Ende mit Schrecken
Die britische Premierministerin Liz Truss hat ein Ende mit Schrecken dem Schrecken ohne Ende vorgezogen. Als sie ihren Rücktritt verkündete, betonte sie zwar, dass ihr die Parteimitglieder ein Mandat erteilt hätten. Doch das interessierte ihre Gegner in der Unterhausfraktion wenig. Die meisten hätten lieber Rishi Sunak an ihrer Stelle gesehen. Truss hatte nie den Rückhalt, den sie gebraucht hätte, um ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen durchzusetzen. Diese waren keinesfalls radikal. Sie entsprachen dem, was vor wenigen Jahren unter Konservativen üblich war: niedrige Steuern, weniger Regulierung und ein Rückbau des Staatsapparats. Truss verkaufte all diese Ideen aber sehr ungeschickt. Die Streichung des Spitzensteuersatzes war in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten eine Provokation. Zudem sind die Erwartungen der Bevölkerung an den Staat nicht erst seit Ausbruch der Pandemie gestiegen. Mit der Herangehensweise von Margaret Thatcher oder Ronald Reagan lassen sich Wahlen einfach nicht mehr gewinnen. Aber „Trussonomics“ war ohnehin nur eine Comedy-Version von Reaganomics.
Als nach der Vorstellung des Wachstumsplans Ende September das Pfund absackte und die Renditen britischer Staatsanleihen in die Höhe schossen, war klar, dass Truss’ Tage gezählt sind. Ihr Schatzkanzler Kwasi Kwarteng, der nur getan hatte, was ihm aufgetragen worden war, musste als menschlicher Schutzschild herhalten. Truss vermochte es jedoch nicht, die so gewonnene Zeit zu ihrem Vorteil zu nutzen. Kwarteng durch den erfahrenen Jeremy Hunt zu ersetzen, um andere Strömungen der Partei mit ins Boot zu holen, war ein arger Schnitzer. Denn plötzlich war ein neuer Kapitän an Bord, der auch noch viel beliebter in der Fraktion ist. Politisch gehört Hunt zur Mitte der Partei. Innenministerin Suella Braverman wurde kurz darauf geschasst. Sie ging aber nicht ohne darauf hinzuweisen, dass, wer Fehler gemacht habe, Konsequenzen ziehen müsse. Braverman wurde prompt durch Grant Shapps ersetzt, einen weiteren Mann aus dem Zentrum. Um die angeschlagene Premierministerin begann damit ein Kabinett Formen anzunehmen, das Rishi Sunak zusammengestellt haben könnte.
Ihr Rücktritt zeugt davon, dass sie noch über ein klein wenig politischen Instinkt verfügt. Für die Tories wäre es günstiger gewesen, wenn sie noch ein paar Monate im Amt geblieben wäre. Hätte sie an ihrem Amt festgehalten, wären ihr die ganzen sozialen Grausamkeiten zugeschrieben worden, mit denen Hunt die Finanzmärkte gnädig stimmen will. Man darf gespannt sein, wer zu diesem Zeitpunkt ihre Nachfolge antreten will. Schlauer wäre es für die Regierungspartei, den Weg zu Neuwahlen freizumachen und Labour die Aufräumarbeiten erledigen zu lassen. Danach wäre ein Comeback mit Sicherheit einfacher.