Anleihemarkt

Bundes­anleihen senden Rezessions­signale

Von der Kurve der Bundesanleihen kommen Rezessionssignale, denn sie ist invertiert. Die bisweilen abwiegelnden Äußerungen von Finanzakteuren sind fehl am Platz. Schon bei früheren Krisen wurde diesem Signal zu wenig Beachtung geschenkt.

Bundes­anleihen senden Rezessions­signale

Es tritt derzeit ein, was viele nicht für möglich gehalten haben oder nicht für möglich halten wollten, und genau dafür gibt es nun – abermals – sehr klare Signale vom Kapitalmarkt, d. h. vom Anleihemarkt. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die wirtschaftlichen Effekte des Ukraine-Krieges und die Leitzinsanhebungen der Zentralbanken zusammengenommen lassen die Wirtschaft in die Rezession abstürzen. In den USA und anderen Ländern ist es bereits so weit, und in der Eurozone und damit auch in Deutschland wird es nun bald so weit sein.

Und genau diese Entwicklung wird vom Anleihemarkt, genauer gesagt vom Markt der Bundesanleihen klar signalisiert. Die Kurve der Bundesanleihen ist im Bereich der zwei- bis zehnjährigen Laufzeiten invertiert. Vor einigen Handelstagen trat dies zum ersten Mal seit dem Jahr 2008 auf, in den Folgetagen verfestigte sich die Kurveninversion. Das bedeutet: Zweijährige Bundeswertpapiere werfen derzeit eine höhere Rendite ab als die zehnjährigen Bundesanleihen. Eine flache Zinsstrukturkurve, bei der alle Renditen der betreffenden Papiere mehr oder minder auf dem gleichen Niveau liegen, signalisiert eine schwächere Wirtschaftsentwicklung im Sinne von Stagnation oder leichter Abschwächung. Eine inverse Renditestrukturkurve hingegen zeigt an, dass die Wirtschaft auf dem absteigenden Ast ist, also in die Rezession rutscht. Die Inversion ist in der Vergangenheit ein sehr verlässlicher Signalgeber der Bondmärkte für die künftige Konjunkturentwicklung gewesen. In den USA ist die Zinskurve der US-Treasuries in den vergangenen 50 bis 60 Jahren praktisch fast jedes Mal vor einer Rezession invertiert und hat damit die konjunkturelle Entwicklung korrekt angezeigt. Nun ist die Wirtschaft der USA auch wieder in die Rezession abgerutscht, angezeigt wieder einmal durch die Inversion der US-Kurve­ vor gut sieben Monaten. Nun gut, die Signalkraft von Zinsstrukturkurven wird von wirtschaftlichen Experten oder solchen, die sich dafür halten, immer wieder angezweifelt, nach dem Motto: Dieses Mal ist alles anders, deshalb hat die Inversion keinerlei Bedeutung in Sachen Konjunkturentwicklung. Das war bei früheren Krisen fast immer der Fall. Mancher lernt halt auch nicht dazu.

Und in der aktuellen Situation? Die Inversion der Kurve bedeutet, dass mit einem Nachlauf von vier bis acht Monaten – so die Erfahrung aus der Vergangenheit – die Rezession einsetzt. Das ist kein Garant. Das kann natürlich auch früher passieren. Im Falle der USA war es ja auch in diesem Jahr schon früher der Fall. In der Eurozone stellen sich viele Marktakteure darauf ein, dass die Rezession im vierten Quartal eintreten wird, und viele gehen auch davon aus, dass der wirtschaftliche Rückgang im kommenden Jahr komplett anhalten wird. Und in diesem Zusammenhang stellt sich doch immer die Frage: Wie scharf wird der Abschwung?

In den Kapitalmarktausblicken findet sich das Wort Rezession mittlerweile immer häufiger. Vor einem guten halben Jahr wurde das alles von vielen noch als Blödsinn oder extremer Pessimismus abgetan, nun sieht die Welt anders aus. Und nun werden auch die Auguren vorsichtiger: Ja, Rezession steht jetzt bei vielen auf dem Zettel der Analysen und Prognosen. Und vorsichtig sind sie praktisch alle. Rezession ja, aber heftig nein! So das Resümee in vielen Häusern. Aber hinter vorgehaltener Hand sieht die Prognose schon ganz anders aus: Heftiger, viel heftiger wird es – jetzt wird sich zeigen, welche Geschäftsmodelle tragfähig sind – in der Krise. So hört man es häufig.

Extreme wirtschaftliche Auswirkungen einer Pandemie, ein Krieg in Europa vor der eigenen Haustür mit der Folge von erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen und dann noch Leitzinsanhebungen, die den privaten Haushalten und Unternehmen das Leben noch schwerer machen: Und dann soll es keine Rezession geben? Die Pleitewelle rollt auf Europa zu. Keiner will es wahrhaben. Unternehmen werden auf der Erlösseite getroffen: weniger Absatz durch Rezession. Zugleich werden sie auf der Kostenseite getroffen: höhere Energiekosten und dazu noch höhere Finanzierungskosten – letztendlich aufgrund des Kampfes der Zentralbanken gegen die Inflation. Da muss man wohl nicht lange rechnen, bis man erkennt, dass das nicht gut gehen kann. Und natürlich: So schlimm wird es ja alles wieder nicht werden, heißt es wieder. Man muss auch mal überlegen, dass Banken in ihren Prognosen immer Vorsicht walten lassen. Und das haben sie ja auch schon gemacht, als von ihnen fast niemand von einer Hypothekenmarkt- und Immobilienmarktkrise, einer aufziehenden Bankenkrise, einer darauf folgenden Rezession, einer Staatsschuldenkrise mit allen ihren Auswirkungen reden wollte. Eingetreten sind sie dann doch – begleitet von einer Inversion der Zinsen. Zinsen sind ein guter Signalgeber.

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