Industriellenfamilien

Der Aufstieg der Familien im CAC 40

Lange Zeit haben Assetmanager den CAC 40 dominiert. Als Aktionäre haben sie zwar immer noch großes Gewicht, doch inzwischen wurden sie von Industriellenfamilien überholt. Zu verdanken ist das einem Trio aus der Luxusgüterindustrie.

Der Aufstieg der Familien im CAC 40

Es war eine Nachricht, die Investoren nicht nur in Frankreich hat aufhorchen lassen. Das von der bekannten Unternehmerfamilie Rothschild geplante Delisting der nach ihr benannten Bank, für das sie sich die Unterstützung anderer bekannter Industriellenfamilien gesichert hat, ist auch ein Symbol für das Comeback, das Familien als Investoren in Frankreich feiern. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist ihr Anteil an der Kapitalisierung des französischen Leitindex CACç40 größer als der von Assetmanagern. Das geht aus einer gerade vom Börsenbetreiber Euronext veröffentlichten Studie hervor.

Betrug der Anteil von Familien und Unternehmensgründern an der Kapitalisierung der CAC-40-Konzerne 2012 gerade mal 9,7 %, so ist er 2021 auf 21,5 % gestiegen. Gleichzeitig ist der Anteil von Assetmanagern im selben Zeitraum leicht zurückgegangen, von 21,2 % auf 20,7 %. Der Anteil des französischen Staates wiederum, der 2012 noch 6 % des Kapitals der im französischen Leitindex notierten Unternehmen ausmachte, ist inzwischen auf 1,9 % gesunken.

Ausländische Staaten und ausländische Staatsfonds dagegen halten mit 2,3 % des Kapitals etwas mehr als er, auch wenn ihr Anteil ebenfalls gesunken ist. 2012 betrug er noch 3 %. Im SBF-120-Index sieht es ähnlich aus. Dort ist der Anteil von Familien am Kapital von 12,8 % im Jahr 2012 auf 20,5 % gestiegen, derjenige der Assetmanager von 17,6 % auf 20 %. Insgesamt belief sich die Börsenkapitalisierung der 844 notierten Unternehmen in Frankreich Ende 2021 auf 3 200 Mrd. Euro, die der 120 im SBF 120 gelisteten Konzerne auf 2 850 Mrd. Euro und die der CAC-40-Mitglieder auf 2 350 Mrd. Euro.

Aufstieg der Luxusgüterriesen

Zu verdanken haben die Unternehmensfamilien ihr stärkeres Gewicht vor allem einem Trio von Konzernen aus dem Luxugüterbereich: LVMH, Hermès und L’Oréal. Die Familien, die hinter ihnen stehen – die Arnaults, die Hermès-Erben und die Bettencourt-Meyers – führen laut der Euronext-Studie auch die Top Ten der wichtigsten Investoren des französischen Leitindex an. Allein die drei zusammen machen rund 15 % des CAC 40 aus. Sie stehen damit für mehr als 1 von 7 dort investierten Euro. Die Arnaults, die 47 % an LVMH halten, sind der wichtigste Investor. Denn LVMH ist mit zuletzt 394,96 Mrd. Euro die größte Börsenkapitalisierung Europas. Der Luxusgütergigant macht deshalb 6,9 % des CAC 40 aus.

Der Aufstieg dieser großen Unternehmensfamilien sei hauptsächlich der überdurchschnittlichen Wertentwicklung der Konzerne zu verdanken, die sie kontrollieren, und vor allem dem Steigflug der Luxusgüter-Champions, erklärt Nicolas Rivard von Euronext, der Autor der Studie. Zusätzlich hätten der Aufstieg des Medizinlabors Eurofins Scientific der Aktionärsfamilie Martin in den CAC 40 und die Fusion von PSA mit dem von der Familie Agnelli kontrollierten Automobilkonzerns Fiat-Chrysler zu Stellantis das Gewicht der Familien in dem Leitindex gestärkt.

Die Entwicklung der zehn wichtigsten Investoren des CAC 40 spiegelt auch die der Luxusgüterbranche wider, die in den letzten Jahren stetig gewachsen ist und an der Börse stark zugelegt hat, mehr als andere Branchen. So hat sich der Aktienkurs von Hermès innerhalb der letzten fünf Jahre vervierfacht, der von LVMH mehr als verdreifacht und der von L’Oréal mehr als verdoppelt. Zu den zehn größten Investoren des französischen Leitindex gehören auch die Familie Pinault sowie erstmals die Familie Dassault.

