Champagner lässt Konjunktursorgen abperlen
Ein Rosé-Champagner wäre natürlich großartig, sagt sie. Deshalb seien sie und ihr Lebenspartner gerade dabei, alle Möglichkeiten zu prüfen. Es gehe darum, den richtigen Partner zu finden. An Angeboten dürfte es nicht mangeln. Immerhin ist Kylie Minogue einer der bekanntesten Popstars der Welt – und inzwischen auch im Weingeschäft erfolgreich. Vor zwei Jahren hat sie die Marke Kylie Minogue Wines gegründet, zu der bereits Tropfen aus acht verschiedenen Anbauregionen gehören. Nur eine eigene Champagnermarke fehlt der australischen Sängerin noch im Programm. Sie ist nicht der erste Star, der 2022 dem Charme des französischen Edelschaumweins erliegt. So hat Schauspieler Leonardo DiCaprio zu Beginn des Jahres eine Beteiligung an dem Champagnerhaus Telmont erworben. Kurz danach ist Ex-Basketballer Tony Parker bei Jeeper eingestiegen.
Champagner ist nicht nur bei Stars gefragt. Die Branche steuert auf ein neues Rekordergebnis zu. Der Berufsverband Comité Champagne geht davon aus, dass 2022 den Rekord vom letzten Jahr übertreffen wird. Die Zahl der verkauften Flaschen dürfte von 322 Millionen auf 331 Millionen steigen, der Umsatz von 5,7 Mrd. Euro auf 6,5 Mrd. Euro – trotz Inflation, Ukraine-Krieg und Covid. „Ja, dem Champagner geht es gut“, sagt Maxime Toubart, der als Präsident des Winzerverbandes Syndicat Général des Vignerons einer der beiden Co-Vorsitzenden des Comité Champagne ist.
Der Champagner habe seinen Platz als Spitzenwein zurückerobert, meint David Chatillon, der Vorsitzende der Union des Maisons de Champagne (UMC), der die 360 Champagnerhäuser vertritt. Sie machen zwar 77,7 % der Verkäufe und 90 % der Exporte der Branche aus, doch 90 % der 34 300 Hektar großen Anbaufläche der Champagne gehören den 16 200 Winzern, weshalb beide Gruppen im Berufsverband Comité Champagne gleichberechtigt vertreten sind. Es gäbe keinen anderen Wein, der so wie Champagner gleichzeitig mit festlichen Anlässen und der Gastronomie verbunden werde, sagt Chatillon.
Gleichzeitig hätten die Coronakrise und die pandemiebedingten Beschränkungen das Konsumverhalten verändert. „Die Verbraucher haben neue Gelegenheiten geschaffen, um eine Flasche zu öffnen.“ Toubart bestätigt den Trend. Während in Frankreich der Weinkonsum generell sinkt, sind Schaumweine nicht von dem Phänomen betroffen. Sie kommen offenbar auch bei jungen Verbrauchern an. Gleichzeitig sei ein Trend zu höherwertigen Cuvées wie Rosé-Champagner zu beobachten, erklärt Toubart.
Dafür spricht auch die Übernahme des renommierten Champagnerhauses Jacquesson durch Artémis Domaines vor wenigen Tagen. Der Einheit der gleichnamigen Investment-Holding der Kering-Eignerfamilie Pinault gehören bereits bekannte Weingüter wie Château Latour aus Bordeaux. Artémis Domaines hat erst im Herbst mit den Domaines Henriot aus der Champagne fusioniert. Mit der nun angekündigten Übernahme von Jacquesson entstehe vielleicht ein neuer, wichtiger Akteur in der Champagnerbranche, meint der „Figaro“. Allerdings dürfte er LVMH nicht so schnell einholen.
Zweistelliges Wachstum
Der Luxusgüterkonzern ist mit Marken wie Dom Pérignon, Moët & Chandon, Veuve Clicquot, Krug, Mercier und Ruinart die unangefochtene Nummer 1 der Branche. Auch er profitiert von dem zunehmenden Durst der Verbraucher. Die Champagnerhäuser hätten in den ersten neun Monaten des Jahres eine ausgezeichnete Dynamik verbucht, erklärt LVMH. Entsprechend stieg der Umsatz der Wein- und Champagnermarken des Konzerns von 1,8 auf 2,4 Mrd. Euro. Die Verkäufe von Laurent-Perrier, mit eben Laurent-Perrier, De Castellane, Salon, Delamotte die Nummer 2 der Branche, verbesserten sich in der ersten Hälfte ihres versetzten Geschäftsjahres 2022/ 23 um 24 % auf 159 Mill. Euro.
