Kochboxen

Hellofresh ist der Konkurrenz enteilt

Nach dem Verkaufsboom während der Pandemie kämpfen die Kochboxenversender mit schwächerer Nachfrage und den Preissteigerungen für Lebensmittel und Energie. Die börsennotierten Player präsentieren sich in unterschiedlicher Verfassung.

Hellofresh ist der Konkurrenz enteilt

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Die Anbieter von Kochboxen sind wieder in der Normalität angekommen. Während der Hochphase der Corona-Pandemie hatten Restaurantschließungen, Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen und die Heimarbeit für beeindruckende Absatzzuwächse gesorgt. Diese Treiber sind nun weggefallen, abgesehen vom vermehrten Arbeiten im Homeoffice. Stattdessen zehren hohe Inflationsraten an der Kaufkraft der Kunden, und so mancher fragt sich, ob man tatsächlich einen Kochboxendienst braucht.

Auf der Kostenseite nimmt der Druck zu, weil die Preise für eingekaufte Lebensmittel stark gestiegen sind. Des Weiteren schlagen die Energiekosten auf die Ergebnisrechnung durch. Dabei haben manche Player schon während des Pandemie-Booms operativ kaum Geld verdient oder sogar rote Zahlen geschrieben.

Kochboxenversender stellen die Zutaten, die für die Zubereitung eines Gerichts benötigt werden, in abgemessenen Mengen in einem Paket zusammen. Kochen muss der Kunde selbst – das Rezept liegt der Schachtel bei. Diese Art der Verpflegung adressiert vor allem städtische Millennials mit höheren Einkommen. Die Geschäftsidee stammt aus Schweden. Dort wurden Mealkits erstmals 2007 angeboten.

Der Charme der Lebensmittelschachteln besteht darin, dass man sich das Einkaufen spart. Außerdem reklamiert die Branche für sich, dass weniger Nahrungsmittel weggeworfen würden.

Ein Großer, mehrere Kleine

Die in Berlin ansässige Hellofresh hat ihre Vormachtstellung in Bezug auf Größe und Ertragskraft gefestigt. Das im November 2011 gegründete Unternehmen, das für ein Jahr sogar dem auf 40 Aktien erweiterten Börsen-Leitindex Dax angehörte, kam in den ersten neun Monaten 2022 auf 5,73 Mrd. Euro Umsatz und stellt für das Gesamtjahr auf währungsbereinigter Basis zwischen 18% und 23% Wachstum in Aussicht. Analysten veranschlagen den Jahresumsatz auf knapp 7,7 Mrd. Euro. Gemessen daran sehen börsennotierte Wettbewerber wie Blue Apron, Marley Spoon und LMK Group wie Zwerge aus.

Auch beim Ertrag hat Hellofresh die Nase vorn. Das Management stellt für 2022 ein um Sondereinflüsse bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) zwischen 460 Mill. und 530 Mill. Euro in Aussicht. Allerdings steht auch bei Hellofresh die Marge unter Druck. Die operative Umsatzrendite dürfte im vergangenen Jahr nur halb so hoch ausgefallen sein wie zwei Jahre vorher, als 13,5% erreicht wurden. Den Jahresbericht 2022 will Hellofresh am 7. März präsentieren. Der Konzern steckt nun mehr Geld in Marketing und Werbung, um neue Kunden zu gewinnen und bestehende zu halten.

Der mit Abstand wichtigste Markt für Hellofresh ist die USA. Dort ist der Wettbewerber Blue Apron zu Hause, der mit chronisch hohen Verlusten und akuter Finanznot kämpft. Blue Apron, die wie Hellofresh im Jahr 2017 an die Börse ging, hat einen dramatischen Niedergang hinter sich.

Die Börsenkapitalisierung ist auf mickrige 38 Mill. Dollar kollabiert. Inzwischen notiert die Aktie sogar meist unter 1 Dollar. Kurz vor Weihnachten hat die Börse New York schriftlich moniert, dass die Standards für ein Listing – Mindestkurs von 1 Dollar und mindestens 50 Mill. Dollar Börsenwert – verletzt werden. Für Blue Apron läuft nun die Uhr, um ein Delisting abzuwenden.

Im Dezember kündigte das Unternehmen an, ein Zehntel der Mitarbeiter abzubauen und die Ausgaben im laufenden Jahr um bis zu 50 Mill. Dollar im Vergleich zu 2022 senken. In den ersten neun Monaten 2022 kam Blue Apron auf 351,7 Mill. Dollar Umsatz, 3% weniger als im Vorjahreszeitraum.

In Europa konkurriert Hellofresh mit Marley Spoon und LMK Group, die aktuell mehr oder minder an der Nulllinie operieren. Nachdem Marley Spoon im dritten Quartal 2022 noch einen kleinen Verlust einfuhr, wird für das vierte Quartal ein positives Operating Ebitda zwischen 2 Mill. und 4 Mill. Euro in Aussicht gestellt. Näheres dazu will das Management am 30. Januar berichten.

Nach neun Monaten standen 13,7 Mill. Euro Verlust in den Büchern, halb so viel wie im Vorjahreszeitraum. Gemessen am Umsatz von 311,8 Mill. Euro – ein Anstieg um 31% zum Vorjahr – lag die Verlustrate bei 4,4%.

Von Berlin nach Australien

Wie Hellofresh ist Marley Spoon in Berlin zuhause und stammt ebenfalls aus dem Stall des Start-up-Finanzierers Rocket Internet. Auch ist das 2014 gegründete Unternehmen an der Börse präsent, allerdings in Australien. Mitgründer und CEO Fabian Siegel war als Co-CEO gut zwei Jahre in den Aufbau des Essenslieferdienstes Delivery Hero involviert. Die Wahl des fernen Australien als Börsenplatz begründete Siegel mit der Attraktivität des dortigen E-Commerce-Markts und der damals fehlenden Unternehmensgröße für die Frankfurter Börse.

Neben Australien ist Marley Spoon in den USA und Europa – hier in Deutschland, Österreich, Belgien, Niederlande, Dänemark und Schweden – unterwegs. Schwach präsentiert sich derzeit das Europageschäft. Die Marge dieser Region wird mit „poor“ beschrieben. Es sei ein Turnaround-Plan erstellt worden, zudem wurden Manager ausgetauscht.

Als Marktführer in Skandinavien sieht sich die LMK Group, die 2008 gegründet wurde. Das kleine Unternehmen aus Schweden, das mit den Marken Linas Matkasse, Godtlevert, Adams Matkasse and Retnemt am Markt operiert, ging im März 2021 an die Börse. Die Gruppe sei einer der wenigen Mealkit-Player, die vor der Pandemie profitabel gewesen seien, hieß es damals.

Doch für Investoren entpuppte sich das IPO als Fiasko: Die Aktie stürzte von etwa 80 auf 6 skr ab. Im vergangenen Jahr schrumpfte der Umsatz um 22% auf 1,08 Mrd. skr, umgerechnet 97 Mill. Euro. Die Zahl der aktiven Kunden brach binnen eines Jahres um 30% ein. In den ersten neun Monaten 2022 bewegte sich das adjustierte Ebitda an der Nulllinie, nachdem im Vorjahreszeitraum noch ein Ertrag von 7,3% des Umsatzes erwirtschaftet wurde.

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