Die richtige Entscheidung
Was Ökonomen seit geraumer Zeit vorausgesagt haben, scheint nun so gut wie offiziell zu sein: Die US-Notenbank wird bei ihrer letzten Sitzung im laufenden Jahr das Tempo der Zinserhöhungen drosseln und dürfte auch künftig kleinere Schritte beschließen. Deutlicher hätte das Abschlussprotokoll der Sitzung vom November kaum sein können. Zwar räumen die Währungshüter ein, dass die Inflation nach wie vor zu hoch ist. Gleichzeitig erkennen sie aber, dass die aggressiven Zinserhöhungen der vergangenen Monate zu einem Konjunktureinbruch beitragen könnten und Risiken für die Finanzstabilität erhöhen könnten. Festzuhalten ist: Bei der geplanten Kursentschärfung handelt es sich um die vernünftigste Entscheidung, die der Fed-Vorsitzende Jerome Powell treffen könnte.
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Fed nämlich eine Politik der Superlative verfolgt. Um der Konjunkturschwäche während der Pandemie entgegenzuwirken, hielt die Notenbank an einer Nullzinspolitik und massiven Anleihekäufen fest, tat das aber viel zu lange. Darauf folgte dann mit dem Abschmelzen der Anleihekäufe (Tapering), der ersten von sechs teilweise aggressiven Zinserhöhungen und schließlich dem Bilanzabbau ein Kursschwenk, der schnell zu einer deutlichen Kursverschärfung wurde. Mittlerweile verfolgt Powell die stringenteste Geldpolitik seit Paul Volcker in den achtziger Jahren. Kein Wunder, dass Volckers Buch „Keeping at it“, lose übersetzt „Dranbleiben“, zum persönlichen Leitfaden für den zinspolitischen Kurs unter dem amtierenden Fed-Vorsitzenden wurde. Beide Male habe die Fed jedenfalls überreagiert, meinen Kritiker, einmal auf den Konjunktureinbruch während der Pandemie und dann auf die hohe Inflation.
Und das Ergebnis der Kehrtwende nach einem Jahr? Nachdem der Verbraucherpreisindex im Juni auf über 9% kletterte und damit den höchsten Stand seit über 40 Jahren erreichte, hat die Kursverschärfung dazu beigetragen, dass die Teuerungsrate im Oktober auf 7,7% zurückging. Rückläufig ist auch der PCE-Preisindex, deren Kernrate allerdings im August und September wieder zulegte. Die leicht sinkende Inflation ist also ein Etappensieg, der sich sehen lassen kann.
Zwar ist die Teuerungsrate nach wie vor viel zu hoch. Gleichwohl müssen sich die Währungshüter die Frage stellen, wann sie mit ihren Zinserhöhungen an die Grenzen des Machbaren stoßen. Einwirken kann die Geldpolitik nämlich nur auf die nachfrageseitige Komponente der Inflation, indem sie eine dämpfende Wirkung auf den Privatkonsum und die Investitionstätigkeit entfaltet. Auf hohe Energiepreise sowie die Folgen von Lieferkettenstörungen haben Powell und Co. hingegen keinen Einfluss.
Unterdessen lauert die Gefahr einer Rezession, die unter anderem als Folge der Kursverschärfung durch die Fed weiter gestiegen ist. Dieses Risiko im Auge zu behalten ist wichtig, und so gesehen tun die Währungshüter nun das Richtige, wenn sie moderater vorgehen und den Fuß vom Gas nehmen. Sobald der Zinszyklus abgeschlossen ist, dürfte der Leitzins nämlich ohnehin bei mindestens 5% liegen. Zu hoffen ist, dass das ausreichen wird, um die Inflation weiter einzudämmen, ohne aber einen tiefen Konjunktureinbruch auszulösen.