Globale Lohnlücke

Andere Länder, andere Lohngefälle

Deutschland steht im internationalen Vergleich bei der gleichen Bezahlung von Männern und Frauen schlecht da. Länderdaten zeigen aber auch: Schlimmer geht immer. Besonders besorgniserregend ist die Prognose der Vereinten Nationen.

Andere Länder, andere Lohngefälle

Deutschland ist spitze. Zwar hat es für die Top 3 nicht gereicht, doch das ist auch besser so. Immerhin geht es nicht um die Exportweltmeisterschaft oder Innovationsfähigkeit, sondern um die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Nur drei Länder in der Europäischen Union stehen noch schlechter da. In Deutschland verdienten Frauen 2020 durchschnittlich 18% weniger Bruttolohn pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Im EU-Durchschnitt sind es nur 13% (siehe Grafik). Ein Blick auf die internationale Staatengemeinschaft zeigt jedoch: Schlimmer geht immer.

Breite Spanne

Schon innerhalb der EU gibt es eine breite Spanne. Frauen bekommen etwa in Lettland durchschnittlich 22% weniger als Männer. Gefolgt von Estland und Österreich (19%). Wie die aktuellsten Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) jedoch zeigen, gibt es mit Luxemburg (1% Lohnunterschied), Rumänien (2%) und Slowenien (3%) auch Positivbeispiele. Allerdings hat Destatis anlässlich des diesjährigen Equal Pay Day den Gender Gap Arbeitsmarkt (siehe Bericht auf dieser Seite) veröffentlicht, der mehr Rückschlüsse zulässt auf die Ursachen von Verdienstungleich­heiten.

Italien etwa hatte 2018, im letzten Jahr mit verfügbaren vergleichbaren Daten, einen Gender Pay Gap von nur 5%. Im selben Zeitraum lag die Lohnlücke in Deutschland bei 20%. Der Gender Gap Arbeitsmarkt aber fiel in beiden Ländern ähnlich hoch aus. Die Statistiker führen dies darauf zurück „dass Frauen in Italien im Vergleich zu Männern deutlich seltener erwerbstätig waren“. Doch bevor Kritiker der Methodik nun frohlocken: Das europäische Statistikamt Eurostat hat für alle EU-Länder diesen Indikator berechnet, der den durchschnittlichen Stundenverdienst, die durchschnittliche Anzahl bezahlter Arbeitsstunden pro Monat und die Erwerbstätigenquote ins Verhältnis zum durchschnittlichen Verdienst von Frauen im erwerbsfähigen Alter im Vergleich zu Männern setzt.

Auch hier schneidet Deutschland schlecht ab: Einen höheren Wert als Deutschland (41,9) bei den ge­schlechtsspezifischen Gesamteinkommensunterschieden hatten nur Italien (43), die Schweiz (43,1), die Niederlande (43,7) und Österreich (44,2). Am besten schnitten Litauen und Portugal (je 20,4) ab. Im Jahr 2014 übrigens war nur die Türkei (57,9), die Eurostat mit in die Länderliste aufnahm, noch ungleicher.

Immerhin macht Deutschland kleine Fortschritte: Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist seit dem Beginn der Messung im Jahr 2006 von 23% auf 18% gesunken. Dabei macht Ostdeutschland vor, wie es gehen kann: Im Jahr 2022 lag der unbereinigte Gender Pay Gap hier bei 7%, in Westdeutschland bei 19%. Beim be­reinigten Gender Pay Gap schneiden die alten Bundesländer besser ab. Im Bundesdurchschnitt verdienten Arbeitnehmerinnen im Berichtsjahr 2022 bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie pro Stunde 7% weniger als Arbeitnehmer. Im Osten war die Lücke mit 9% größer als im Westen mit 6%.

Die Ampel-Koalition hat sich in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel gesetzt, den unbereinigten Gender Pay Gap in Deutschland bis 2030 auf 10% zu reduzieren. An­gesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre eine Mammutaufgabe.

Und die anderen?

Auch aus den USA gibt es wenig Mutmachendes. Das Lohngefälle ist dem Meinungsforschungsinstitut Pew Research zufolge in den ver­gangenen 20 Jahren nahezu stabil geblieben. Einer neuen Analyse zufolge verdienten Frauen 2022 im Durchschnitt 82% von dem, was Männer erhielten. Das entspricht in etwa dem Lohngefälle von 2022, als Frauen 80% von dem der Männer verdienten. Fortschritt? Fehlan­zeige.

Dass eine maue ökonomische Entwicklung besonders Frauen trifft, zeigt das Beispiel Australiens: Die schwächelnde australische Wirtschaft hat erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt die finanzielle Gleichstellung von Frauen gebremst. Der Women’s Index der Beraterfirma Financy sank um 0,1 Punkte. „Der Rückgang ist zwar marginal, aber selbst der kleinste Rückschritt auf diesem Weg ist ein großes politisches Versagen“, hieß es dazu von Financy.

Politisches Versagen will sich die chinesische Regierung in Peking wiederum wohl kaum vorwerfen lassen. Offizielle Daten zur Geschlechtergerechtigkeit in der Volksrepublik sind Mangelware. Ein Forscherteam der Cornell University in Ithaca untersuchte die Lebenslaufdaten von mehr als zehn Millionen chinesischen Jobsuchenden im Jahr 2015. Die Ergebnisse, die das Team im vergangenen Jahr veröffentlichte, zeigen, dass Frauen in China im Durchschnitt 29,43% weniger verdienen als Männer. Die Lohnlücke „besteht über alle Altersgruppen und Bildungsstufen hinweg“, schreiben die Autoren. Besonders dramatisch: „Unsere Analyse zeigt, dass 81,47% der Varianz im geschlechtsspezifischen Lohngefälle potenziell auf Diskriminierung zurückzuführen sind.“ Zum Vergleich: Die unerklärbaren Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland, die dem bereinigten Gender Pay Gap entsprechen, belaufen sich auf knapp 40% des Lohngefälles.

Laut den Daten, die die Vereinten Nationen zum letzten internationalen Equal Pay Day am 18. September veröffentlichten, sind nach wie vor strukturelle Probleme der Grund für die Lohnunterschiede. So dominierten Frauen schlecht bezahlte, weniger qualifizierte Arbeitsplätze. Im internationalen Durchschnitt verdienten Frauen 23% weniger als Männer. Zudem seien Frauen unterrepräsentiert in Führungspositionen und verrichteten zweieinhalbmal so viel unbezahlte Arbeit wie Männer – etwa Kindererziehung, Haushalt und die Pflege Angehöriger. Und: Im jetzigen Tempo würde es den UN-Daten zufolge noch 257 Jahre dauern, bis die globale geschlechtsspezifische Lohnlücke geschlossen ist.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.