Kluge Charmeoffensive
Dass die Bundesregierung Deutschland angesichts des sich zum Arbeitskräftemangel auswachsenden Fachkräfteengpasses als Einwanderungsland attraktiver machen will, ist ein richtiger Schritt. Die Maßnahmen, die die Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes vorsieht, sind klug, setzen sie doch dort an, wo Unternehmen derzeit die größten Probleme beklagen: an der Bürokratie.
Wo die langsamen Mühlen der Behörden die Zuwanderung in den Jobmarkt bislang erschwerten, soll künftig vieles einfacher werden. Die Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen etwa kann nach der Einreise erfolgen. Auch soll der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für junge Menschen in der Lehre oder im Studium geöffnet werden. Junge Menschen, die Deutschland angesichts seiner überalterten Bevölkerung dringend braucht, um seinen Wohlstand zu wahren.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach am Mittwoch von einer „Ertüchtigung der Unternehmen“. Normalzustand sollte ihm zufolge sein, dass deutsche Arbeitgeber und Personaler überall – und damit auch im Ausland – nach geeignetem Personal suchen und dieses dann auch nach Deutschland holen können. Und das, ohne an der Bürokratie zu verzweifeln, wie es derzeit häufig der Fall wäre.
Richtig ist auch, dass die vier beteiligten Ministerien betonten, „alle Register“ ziehen zu wollen, um das vorhandene Arbeitskräftepotenzial im Inland zu heben. Ob das Bürgergeld wie von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angeregt dazu einen entscheidenden Beitrag leisten kann, bleibt dahingestellt. Über Weiterbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen und flexiblere Arbeitszeiten sollen gerade Frauen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Viele von ihnen, die in der Teilzeit stecken, würden gerne mehr arbeiten. Das kann jedoch nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen – allen voran eine umfassend gewährleistete Kinderbetreuung – stimmen.
Gelingen kann die Reform des Einwanderungsrechts außerdem nur dann, wenn sich die Mentalität an die ökonomische Realität anpasst. „Wir brauchen einen anderen Geist“, sagte Heil bei der Vorstellung des Papiers. „Es geht nicht um Abwehr, sondern um Einladung.“ Die mäßigen Erfahrungen aus der großen Flüchtlingswelle von 2015 dürften den Minister ebenso zu dieser Aussage verleitet haben wie die jüngsten – mindestens fragwürdigen – Äußerungen aus der politischen Opposition. Friedrich Merz sprach von der Gefahr der Einwanderung in die Sozialsysteme und einer „Entwertung des deutschen Passes“ . Dabei dürfte auch dem CDU-Fraktionsvorsitzenden klar sein, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund des demografischen Wandels auf Zuwanderung angewiesen ist. Ebenso dürfte ihm bewusst sein, dass sich der Wert eines Passes nicht daran bemisst, wie schwierig es ist, ihn zu bekommen. Sondern daran, was das Land, das ihn ausstellt, zu bieten hat.
Das dürfte letztlich der Punkt sein, der darüber entscheidet, ob die Zuwanderung eine Lösung für den Fachkräftemangel sein kann. Denn um es in Anlehnung an Max Frisch zu sagen: Es kommen nicht nur Arbeiter, es kommen Menschen. Und sie wollen in Deutschland nicht nur arbeiten, sondern auch leben.