Equal Pay Day

Der Weg zur Gleichstellung ist lang und steinig

Allen Fortschritten zum Trotz: Frauen kommen nur langsam auf dem langen und steinigen Weg zur Gleichstellung voran. Dabei kann sich in Zeiten des Fachkräftemangels kein Land leisten, Arbeitskräfte mit zu geringer Bezahlung und schlechten Rahmenbedingungen zu verprellen.

Der Weg zur Gleichstellung ist lang und steinig

Am 7. März ist es so weit: Frauen in Deutschland werden endlich für ihre Arbeit bezahlt. Auf diesen Tag fällt 2022 der sogenannte Equal Pay Day, der Tag, bis zu dem Frauen in Deutschland im Vergleich zu Männern rein rechnerisch umsonst arbeiten. Die Gehälter der Frauen liegen hierzulande rund ein Fünftel unter dem der Männer – der sogenannte Gender Pay Gap betrug 2022 gemessen am durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer 18%.

Angesichts aller Mühen der vergangenen Jahre, mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, gläserne Decken aufzubrechen und das weibliche Geschlecht zumindest per Quote zu fördern ist das ein zu vernachlässigender Fortschritt im Vergleich zum Beginn der Erhebung 2006, als die Lücke bei 23% lag oder zu 2009, als der Equal Pay Day am 20. März war. Zumal aus dem Gender Pay Gap auch immer ein Gender Wealth Gap und ein Gender Pensions Gap wird – einer Studie der Industrieländerorganisation OECD zufolge lag Deutschland 2020 mit einer Rentenlücke von mehr als 40% auf dem letzten Platz. Mit Blick auf den angeblich kleinen Unterschied ist dies nicht der einzige Indikator, bei dem Deutschland schlecht abschneidet (siehe unten stehender Bericht).

Auch das seit Juli 2017 geltende Entgelttransparenzgesetz hatte noch keinen durchschlagenden Erfolg: Es verpflichtet Arbeitgeber, Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit auch gleich zu bezahlen. Allerdings gilt es nur in größeren Unternehmen ab 200 Beschäftigten – und es hat zu viele Schlupflöcher, wie die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, beklagt. Bei der im Koalitionsvertrag angekündigten „Weiterentwicklung“ des Gesetzes müsse daher darauf geachtet werden, dass es künftig in allen Unternehmen gelte, wird sie von dpa-afx zitiert. „Ungleicher Lohn ist per Gesetz Diskriminierung“, betonte Ataman. „Deutschland kann es sich nicht leisten, Frauen im 21. Jahrhundert immer noch schlechter zu bezahlen.“ Zumindest ist von Seiten des Erfurter Bundesarbeitsgerichts geklärt, dass Verdienstunterschiede von Frauen und Männern nicht mehr mit unterschiedlichem Verhandlungsgeschick begründet werden dürfen.

Als Hauptursache der Gehaltslücke gelten neben der Lohndiskriminierung von Frauen bei gleicher Arbeit und gleicher Leistung eine hohe Teilzeitquote, ein geringer Anteil in Führungspositionen und eine schlechtere Bezahlung in Dienstleistungs-, Ge­sundheits- und Sozialberufen, in denen vor allem Frauen tätig sind. Außerdem arbeiten sie häufiger in kleinen Betrieben. „Damit profitieren sie nicht im gleichen Ausmaß wie Männer von den im Durchschnitt höheren Löhnen in Großbetrieben“, schreibt Antje Weyh in einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

11 Prozentpunkte des Gender Pay Gap lassen sich denn auch durch solche lohnbestimmenden Merkmale, wie eben Beruf, Branche und Beschäf­tigungsumfang erklären – 7 Prozentpunkte der 18-prozentigen Lohnlücke allerdings nicht. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat daher einen neuen Indikator aufgelegt, den „Gender Gap Arbeitsmarkt“ (siehe Kasten). Als wesentliche Ursache der Gehaltslücke macht er die hohe Teilzeitquote von Frauen aus: 148 Stunden bezahlter Tätigkeit bei Männern stehen 121 Stunden bei Frauen ge­genüber, der Gender Hours Gap liegt bei 18%. Ab dem durchschnittlichen Alter bei Geburt des ersten Kindes – bei Müttern sind das 30,5 Jahre – steigt der Gender Hours Gap an, seinen Höhepunkt erreicht er bei Personen im Alter zwischen 39 und 41 Jahren mit 23%. Der Gender Employment Gap misst den Unterschied in den Erwerbstätigenquoten: für 2022 liegt er bei 9%. Basis sind die aktuell vorliegenden Zahlen der Erwerbstätigkeit, wonach 72,1% aller Frauen und 79,4% aller Männer einer bezahlten Arbeit nachgingen. Daraus errechnen die Wiesbadener Statistiker einen Gender Gap Arbeitsmarkt von 39% für 2022. Dabei gilt: Je höher der Wert, desto stärker ist die Verdienstungleichheit auf dem Arbeitsmarkt ausgeprägt.

Auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt anlässlich Equal Pay Day und dem am 8. März folgenden Weltfrauentag, dass sich in den vergangenen zehn Jahren zwar einiges getan hat, „aber Luft nach oben“ ist bei Arbeitszeit, Gehalt und Führungsverantwortung. So hat die sozialversicherungspflichtige Be­schäftigung seit 2012 um 19% auf 16 Millionen Frauen zugelegt – wobei der Beschäftigungsaufbau mit 33% vor allem auf die Teilzeit entfällt. Bei vollzeitbeschäftigten Frauen ging es nur um 8% voran. Fast 60% aller Frauen arbeiteten 2022 in einem sozialversicherungspflichtigen Job, 49,6% davon aber in Teilzeit. Selbst bei gleicher Qualifikation sind Frauen laut der BA in Aufsichts- und Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert – lediglich 545000 oder 28% der Beschäftigten mit Aufsichts- und Führungsfunktionen sind weiblich.

Wenig Erbauliches bringt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung mit sich: Sie zeigt, dass sich die Geschlechterungleichheit über fast alle Wirtschaftszweige erstreckt, wobei sie aber teilweise unterschiedlich ausgeprägt ist. Branchenübergreifend verdienen Männer im Durchschnitt 24,36 Euro brutto pro Stunde, Frauen 20,05 Euro. In 45 der 46 untersuchten Branchen verdienen Frauen weniger als Männer, wobei der Gender Pay Gap von 32 Prozentpunkten in der Rechts- und Steuerberatung (31,06 vs. 21,26 Euro) bis zu 4 Prozentpunkten im Personen- und Güterverkehr reicht (siehe Grafiken). Einzige Ausnahme sind die Postdienste: Hier verdienen Frauen mehr als Männer – allerdings auf einem im Vergleich der Branchen insgesamt recht niedrigen Niveau.

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