EuGH-Urteil

Der Preis der Diesel-Tricksereien

Wieder einmal haben Gerichte die Autobauer beim leidigen Thema Dieselabgase ertappt. Unternehmen und Aktionäre sollten daraus zwei Lehren ziehen.

Der Preis der Diesel-Tricksereien

Paukenschlag“, „Sensationsurteil“, Anlass für eine neue „Klagewelle“: Verbraucheranwälte tragen in ihrer Reaktion auf das für sie positive Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Dieselaffäre dick auf. Kein Wunder: Sie sehen nicht nur in Tausenden laufenden Verfahren ihre Chancen auf Schadenersatz schlagartig steigen. Sie wittern auch neue Mandanten – in der Hoffnung, noch mehr der potenziell Millionen betroffenen Dieselfahrer zu einer Klage zu bewegen.

Das ist natürlich in erster Linie eine ziemlich durchsichtige Form der Kundenakquise. Doch die ertappten Autohersteller sollten sich besser davor hüten, deswegen Krokodilstränen zu verdrücken. Sie haben sich das nicht enden wollende juristische Ungemach selbst zuzuschreiben. Mercedes-Benz und Co. zahlen den Preis für ihre jahrelangen Tricksereien, wenn es um den angeblich ach so umweltfreundlichen Dieselmotor geht.

Volkswagen hat teuer bezahlt für seine Schummelsoftware. Die jetzigen Fälle sind anders gelagert: Es geht diesmal nicht – wie im VW-Dieselskandal – um plumpen Betrug auf dem Prüfstand, um das reine Austricksen von Behörden und Kunden. Die Hersteller bewegen sich mit ihrer flexiblen Abgasreinigung auf der Straße vielmehr in einer rechtlichen Grauzone. Die Fairness gebietet es, auf diese Unterschiede hinzuweisen.

Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die Hersteller unschuldig sind. Für ihr System der Abgasreinigung haben sie den Begriff „Thermofenster“ erfunden. Das klingt so schön harmlos. Tatsächlich steckt dahinter ein Mechanismus, der je nach Außentemperatur mehr oder weniger wirkt – und zwangsläufig mehr oder weniger Schadstoffe aus dem Auspuff lässt. Dass sich da Kunden und Richter einmal mehr auf den Arm genommen fühlen, kann niemanden überraschen.

Für Autobauer und ihre Aktionäre sind daraus zwei Lehren zu ziehen. Mit Blick in den Rückspiegel sind die Rechtsrisiken noch lange nicht aus der Welt. Denn die juristische Aufarbeitung der Dieselaffäre wird noch lange dauern – nicht zuletzt, weil immer wieder höchstrichterliche Entscheidungen vonnöten sind. Das jetzige EuGH-Urteil zwingt den Bundesgerichtshof geradezu, seine bisherige Rechtsprechung zu überdenken, wonach den Herstellern vorsätzliche Täuschung nachzuweisen ist, damit es Schadenersatz gibt.

Auch der Blick nach vorn verheißt nichts Gutes. Die weit gediehenen Pläne der EU-Kommission­ für eine noch schärfere Euro-7-Abgasnorm lassen den Herstellern kaum Zeit zur Anpassung. Ob Brüssel noch zur Besinnung kommt oder nicht – den Autobauern kann man nur raten: Lasst das Tricksen und Täuschen diesmal bitte sein!

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