Geldpolitik

Debatte über Inflations­höhepunkt

Angesichts der hohen Inflation haben weltweit Zentralbanken ihre Geldpolitik gestrafft wie lange nicht. Nun greift die Hoffnung um sich, dass bei der Teuerung das Schlimmste überstanden ist – samt der Hoffnung auf eine weniger aggressive Geldpolitik.

Debatte über Inflations­höhepunkt

ms Frankfurt

Ein unerwartet deutlicher Rückgang der Inflation in Großbritannien hat Hoffnungen geschürt, dass auch auf der Insel die Teuerung ihren Höhepunkt erreicht haben und auf Preisseite das Schlimmste überstanden sein könnte – was auch die Bank of England, die heute tagt, zu einem weniger aggressiven Zinskurs veranlassen könnte. Der Rückgang nährte aber zugleich grundsätzlich Spekulationen, dass womöglich insgesamt in der westlichen Welt der In­flationspeak erreicht ist und die No­tenbanken ihren beispiellosen Straffungskurs deshalb etwas drosseln.

Deutliche Zinserhöhungen

Wie nahezu weltweit hat auch in Großbritannien die Inflation in den vergangenen knapp zwei Jahren rasant und viel stärker als prognostiziert zugenommen. Die Bank of England hat darauf mit starken Zinserhöhungen reagiert – wobei sie unter den G7-Zentralbanken sogar eine Führungsrolle einnahm, als sie überraschend bereits im Dezember 2021 erstmals ihren Leitzins anhob. Seitdem ist der Schlüsselsatz achtmal auf aktuell 3,0% angehoben worden. Für den heutigen Donnerstag wird ein weiterer Zinsschritt erwartet. Die Mehrheit der Beobachter erwartet 50 Basispunkte – nach zuletzt sogar 75 Basispunkten im November.

Bereits am Dienstag hatte ein überraschend starker Rückgang der US-Ver­braucherpreisinflation von zuvor 7,7% auf 7,1% im November die Hoffnung genährt, dass die Teuerung allmählich nachlässt und dass das eine weniger aggressive Geldpolitik ermöglicht. Die US-Notenbank Fed erhöhte am Mittwochabend ihren Leitzins um 50 Basispunkte – nach zuvor vier Zinsanhebungen um 75 Basispunkte in Folge. Die Fed ist immer noch die wichtigste Zentralbank der Welt.

In Großbritannien nun ging die Inflation im November von zuvor 11,1% auf 10,7% zurück, wie das nationale Statistikamt am Mittwoch mitteilte. Die 11,1% im November hatten ein 41-Jahres-Hoch bedeutet. Experten hatten im Mittel nur einen Rückgang auf 10,9% vorausgesagt. Den größten Beitrag zum Rückgang zwischen Oktober und November leistete der Verkehrssektor, insbesondere Kraftstoffe.

Beobachter werteten das als erstes Signal, dass die Inflation in Großbritannien ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Sie warnten aber zu­gleich vor zu viel Zuversicht. Die Volkswirte von Unicredit etwa prognostizieren, dass die Inflation den gesamten Winter deutlich oberhalb von 10% bleiben dürfte, bevor sie ab dem Frühjahr recht schnell zurückgehen könnte. Die Bank of England erwartet, dass die Inflation bis weit ins Jahr 2024 oberhalb ihres Preisziels von 2% verharrt – obwohl die Wirtschaft vor einer Rezession steht. Gleichwohl sagten am Mittwoch viele Beobachter, dass der Inflationsrückgang der Notenbank Spielraum verschaffe, das Zinserhöhungstempo zu drosseln. An den Finanzmärkten wird aktuell das Ende des Zinszyklus bei 4,7% im August prognostiziert.

Der Blick richtet sich aber nicht nur auf Großbritannien und die Bank of England. „Die unerwartet starke Abschwächung der Inflation in Großbritannien im November ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Preisdruck in der westlichen Welt wahrscheinlich seinen Höhepunkt erreicht hat“, sagte Kallum Pickering, leitender Volkswirt der Berenberg Bank. „Obwohl die Inflationsaussichten nach wie vor ungewiss sind und in hohem Maße vom Verlauf der anhaltenden Rezession und der Entwicklung der weltweiten Rohstoffpreise abhängen, verringert die wachsende Zuversicht, dass die Inflation wahrscheinlich ihren Höhepunkt erreicht hat, das Risiko, dass die Zentralbanken zur Eindämmung der Inflation viel weiter gehen müssen als angekündigt“, so Pickering.

Unmittelbar nach der Bank of England entscheidet heute auch die Europäische Zentralbank (EZB). Auch da wird eine etwas kleinerer Zinsschritt von 50 statt wie zuletzt zweimal in Folge von 75 Basispunkten erwartet. Wichtig werden insbesondere auch die neuen Projektionen der EZB-Volkswirte. Reuters berichtete am Mittwoch, dass diese auch für 2025 eine Inflation oberhalb des 2-Prozent-Ziels vorhersagen – so wie es bereits weit verbreitet erwartet wird.

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