Brenntag setzt zu großem Sprung an
ab Düsseldorf
– Der Chemiehändler Brenntag nimmt Anlauf zur größten Übernahme der Firmengeschichte. In einem äußerst knappen Statement bestätigte der deutsche Branchenprimus Gespräche über eine mögliche Übernahme des US-Rivalen Univar zu führen. Die Gespräche liefen, bisher sei es jedoch zu keinen konkreten Ergebnissen oder Vereinbarungen gekommen, teilte Brenntag mit. „Derzeit ist nicht absehbar, ob irgendeine Form von Transaktion stattfinden wird“, heißt es.
Vergleichbar äußerte sich das Objekt der Begierde. Univar informierte, eine vorläufige Interessenbekundung für eine mögliche Transaktion von den Deutschen erhalten zu haben. Ein Bericht von Bloomberg hatte die Publikationen befördert.
Käme der Zusammenschluss der Nummer 1 und Nummer 2 der Branche zustande, entstünde ein Chemiedistributeur mit einem Jahresumsatz von knapp 30 Mrd. Euro. Zusammen brächten es die Chemikalienhändler auf ein operatives Ergebnis von knapp 3 Mrd. Euro. Brenntag hatte kürzlich prognostiziert, im operativen Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) den oberen Rand des von 1,75 bis 1,85 Mrd. Euro reichenden Zielkorridors zu erreichen. Univar peilt vergleichbar 1,07 Mrd. Dollar an.
Zwar ist der Markt der Chemiedistribution stark fragmentiert – Brenntag bringt es nach eigenen Angaben auf einen Marktanteil von 5 % und Univar auf 2,8 % –, kartellrechtlich dürfte ein Zusammenschluss dennoch kein Selbstläufer werden. Die Top 6 der Branche vereinen nach den Angaben einen Marktanteil von 12 % auf sich bei einem geschätzten Marktvolumen von 290 Mrd. Dollar.
Die Investoren wurden mit der Nachricht von Brenntag, die dem Dax seit der Erweiterung auf 40 Werte angehört, kalt erwischt. Die Aktie verlor am Montag in der Spitze mehr als 10 % an Wert. Zum Handelsende stand mit 62,36 Euro ein Tagesverlust von 8,9 % zu Buche. Die Marktkapitalisierung schnurrte auf 9,6 Mrd. Euro zusammen. Univar kletterte vorbörslich um über 11 %.
Zwar hat sich Brenntag in den vergangenen Jahren zur heutigen Größe zusammengekauft, Großakquisitionen gehörten bislang jedoch nicht zum Repertoire, auch wenn Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner jüngst bei der Vorstellung der neuen Strategie angekündigt hatte, das jährliche M&A-Budget auf 400 bis 500 Mill. Euro verdoppeln zu wollen. Zugleich hatte der Vorstandschef die Ambition verkündet, „die Zukunft als unangefochtener Marktführer gestalten“ zu wollen.
Globale Aufstellung
Für den Erwerb von Univar wird das aufgestockte Akquisitionsbudget bei weitem nicht ausreichen, bringen die US-Amerikaner doch gut 5 Mrd. Dollar auf die Börsenwaage. Einen großen Wachstumssprung hatte Univar 2018 mit der Übernahme des Wettbewerbers Nexeo für 2 Mrd. Dollar (inklusive Schulden) hingelegt. Angesichts der stetigen Cashflows, welche die Branche generiert, gehören Chemiedistributoren zu beliebten Zielen der Private-Equity-Industrie. Brenntag, die 2010 an die Börse ging, gehörte über viele Jahre zum Portfolio von BC Partners. Univar ist seit 2015 börsennotiert, damals trennte sich CVC via IPO.
Die Großen der Branche sind global aufgestellt. Brenntag ist in 78 Ländern tätig und zählt mehr als 17 000 Beschäftigte. Knapp die Hälfte des Rohertrags erwirtschaftet Brenntag in Nord- und Südamerika, 41 % in Europa, Nahost und Afrika (EMEA) und 11 % in der Region Asien-Pazifik. Auf den Heimatmarkt Deutschland entfallen inzwischen weniger als 10 %.
Univar, die 9 450 Personen beschäftigt, ist dagegen deutlich stärker vom Heimatmarkt abhängig. 63 % der Erlöse werden in den USA generiert, 10 % in Kanada und 6 % in Lateinamerika. Auf EMEA entfallen 21 % des Umsatzes und auf Asien-Pazifik nur 6 %.
Wertberichtigt Seite 2