Auch andere Champagnerkonzerne weisen zweistellige Wachstumsraten aus. So legte der Umsatz von Vranken Pommery Monopole (Vranken, Pommery, Heidsieck & Co Monopole, Charles Lafitte, Bissinger & Co) in den ersten sechs Monaten 2022 um 20,2 % auf 112 Mill. Euro zu, der von Lanson BCC (Lanson, Burtin Besserat de Bellefon, Boizel, Chanoine, Philipponnat, De Venoge, Alexandre Bonnet) um 16 % auf 115 Mill. Euro.
Die Ergebnisse sind umso bemerkenswerter, als die hohe Inflation und der starke Anstieg von Rohstoffpreisen auch an der Champagnerbranche nicht spurlos vorbeigegangen sind. Transport, aber auch Etiketten, Glas, Karton und andere Verpackungsmaterialien haben sich deutlich verteuert. Das schlägt sich in den Verkaufspreisen nieder. Sie sind im Schnitt um 5 % bis 10 % pro Flasche gestiegen.
Doch Konsumenten vor allem im Ausland scheint das nicht zu schrecken. Die Exportmärkte dürften in diesem Jahr 57 % der Verkäufe ausmachen – so viel wie seit 100 Jahren nicht mehr. „Wir sind sehr zufrieden, da alle historischen Märkte zulegen“, sagt Maxime Toubart. In den drei wichtigsten Märkten, den USA, Großbritannien und Japan, laufe das Geschäft gut, genauso wie in anderen europäischen Ländern.
Die Lust auf Champagner ist sogar so groß, dass Laurent-Perrier Ende November erklärte, die Kapazität der Champagne und der Gruppe, die steigende Nachfrage zu befriedigen, erreiche ihre Grenzen. LVMH sprach ebenfalls von einem steigenden Druck auf die Lieferkapazitäten. „Uns gehen einige unserer besten Champagner aus“, sagte Moët-Hennessy-Chef Philippe Schaus Bloomberg TV. Nach dem Ende der Corona-Beschränkungen gebe es einen Nachholbedarf für Luxus, Genuss und Reisen.
Niedrige Ernten
Gerüchte, Champagner könnte knapp werden, bereiteten zuletzt so manchem Genießer Sorgen, Silvester eventuell auf dem Trockenen sitzen zu müssen. Zumindest in Australien sind die Verkäufe nach Angaben des Onlinehändlers Emperor Champagne in der Vorweihnachtszeit stärker gestiegen als der Nachschub einiger bekannter Marken. Von den Tropfen weniger bekannter Champagnerhäuser gibt es dagegen noch genug.
Dennoch dürfte das Angebot insgesamt knapper werden, da die Ernten 2020 und 2021 niedriger als die derzeitige Nachfrage ausgefallen sind. Um zu vermeiden, auf zu großen unverkauften Lagerbeständen sitzen zu bleiben, hatten sich Winzer und Champagnerhäuser 2020 geeinigt, den Ertrag der Ernte im Covid-Jahr deutlich zu reduzieren: Von 10 200 Kilogramm je Hektar auf 8 000 Kilogramm. 2021 wurde der erlaubte Ertrag dann zwar wieder hochgesetzt, doch Frost, Hagel und ein verregneter Sommer ließen die Ernte so niedrig ausfallen wie seit 1986 nicht mehr. Die hohen Temperaturen in diesem Jahr bescherten der Champagne wieder eine verheißungsvolle Ernte, doch bis der Jahrgang 2022 getrunken wird, wird noch einige Zeit vergehen, da der Reifeprozess mindestens zwei Jahre dauert.
Ob die Nachfrage nach Champagner im nächsten Jahr trotz Konjunkturflaute und Inflation anhält, muss sich noch zeigen, auch wenn die Zahl wohlhabender Verbraucher weltweit seit Corona weiter gestiegen ist. Laut Credit Suisse gibt es inzwischen 218 200 Ultra-High-Net-Worth-Kunden mit einem Vermögen von mehr als 50 Mill. Dollar. Während ihnen die Inflation nicht besonders viel ausmachen dürfte, muss die Champagnerbranche im nächsten Jahr sicherstellen, dass die Preiserhöhungen langfristig keine negativen Auswirkungen auf ihre Verkäufe haben.
Nach den Feiertagen könnten normale Konsumenten den Gürtel enger schnallen, fürchten einige Beobachter. Die Rekordzahlen jetzt könnten Vorboten einer neuen Krise sein, so wie bereits vor 15 Jahren. 2007 hatte die Champagnerbranche mit 339 Millionen verkauften Flaschen ihr höchstes Verkaufsvolumen erzielt, doch dann waren die Verkäufe während der Finanzkrise eingebrochen und 2009 auf 293 Millionen gesunken.
Von Gesche Wüpper, Paris