kampf gegen die Inflation die zinspolitischen Zügel anziehen werden und damit künftig höhere Leitzinsen auf der Agenda der Währungshüter stehen. Im Blick haben die Marktteilnehmer deshalb auch die Entscheidung des Fed-Offenmarktausschusses am Mittwoch. Viele gehen davon aus, dass es sogar zu einer Leitzinsanhebung um 50 Basispunkte (BP) in den USA kommen könnte. Das wäre der größte Zinsschritt in den USA seit dem Jahr 2000.
Doch es mehren sich im Markt auch andere Stimmen. Die Zentralbanken könnten mit ihren Zinsschritten die Wirtschaft abwürgen. Der Ukraine-Krieg hat nach Ansicht von Volkswirten durchaus das Potenzial, eine Rezession heraufzubeschwören. Dann könnten die Zentralbanken auch schnell zum Umdenken aufgefordert sein und die Rolle rückwärts bei zuvor vorgenommenen Zinsschritten vollführen: Zinssenkungen wären also die Folge. Denn die Renditestrukturkurve der Staatspapiere ist zeitweise in den USA schon invers geworden. Und in der Eurozone ist die Kurve im Bereich von zehn bis 30 Jahren sehr flach geworden. Die 30-jährige Bundrendite lag gestern im späten Handel bei 1,06% und war damit gerade einmal 13 Basispunkte höher als der zehnjährige Satz, 0,13 Prozentpunkte mehr Vergütung für 20 Jahre mehr Laufzeit. Das gilt vielen im Markt nicht gerade als üppig. In der Vergangenheit deutete eine flacher werdende Kurve eine konjunkturelle Abschwächung an. Eine Inversion der Kurve gilt angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit als recht verlässlicher Signalgeber für aufziehende Rezessionen.
Das aktuelle Niveau wird nach Jahren des Null- und Negativrenditeumfeldes von weiten Anlegerkreisen gern gesehen und genutzt. So bewerten die Experten von Axa Investment Managers die gegenwärtigen Renditen der Staatspapiere als interessant. Sellside-Analysten würden Anleihen zunehmend positiver beurteilen, und es gebe eine Reihe von Empfehlungen, die Duration, d.h. die mittlere Kapitalbindungsdauer, zu erhöhen. „In den Kundenportfolios sind festverzinsliche Wertpapiere unbeliebt, aber die Renditen sind so interessant wie schon lange nicht mehr, während die Kurs-Gewinn-Verhältnisse am Aktienmarkt immer noch hoch sind – insbesondere in den USA –, denn Aktien werden durch ordentliche Gewinne gestützt“, sagt Chris Iggo, Chief Investment Officer (CIO) Core Investments bei Axa Investment Managers. Aktuell würden sich bei den Ergebnissen im S&P-Universum in den USA für das erste Quartal insgesamt mäßig positive Überraschungen sowohl beim Umsatzwachstum als auch bei den Gewinnen zeigen – wenn auch mit einigen bemerkenswerten Verfehlungen in Bereichen wie Nicht-Basiskonsumgüter und bei den Versorgern. Allein das Zugreifen weiter Investorenkreise bei den Staatspapieren auf den höheren Niveaus kann den Renditeanstieg wiederum abbremsen. In der Vergangenheit hat sich sogar häufig gezeigt, dass die Phasen von Renditeanstiegen in der Folge auch wiederum umgekehrt werden können.
Flucht in Sicherheit
Sollte sich der geopolitische Krisenherd Ukraine-Krieg intensivieren, könnte es auch zu einer verstärkten Flucht in Sicherheit kommen. Bundesanleihen und auch die US-Treasuries stehen in solchen Krisensituationen dann ganz oben auf den Kauflisten der Anleger. In Verbindung mit einer dann womöglich größer werdenden Erwartung einer kriegsbedingten Rezession könnten die Renditen dann auch schnell wieder deutlicher nach unten gehen – so Akteure.