Zu verdanken hätten die Familien ihr stärkeres Gewicht nicht nur der guten Gesundheit ihrer Unternehmen, sondern auch ihrer speziellen DNA, urteilt Kevin Thozet, der dem Investmentkomitee von Carmignac angehört. „Die Familien im Kapital der großen Unternehmen haben tendenziell eine gewisse Anzahl an gemeinsamen Charakteristiken“, sagt er. Dazu gehören eine im Vergleich zu vielen Konzernen geringere Verschuldung und Renditen, die besonders hoch sind. Investoren seien ganz klar auf der Suche nach solchen Unternehmen, meint Thozet.

Haben sich die von Familien kon­trollierten Konzerne im Schnitt besser als andere CAC-40-Unternehmen entwickelt, so verlief die Entwicklung der meisten Unternehmen, an denen der Staat direkt beteiligt ist, genau gegensätzlich. Viele von ihnen haben schlechter abgeschnitten als der französische Leitindex, der in den letzten fünf Jahren 33 % zugelegt hat. So ist der Aktienkurs von Renault im selben Zeitraum um 59,2 % und der von Orange um 24,6 % eingebrochen. Der französische Staat hält 15 % an dem Autobauer und 13,4 % an dem Telekomkonzern. Allerdings hat sich die Tendenz seit Beginn letzten Jahres wieder umgekehrt, da sich die Unternehmen mit französischer Staatsbeteiligung seitdem besser entwickelt haben als der CAC 40.

Die Hälfte ohne Familie

Dass inzwischen Unternehmensfamilien mehr Gewicht als Assetmanager im französischen Leitindex haben, täuscht jedoch über eine andere Tatsche hinweg: Mehr als die Hälfte aller CAC-40-Konzerne zählt gar keine Industriellenfamilie zu ihren Aktionären. Und das Schicksal der Lagardère-Gruppe zeigt, dass von Familien kontrollierte Unternehmen nicht unsterblich sind, wenn die Nachfolge an ihrer Spitze nicht gut vorbereitet worden ist. Gründer Jean-Luc Lagardère galt einst als einer mächtigsten und charismatischsten Industriebosse Frankreichs, doch dann verstarb er 2003 unerwartet. Sein Sohn Arnaud interessierte sich wenig für die Industrie und verkaufte deshalb die Anteile, die Lagardère an dem inzwischen in Airbus umbenannten Luft- und Raumfahrtkonzern EADS besaß. Seitdem hat sich der Niedergang der Lagardère-Gruppe fortgesetzt. Im Sommer 2021 musste Arnaud Lagardère seinen unbegrenzten Einfluss bei der Gruppe aufgeben, als die Aktionäre für die Umwandlung der Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine klassische Aktiengesellschaft stimmten. Er hielt damals nur noch 7 % des Kapitals. Nun will Vivendi das Unternehmen übernehmen.

Der von den Bollorés kontrollierte Medien- und Unterhaltungskonzern ist eines der 17 Unternehmen aus dem CAC 40, zu deren Aktionären Unternehmensfamilien gehören. Ihr Anteil am Kapital beträgt im Schnitt 40 %. So hält die Familie Dassault 40,2 % an dem Softwarehersteller Dassault Systèmes, die Familie Bouygues am gleichnamigen Mischkonzern 25 %, die Martins halten an Eurofins Scientific 32,8 %, die Pinaults an Kering 41,7 %, die Bettencourt-Meyers an L’Oréal 33,3 %, die Familie Ricard 13,2 % an Pernod Ricard, die Familie Peugeot an Stellantis 6,1 %, die Erben der Hermès-Gründer 66,6 % an dem Luxusgüterkonzern und die Michelins 7 % an dem Reifenhersteller.

Die Familie von Investor Vincent Bolloré wiederum ist über die von ihr kontrollierte Bolloré-Gruppe größter Aktionär von Vivendi. Auch ausländische Industriellenfamilien sind im Kapital der CAC-40-Konzerne vertreten: Die Mittals bei ArcelorMittal (35,2 %), die Agnellis bei Stellantis (14,3 %) und die Del Vecchios bei EssilorLuxottica (32 %).

Von Gesche Wüpper, Paris

Top Ten der CAC-40-Investoren
Stand 2021
InvestorenAnteil an der Börsenkapi-talisierungCAC 40 (%)
Familie Arnault7,4
Hermès-Erben4,6
Fam. Bettencourt-Meyers3,3
Blackrock 2,1
Französischer Staat1,9
Vanguard1,8
Capital Group1,7
Familie Pinault1,6
Norwegischer Staat1,4
Familie Dassault1,2
Börsenkapital. CAC 40 Ende 2021 = 2 350 Mrd. EuroBörsen-Zeitung
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.