Fondsbranche zeigt sich trotz Börsenunruhe stark
Was für ein Sturz! Hatte die deutsche Fondsbranche im vergangenen Jahr noch einen Rekordabsatz erzielt, steht nun möglicherweise das erste negative Absatzjahr für Publikumsfonds seit der Eurokrise 2011 an. Von Aktienfonds für Europa über ETFs und defensive Mischfonds bis hin zu Euro-Rentenfonds und Geldmarktprodukten – aus etlichen Fondssegmenten flossen im dritten Quartal Milliardensummen ab, so dass über alle Publikumsfondssegmente hinweg ein Minus von 16,9 Mrd. Euro stehen blieb, wie der deutsche Fondsverband BVI unlängst berichtete. Auch in Europa und in den USA ist der Fondsabsatz unter Wasser. Aber obwohl die Zahlen mies aussehen, sind sie für die Branche gut verkraftbar.
Denn alarmierend sind die Abflüsse nicht. Das Geschäft ist prozyklisch: Im vergangenen Jahr kam parallel zum weltweiten Börsenaufschwung viel Geld herein, mit fallenden Kursen aber fließt naturgemäß viel ab. Investmentfonds sind kapitalmarktnahe Produkte, Anleger können nach Belieben Geld anlegen oder auch abziehen. Die Abflüsse sagen also viel aus über die aktuelle Börsenstimmung. Doch von einer Vertrauenskrise kann – anders als zur weltweiten Finanzkrise 2008 – keine Rede sein. Damals flossen allein im Oktober nach Daten der Bundesbank 5% aller Mittel aus deutschen Publikumsfonds ab. Speziell das Segment der Immobilienfonds stand damals vor dem Kollaps. Im laufenden Jahr sticht der September mit einem Abfluss von gerade einmal 0,2% hervor, und eine Systemkrise wie derzeit im Kryptomarkt ist im Fondssegment nicht in Sicht. Selbst zum Auftakt der Pandemie, im März 2020, floss relativ betrachtet mit 1% der Mittel viel weniger Geld ab als im Oktober 2008. Das Segment der Spezialfonds, womit institutionelle Investoren ihre langfristige Kapitalanlage steuern, steht im laufenden Turnus ebenfalls noch deutlich im Plus. Die Fondsbranche ist nicht aus Zucker.
Schwerer wiegt, dass ein langfristiger Treiber der globalen Aktienmärkte auch künftig wegfällt: Die Zeit der ultraexpansiven Geldpolitik ist vorbei. Über Jahrzehnte sind die Zinsen gefallen, was höhere Bewertungen von Aktien und anderen Sachwerten nach sich zog und somit auch kapitalmarktnahe Finanzprodukte stärkte. Nun aber dreht sich der Wind und klassische Sparangebote wie Tages- und Festgeld, Lebensversicherungen und Bausparverträge werden wieder attraktiver. Von Anfang 2010 bis Ende 2021 sind die deutschen Fondsvermögen um etwa das Zweieinhalbfache gestiegen – es ist zweifelhaft, ob ein ähnlich starker Zuwachs auch in den kommenden Jahren gelingt. Trotzdem bleibt die Vermögensverwaltung eine Wachstumsbranche. Aktienmärkte dürften auch künftig langfristig steigen, der Wohlstand nimmt weltweit zu. Ein Aufwärtspfad ist für die Branche auch künftig plausibel.
Wie stark die Fondsbranche trotz der Marktturbulenzen aufstellt ist, zeigt auch ein Blick auf die Erträge. Eigentlich sollten die Einnahmen deutlich fallen, weil mit sinkenden Vermögen die Basis für laufende Gebühren nachgibt und auch erfolgsabhängige Komponenten wegfallen. Doch in Deutschland schlagen sich die Gesellschaften gut: DWS, die Allianz mit ihren Fondstöchtern Pimco und Allianz Global Investors und die DekaBank melden für den laufenden Turnus bis Ende September sogar leicht steigende Erträge oder Provisionseinnahmen, lediglich Union Investment fiel nach jüngsten Zahlen bis zur Jahresmitte von hohem Niveau aus ab. Zwar steigen bei allen großen Häusern auch die Kosten spürbar, auf Gesamtjahressicht könnten die Erträge noch fallen. Insgesamt lässt die Ergebnisrechnung hier wie dort aber noch viel Luft. Die Geschäftszahlen illustrieren eine starke Stellung der Fondsbranche und weniger eine Börsenunruhe.
Auch die übrigen Probleme der Branche sind beherrschbar. Ein auf lange Sicht wachsender Marktanteil von ETFs und ein Schwund von Bankfilialen mögen das Geschäft mit klassischen Fonds einengen. Der rege Verkauf von Fondssparplänen belegt aber die noch immer starke Rolle des herkömmlichen Vertriebs. Der Aufstieg der nachhaltigen Kapitalanlage bringt – Stichwort Greenwashing – ein Reputationsrisiko mit sich, zugleich aber auch neue Verkaufsargumente. Ein größeres Problem ist die Inflation, die reale Einkommen der Sparer schmälert und damit auch den Spielraum für die Fondsanlage. Aber Inflation eignete sich stets auch als Argument für eine Geldanlage in Aktien und Sachwerte, wovon Fonds profitieren. Wie man es dreht und wendet – die Lage der Branche ist trotz Börsenunwetter in Ordnung. Und irgendwann scheint wieder die Sonne!