Tokio

Ekelerregende „Sushi-Terroristen“

Drei böswillige Scherzkekse haben es mit Videos geschafft, einem ganzen Land den Spaß am Besuch von Kaitenzushi-Lokalen zu verderben.

Ekelerregende „Sushi-Terroristen“

Der Besuch von Sushi-Restaurants, in denen die an der Theke sitzenden Gäste sich einzelne Happen auf Tellerchen direkt von einem langsam laufenden Fließband nehmen, zählte bisher zu den Pflichtterminen für Japan-Besucher. Aber das sorglose Vergnügen dieser Kaitenzushi-Lokale ist vorerst vorbei. Choshimaru, eine Kette mit 63 Filialen im Raum Tokio, stellte ihr System gerade um. Fortan bestellen die Kunden entweder bei einem Mitarbeiter oder über einen Tablet-Computer. Damit reagierte die Kette auf einen „Sushi-Terroristen“, der eine Zigarettenkippe in einen vorbeifahrenden Behälter mit eingelegtem Ingwer gesteckt und ein Video davon verbreitet hatte. Den Ingwer essen die Kunden zwischendurch, um den Fischgeschmack zu neutralisieren.

Mit „Sushi-Terrorismus“ bezeichnen die Japaner das Phänomen, dass böswillige Scherzkekse den Kunden dieser Restaurants den Appetit auf die leckeren Reishappen mit Fisch und Gemüse durch Ekelaktionen verderben wollen. Es begann Anfang Februar mit einem viralen Video, das einen Teenager zeigte, der die Öffnung einer Sojasoßenflasche auf dem Tisch und die am Platz gestapelten Tassen für kostenlosen Tee anleckte. Bald verbreiteten sich Videos von Nachahmern, die den vorbeifahrenden Fisch mit frisch abgeleckten Fingern berührten, darauf scharfen Wasabi-Meerrettich strichen oder mit Desinfektionsmittel besprühten.

Seitdem versuchen diese Kettenrestaurants mit einem landesweiten Jahresumsatz von 5 Mrd. Euro, das Vertrauen der Kunden durch eine verbesserte Hygiene zurückzugewinnen. Denn die Zahl der Besucher ging merklich zurück, die Aktien von Branchenführer Sushiro brachen ein. Zunächst stellten einige Ketten jedem Gast die Behälter mit Sojasoße, Gewürzen und Ingwer auf den Tisch, um die Furcht zu lindern, der Vor­gänger hätte damit Schabernack getrieben. Sushiro richtete eine „Expressspur“ für Bestellungen per Touchscreen ein, damit andere Gäste das Essen nicht manipulieren können. Schließlich schalteten viele Kettenlokale das rotierende Fließband ganz ab, obwohl es die eigentliche Attraktion ausmacht. Falls sich die Aufregung nach einiger Zeit gelegt haben sollte, wollen die Betreiber die Bänder wohl wieder starten.

Jedoch lösten sie zunächst eine Welle von schlaumeiernden Online-Kommentaren aus, die die naheliegende Frage stellten, ob aus den Fließband-Sushi-Lokalen nun nicht ganz gewöhnliche Sushi-Restaurants geworden seien, da sie ihr Alleinstellungsmerkmal verloren hätten. Auch die Kette Kura Sushi erkannte dieses Dilemma und kündigte an, die an dem Band sitzenden Gäste künftig mit Kameras zu überwachen, deren Bilder mit künstlicher Intelligenz ausgewertet würden. Die Software kann laut Angaben von Kura Sushi ein „ungewöhnliches“ Verhalten von Kunden erkennen, zum Beispiel wenn ein vom Band genommener Teller plötzlich wieder zurückgestellt wird. „Diese Krise trifft nicht nur unsere Lokale, sondern die gesamte Sushi-Branche“, erklärte der Sprecher der Kette, Hiroyuki Okamoto. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz werde die Gäste beruhigen, auch wenn dies bedeute, dass sie effektiv überwacht würden, meinte er.

Auch andere Billigrestaurants ergreifen aus Sorge vor Kundenverlusten vorbeugende Maßnahmen. Gyoza no Ohsho, eine beliebte Kette chinesischer Restaurants, stellt Sojasoße und Gewürze nur noch auf Wunsch der Gäste auf den Tisch, die Nudelsuppen-Kette Ichiran entfernte gestapelte Gläser für kostenloses Wasser von Theken und Tischen. Die konservative Tageszeitung „Yomiuri“ fasste die Entwicklung so zusammen: „Der Ärger, der von einer kleinen Anzahl gedankenloser Individuen geschürt wird, verändert die Art und Weise, wie die Menschen in Restaurants im ganzen Land preisgünstige und beliebte Gerichte essen.“

Die verbreitete Verunsicherung der Gäste rief schließlich auch noch die Polizei auf den Plan. Am vergangenen Donnerstag nahm sie drei Verdächtige fest, die das erste Video ins Netz gestellt haben sollen. Es handelt sich um zwei 19 und 21 Jahre alte Männer sowie ein 15-jähriges Mädchen. Bei einer Verurteilung wegen „Geschäftsstörung“ drohen zumindest den Volljährigen bis zu drei Jahre Haft.

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