Insolvenzantrag

Der Niedergang von Windeln.de

lllustre Banken führten das Unternehmen ohne ausgereiftes Geschäftsmodell im Mai 2015 an die Börse. Von rund einer halben Mrd. Euro Marktkapitalisierung sind nicht einmal mehr 3 Mill. Euro übrig.

Der Niedergang von Windeln.de

Von Joachim Herr, München

Der Absturz begann mit dem Börsengang im Mai 2015. Damals wurden die Aktien des Münchner Online-Händlers Windeln.de für 18,50 Euro ausgegeben. Doch dann ging es mehr oder weniger stetig bergab. Werden die Kapitalherabsetzungen seit dem IPO berücksichtigt, ist vom anfangs erreichten Höchstkurs nicht einmal ein Viertelprozent übrig. Am Freitag sackte der Kurs auf der Handelsplattform Tradegate um fast die Hälfte ab, nachdem das Unternehmen bekannt gegeben hatte, „unverzüglich Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen“. Am Montag stürzte der Kurs bis zum Abend 44% in die Tiefe, es bleibt eine Marktkapitalisierung von gerade einmal 2,48 Mill. Euro. Zum Börsengang war es rund eine halbe Mrd. Euro.

Mehrmals dienten Kapitalerhöhungen Windeln.de als Strohhalm. Doch aus dem im Januar dieses Jahres beschlossenen nächsten Schritt wurde nichts, Verhandlungen mit chinesischen Investoren blieben erfolglos. „Keine positive Fortbestehensprognose“, stellte der Vorstand nun fest.

Das Unternehmen, das Windeln und andere Produkte für Babys und Kinder anbietet, erreichte nie die Gewinnzone, nur das bereinigte Ergebnis wurde einmal knapp über der Nulllinie ausgewiesen – im zweiten Quartal dieses Jahres. Dem Jahresabschluss 2021 hatten die Prüfer von KPMG ein Testat versagt.

Windeln.de war mit einem nicht ausgereiften Geschäftsmodell und einem überforderten Management an die Börse gegangen. Die Misere erinnere an die herben Enttäuschungen im Neuen Markt, hieß es schon vor sechs Jahren in der Börsen-Zeitung. Da war bereits einiges passiert: eine drastisch gesenkte Geschäftsprognose, technische Schwierigkeiten mit dem Warenwirtschaftssystem und ein Fehler in der Bilanzierung. Eine Akquisition in Tschechien stellte sich als teurer Flop heraus, ein zugekauftes Unternehmen in Spanien als Restrukturierungsfall.

Und der Expansion nach China, von der sich das Management sehr viel versprach, lagen viele Hindernisse im Weg: Erst machten neue Importregeln einen Strich durch die Rechnung, dann erschwerten ein Überangebot an Milchprodukten und strengere Zollkontrollen die Pläne. 2017 zogen sich die beiden Unternehmensgründer aus dem Vorstand zurück. Doch auch den Nachfolgern gelang die Wende nicht. Es schien, als machte das Management alles falsch, was nur falsch gemacht werden kann. An der Börse verkam Windeln.de zur Aktie für Zocker.

Beschämend ist der Niedergang für die Emissionsbanken. Das Konsortium, das das Unternehmen an die Börse brachte, bestand aus großen Namen: Bank of America Merrill Lynch, Deutsche Bank, Goldman Sachs, Berenberg, Commerzbank.

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