Volkskongress

Feuertaufe in Peking

Chinas neuer Premier Li Qiang ist bei seinem ersten Auftritt überraschend gut weggekommen.

Feuertaufe in Peking

Während der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank jede Menge Sorgenfalten auf die westliche Anlegerstirn zaubert, haben sich die Mienen der Finanzmarktakteure in China deutlich aufgehellt. Zum einen, weil die Bankpleite möglicherweise eine etwas gelockerte Haltung der US-Notenbank erfordert, was auch monetäre Spielräume in China eröffnet. Zum anderen, weil zum Abschluss des chinesischen Volkskongresses der neu antretende Premierminister Li Qiang eine weniger rigide öffentliche Vorstellung als befürchtet hingelegt hat.

Um es gleich vorwegzunehmen: Chinas neuer Regierungschef hat weder konjunkturpolitische Initiativen zu erkennen gegeben, die Börsianerherzen höher schlagen lassen könnten, noch hat er Lösungen oder Reformvorschläge für allfällige strukturelle Probleme der von exzessiver Pandemiekontrolle geschwächten Wirtschaft ventiliert. Ihm ist es aber gelungen den Eindruck zu vermitteln, dass er als Premier wieder wirtschaftspolitische Vernunft walten lassen darf, ohne bei dem Parteiführer und Präsidenten Xi Jinping anzuecken.

In den vergangenen fünf Jahren ist es zu einer immer weiter führenden Entmachtung des nun abgetretenen Premiers Li Keqiang und damit auch zu einer Verwässerung der Wirtschaftsverantwortung gekommen, die eigentlich beim Regierungschef liegt. Dies hat sich in der Pandemiezeit besonders fatal ausgewirkt, weil mit der von Xi diktierten ideologischen Linie in Sachen Null-Covid-Politik die pragmatischen Versuche des alten Li, die Wirtschaft über Wasser zu halten, de facto sabotiert wurden.

Der neue Li war auf seinem vorherigen Posten als Parteichef der Provinz Schanghai gewollt oder ungewollt Oberaufseher des zweimonatigen Lockdowns der Wirtschaftskapitale, dessen verheerende Folgen den Irrweg der Null-Covid-Politik erst richtig deutlich gemacht haben. Das hat ihm für die neue Aufgabe als Premier nicht gerade einen Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung und bei den Marktteilnehmern eingebracht. Als jahrzehntelanger und treu ergebener Weggefährte von Xi hat er auf der einen Seite den Ruf weg, ein bloßer Handlanger zu sein. Auf der anderen Seite aber genießt er das Vertrauen und damit auch das Ohr des quasi allmächtigen Präsidenten. Das gibt ihm de facto wesentlich mehr Freiheiten, einen pragmatischen wirtschaftspolitischen Kurs zu fahren und abseits des ideologischen und geopolitischen Gepolters auf die Bedürfnisse privater Unternehmen und ausländischer Investoren einzugehen, ohne sich verdächtig zu machen.

Bestes Beispiel dafür sind Lis treuherzige Bekundungen vom Montag, dass er aus seinem engen Kontakt mit US-Konzernen in der Zeit als Schanghai-Provinzchef weiß, wie wichtig es ist, dass China und die USA miteinander kooperieren. Er darf also einen konzilianten Ton anschlagen, nachdem Xi und der neue Außenminister Qin Gang wenige Tage zuvor auf dem Volkskongress die USA mit einer so noch nie da gewesenen rhetorischen Aggressivität angegangen haben. Ob der neue Li der richtige Mann ist, um Chinas Wirtschaft wieder besser aufzustellen, lässt sich beim besten Willen noch nicht sagen. Zumindest trägt er nicht zu neuerlicher atmosphärischer Vergiftung bei.

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