Fast Food vor Strategiewende
Von Alex Wehnert, New York
Die US-Fast-Food-Konzerne bereiten sich auf anhaltende Veränderungen im Konsumentenverhalten vor – ihre Ergebnisse zum Schlussquartal 2022 zeichnen derweil ein gemischtes Bild für die Branche. So enttäuschte Chipotle Mexican Grill mit dem am Dienstag nach Börsenschluss vorgelegten Zahlenwerk die Markterwartungen.
Zwar stieg der Absatz auf vergleichbarer Verkaufsfläche gegenüber dem Vorjahr um 5,6%, während der Überschuss gar um fast 68% auf 223,7 Mill. Dollar kletterte. Doch der um Einmaleffekte bereinigte Gewinn pro Aktie lag mit 8,29 Dollar deutlich unter den Prognosen der Analysten, die laut dem Datenanbieter Factset im Konsens 8,91 Dollar vorhergesagt hatten. Entsprechend gab die Aktie nach Handelseröffnung an der Wall Street am Donnerstag zeitweise um mehr als 3,5% nach.
Chipotle führte steigende Personalkosten zur Begründung für die enttäuschende Entwicklung an: Insbesondere Anstiege der Krankengeldzahlungen und Ausgaben für Arztrechnungen von Mitarbeitern hätten die Gewinne belastet. Dies gibt Anlegern deshalb zu denken, weil das Unternehmen erst Ende Januar angekündigt hatte, in den USA 15000 neue Mitarbeiter einstellen zu wollen, um die steigende Nachfrage während der „Burrito-Saison“ bewältigen zu können – zwischen März und Mai wirken sich verbessertes Wetter und längere Tage üblicherweise positiv auf den Absatz der Fast-Food-Kette aus.
Dagegen lieferte die Feiertagssaison zuletzt nicht den üblichen Schwung für Chipotle. Die hohe Inflation, die Zinserhöhungen der Federal Reserve in Reaktion darauf sowie anhaltende Konjunktursorgen führten im Dezember zu einem Rückgang der Verkäufe im Einzelhandel. Dass weniger Adventsshopper unterwegs gewesen seien, habe wohl auch die Zahl der potenziellen Restaurantgäste gedrückt, unterstrich das Chipotle-Management.
Aus Investorensicht fallen die Zahlen zusätzlich ernüchternd aus, weil die Konkurrenz sich robust hält. McDonald’s übertraf mit seiner Gewinnsteigerung im Schlussquartal zuletzt die Erwartungen, und auch die am Donnerstag vorgelegten Zahlen von Yum Brands fielen besser aus als von Analysten prognostiziert. Der bereinigte Gewinn der Muttergesellschaft von Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut und Taco Bell lag im Schlussquartal mit 1,31 Dollar pro Aktie 29% über dem Vorjahreswert, die Konsensprognose hatte auf 1,26 Dollar gelautet.
Mit Taco Bell erwies sich dabei ausgerechnet eine Unternehmenstochter erneut als Zugpferd, die wie Chipotle auf mexikanische Gerichte spezialisiert ist. Mit ihrer Absatzsteigerung von 11% auf vergleichbarer Verkaufsfläche überraschte sie gegenüber der Konsensprognose von 6,7% klar positiv.
Taco Bell zählt zu den Restaurantketten, die sich auf einen strategischen Schwenk vorbereiten. Die Yum-Tochter prüft derzeit ein Restaurantdesign, in dem statt der üblichen zwei gleich vier Drive-in-Spuren verfügbar sind. Radikaler geht McDonald’s vor: Die nach Marktkapitalisierung wertvollste Fast-Food-Kette der Welt hat außerhalb der texanischen Großstadt Fort Worth eine Filiale eröffnet, in der keine Tische oder Sitzplätze für Kunden mehr vorhanden sind. Stattdessen erhalten Kunden, die vorbestellen, ihre Burger und Pommes frites über ein Förderband. Und auch Chipotle bietet in einem Restaurant in Ohio keine Sitzplätze mehr an, alle Bestellungen in der Filiale laufen digital.
Die Fast-Food-Unternehmen stellen sich mit diesen Schritten darauf ein, dass der zu Hochzeiten der Corona-Pandemie beschleunigte To-go-Trend anhält. Lag der Anteil der Liefer- und Drive-in-Bestellungen am Gesamtabsatz der US-Schnellrestaurants 2019 laut dem Marktforschungsunternehmen NPD Group noch bei 76,6%, sei er 2020 auf 90% in die Höhe geschnellt. Im vergangenen Jahr habe er immerhin noch bei 85% gelegen. Bei klassischen Full-Service-Restaurants zeige sich eine ähnliche Entwicklung: Mit 33,2% habe der To-go-Anteil den Vor-Pandemie-Wert von 19,3% zuletzt ebenfalls deutlich übertroffen.
Selbst die Kaffeekette Starbucks, die sich lange selbst als Entspannungsort für Kunden definierte, will über die kommenden drei Jahre 400 US-Filialen eröffnen, die nur einen Liefer- oder Abholservice anbieten. Amerikanische Fast-Food- und Franchise-Unternehmen übertragen Trends aus dem Heimatmarkt häufig mit gewisser zeitlicher Verzögerung auf ihr internationales Geschäft. Allerdings nehmen beispielsweise deutsche Kunden Drive-in-Angebote in der Regel weitaus weniger stark wahr als US-Konsumenten.
Analysten sehen indes das Risiko, dass die Restaurantketten auch im Heimatmarkt durch eine zu ungastliche Atmosphäre Kunden vergraulen, die ohnehin schon wegen inflationsbedingt gestiegener Menüpreise verärgert sind. Dies werde insbesondere dann problematisch, wenn sich der To-go-Trend so wie weitere Entwicklungen aus Pandemiezeiten doch noch als flüchtig herausstellen sollte.