Deutsche Bank wird wieder beim Wort genommen
Obwohl sie das beste Jahresergebnis seit 15 Jahren hingelegt hat, ist die Deutsche Bank am Donnerstag an der Börse regelrecht abgestraft worden, und das ist gut so. Wie das Institut mitteilte, hat sich der Nettogewinn in abgelaufenen Jahr auf 5,7 Mrd. Euro nahezu verdoppelt. Damit hat es die größte Bank des Landes nicht bloß geschafft, die Erwartungen der Analysten deutlich zu übertreffen, sondern auch das im Rahmen des vor dreieinhalb Jahren eingeleiteten Konzernumbaus verkündete Renditeziel. Die Rendite auf das materielle Eigenkapital lag im vergangenen Jahr mit 9% zwar einen satten Prozentpunkt über der Zielsetzung. Nur leider war dies nicht in erster Linie dem Wachstum im Kundengeschäft oder der Kostendisziplin geschuldet, sondern einem positiven Steuereffekt. Ohne diesen Zusatzschub hätte die Deutsche Bank die eigene Zielsetzung verfehlt.
Angesichts der drastischen Veränderungen, mit denen sich das vergangene Jahr einen Platz in den Archiven gesichert hat, ist das nachvollziehbar. Geopolitischen Spannungen, Inflation und steigende Zinsen haben die Konjunkturerwartung verdüstert und die Geschäftsmodelle vieler Banken in Frage gestellt. Die Gefahr steigender Kreditausfälle insbesondere im Mittelstand ist trotz der staatlichen Unterstützung nicht gebannt. Der unerwartet starke Zinsanstieg hat Bremsspuren im Beratungsgeschäft der Investmentbank und in der Immobilienfinanzierung hinterlassen. Auch die Deutsche Bank bewegt sich nicht im luftleeren Raum und der erzielte Gewinn kann sich zweifelsohne sehen lassen. Ein Grund, es als Überraschungserfolg zu feiern, ist es aus Sicht der Anleger aber offensichtlich nicht, wie der deutliche Abschlag des in den vergangenen Monaten deutlich gestiegenen Börsenkurses zeigt.
Doch auch wenn der Tagesverlust von gut 6,5% mehr als 1 Mrd. Euro an Börsenwert vernichtet hat, ist er auf mittlere Sicht ein positives Zeichen. Signalisiert die harsche Marktreaktion doch, dass man die Deutsche Bank wieder beim Wort nimmt. Das war keineswegs immer so. Nachdem Vorstandschef Christian Sewing im Sommer 2019 die Restrukturierungspläne erstmals skizzierte, war sich die Analystengemeinde lange einig, dass die Renditeziele selbst unter der Annahme eines stabilen Konjunkturumfelds zu hoch gesteckt wären. Jetzt hat es doch geklappt, wenn auch nur dank eines Steuereffekts, der höher ausgefallen ist als von der Deutschen Bank antizipiert. In einer Welt, in der sich seit der Coronakrise eine schwer vorhersagbare Herausforderung an die andere reihte, muss man eben auch mal ein bisschen Glück haben.