Luftfahrtindustrie

Airbus bereitet den Produktions­hochlauf vor

Airbus und Boeing bekommen die Probleme der Zuliefererketten bei wichtigen Programmen zu spüren. Doch die Schwierigkeiten ihrer Lieferanten dürften auch im nächsten Jahr weitergehen.

Airbus bereitet den Produktions­hochlauf vor

wü Paris

Die Luftfahrtbranche hat sich schneller als erwartet von der Covid-Krise erholt. Doch viele Zulieferer hinken hinterher und haben Schwierigkeiten, wieder zum alten Rhythmus zurückzukehren. Sowohl Airbus als auch ihr amerikanischer Erzrivale Boeing bekommen das bei wichtigen Programmen wie dem A320, A220, 737 und 787 zu spüren. Airbus musste deshalb kürzlich das bereits im Sommer gesenkte Auslieferungsziel für 2022 ein weiteres Mal kappen. Wie stark der europäische Flugzeugbauer unter dem vorherigen Ziel von 700 Auslieferungen liegt, wird sich am 10. Januar zeigen.

US-Rivale Boeing will nun laut Informationen von Reuters ebenfalls Konsequenzen gegenüber den Lie­feranten ziehen und die internen und externen Zulieferer wieder unter einem Dach verwalten. Die Oberaufsicht darüber soll der bisherige Verkaufschef Ihssane Mounir übernehmen.

Die beiden Flugzeugbauer dürften die Probleme der Zuliefererketten jedoch auch noch im nächsten Jahr zu spüren bekommen. „Ich denke, dass die Zuliefererkette mindestens bis Mitte nächsten Jahres zu kämpfen hat“, sagte Airbus-Einkaufschef Jürgen Westermeier im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Chief Procurement Officer, der vorher den Großteil seiner Karriere bei BMW gemacht hat, lenkt bei dem Luft- und Raumfahrtkonzern die Lieferanten. Allein die zivile Flugzeugbausparte von Airbus kommt auf rund 10 000 Zulieferer, wenn man die Zulieferer der Zulieferer miteinrechnet.

Puffer für Chips

„Für alle relevanten Teile unserer Flugzeuge haben wir zwei, teilweise auch drei Zulieferer“, erklärt Wes­termeier. „Das ist in der Automobilindustrie anders.“ Auch die Triebwerkshersteller, mit denen Airbus eng zusammenarbeite, hätten für ihre Schlüsselkomponenten zwei oder drei verschiedene Quellen, sagt er. Ein weiterer Unterschied zur Automobilbranche sei, dass es in der Luftfahrtindustrie bisher nur zwei große Hersteller gebe, an denen die gesamte Zuliefererkette hänge.

Neben Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden, machen der Branche die bis vor kurzem strengen Covid-Restriktionen in China, die mangelnde Verfügbarkeit von Rohstoffen, Chips und anderen Komponenten sowie hohe Energiekosten und teilweise auch Probleme mit der Informatik zu schaffen. Allerdings nutze die Luftfahrtindustrie unterschiedliche Chips im Vergleich zur Automobilindustrie und zur Consumer-Electronic-Branche, erläutert Westermeier. „Sie sind größer und müssen auch unter Strahlung funktionieren können, wenn Flugzeuge in großen Höhen fliegen.“

Airbus hat bereits auf den Chipmangel reagiert, so dass es nach Angaben des Einkaufschefs mittlerweile bei den Halbleitern mehr Transparenz gibt. „Wir haben jetzt bis tief in die Lieferkette einen Puffer von drei Monaten sichergestellt“, erklärt er. „Wir haben die IT-Systeme entsprechend umgestellt und nutzen auch Big Data sowie künstliche Intelligenz zur Vorhersage und Planung.“

Analyse früherer Engpässe

Die Analyse von großen Datenmengen wird von Airbus auch dafür genutzt, um festzustellen, welche Teile kritisch sind. „Für kritische Bestandteile, das sind Teile, die die Produktion eines Fliegers aufhalten würden, haben wir den Bestand auf mindestens sechs Wochen hochgefahren“, berichtet Westermeier. Der Flugzeugbauer suche zudem konsequent einzelne Schwachstellen, die durch einen Fehler das gesamte System zum Ausfall brächten, um sie dann auszumerzen.

Um sich auf die geplante Hochfuhr des A320-Programms vorzubereiten, hat Airbus nach Angaben Wes­termeiers frühere Hochlaufphasen daraufhin analysiert, worin die größten Herausforderungen bestanden. Anhand dieser Erkenntnisse hat er einen Fragebogen für die Zulieferer erstellt, um zu sehen, wie sie darauf vorbereitet sind und wo es möglicherweise zu Engpässen kommen kann. Abgefragt werden beispielsweise Daten zu Einstellungs- und Trainingsplänen sowie zu Rohstoffen.

Wegen der angespannten Zuliefererkette hatte Airbus bereits im Sommer die eigentlich bis Mitte 2023 geplante Steigerung der A320-Produktion von damals rund 50 Maschinen pro Monat auf 65 auf Anfang 2024 verschoben. Zu Beginn des Monats teilte der Flugzeugbauer dann mit, er werde die geplante Steigerung der A320-Produktion für 2023 und 2024 anpassen. Dagegen hat sich nach wie vor nichts an den von einigen Analysten als zu ehrgeizig beurteilten Plänen geändert, die Fertigungsrate des Mittelstreckenjets bis 2025 schrittweise auf 75 Maschinen monatlich zu erhöhen.

Die Herausforderung für die Luftfahrtbranche bestehe jetzt in dem Zusammentreffen von Inflation, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Logistikengpässen und Personalmangel, meint Westermeier. „Wir sind eine Industrie, in der noch viel manuell gefertigt wird“, sagt er. „Wir müssen sicherstellen, dafür qualifiziertes Personal zu haben. Das ist jetzt die größte Herausforderung.“

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