Linde-Aktionäre für Rückzug aus dem Dax
jh München
Die Aktionäre von Linde haben am Mittwoch in einer außerordentlichen Hauptversammlung mit großer Mehrheit für den Rückzug von der Frankfurter Börse gestimmt. 93% der Anteile votierten dafür, wie der Konzern am späten Nachmittag bekannt gab. Erforderlich war eine Quote von 75%. Damit verliert der Deutsche Aktienindex Dax demnächst sein am höchsten bewertetes Mitglied mit einer Marktkapitalisierung von rund 150 Mrd. Euro. Linde liegt klar vor dem Softwarekonzern SAP, der mit 127 Mrd. Euro an zweiter Stelle folgt. Voraussichtlich von Anfang März an werden die Aktien des amerikanisch-deutschen Industriegasekonzerns und Weltmarktführers nur noch an der Börse in New York notiert sein.
Die Kritik deutscher Fondsgesellschaften in den vergangenen Monaten an dem Vorhaben blieb ohne entscheidende Wirkung und deren Hoffnung, Linde werde die Dreiviertelmehrheit verfehlen, wurde enttäuscht. Union Investment, Deka und DWS hatten einen Rückzug von der Frankfurt Börse vorab als Schwächung des Finanzplatzes bezeichnet (vgl. BZ vom 10. Januar).
Nach Schätzungen sind etwa drei Viertel der Aktien von Linde im Besitz von angloamerikanischen Investoren. Der US-amerikanische Stimmrechtsberater ISS, der zur Deutschen Börse gehört, hatte empfohlen, für den Vorschlag des Vorstands und Verwaltungsrats von Linde zu stimmen. Deren Argumente sind aus Sicht von ISS überzeugend.
„Dauerhafter Verkaufsdruck“
Nur noch in New York notiert zu sein, sei „im besten Interesse“ von Linde und der Aktionäre, behauptet der Konzern. Seit Bekanntgabe des Plans Ende Oktober 2022 begründet er das Verlassen der Frankfurter Börse an erster Stelle mit der Kappungsgrenze von 10%, die für das Gewicht der einzelnen Dax-Werte gilt. Linde habe in den vergangenen elf von zwölf Quartalen dieses Limit erreicht, heißt es in einem Schreiben zur Hauptversammlung an die Aktionäre. Fonds, die den Dax abbildeten, hätten dann Linde-Aktien verkaufen müssen. „Dieser technisch bedingte Verkaufsdruck ist dauerhaft.“ Zudem erhofft sich das Management von der künftig alleinigen Notierung in New York weniger Kosten, Aufwand und Komplexität aufgrund der Regulatorik an zwei Börsenplätzen.
Drittens verspricht sich Linde vom Rückzug aus Frankfurt, die „internationale Präsenz“ stärker zu betonen. So werde der falsche Eindruck vermieden, das Geschäft sei zu stark auf den deutschen Markt ausgerichtet. Linde sei in mehr als 80 Ländern tätig. Der Umsatz einzelner Märkte erreiche maximal einen einstelligen Anteil am Konzernerlös. Ausnahme seien die USA, wo Linde rund 30 % des Umsatzes erzielt.
Für den Abschied von der Deutschen Börse ist eine Neuorganisation in zwei Schritten erforderlich. Da der formale Hauptsitz von Linde in Irland ist, gilt das dortige Recht. Zunächst werden alle Aktien in Anteile einer neuen Linde getauscht. Anschließend würden die alte und die neue Gesellschaft zur neuen Linde fusioniert, kündigt der Konzern an. Wenn dieser Schritt vollzogen werde, werde die Notierung der Aktien an der Frankfurter Börse automatisch und sofort eingestellt. Das erwartet Linde für Anfang März. Die Aktien der neuen Linde werden gemäß dem Plan vom 2. März an nur in New York notiert sein.
Gerichtstermine in Irland
Am Mittwoch entschieden die Aktionäre zunächst in einer gerichtlich angeordneten Versammlung über das sogenannte Scheme of Arrangement, die Regelung der Neuorganisation. In der direkt anschließenden außerordentlichen Hauptversammlung stimmten sie darüber und über die Fusion zur neuen Linde ab und damit auch über das Ende der Börsennotierung in Deutschland. Die Aktionäre konnten ihr Votum im Internet, per Telefon oder E-Mail schon vorab übermitteln.
Vor dem für den 1. März erwarteten Rückzug von der Frankfurter Börse wird es in der Woche vom 20. Februar eine Anhörung zu der Fusion vor dem obersten Zivil- und Strafgericht der Republik Irland geben, später noch eine zweite. Es ist damit zu rechnen, dass es sich lediglich um Formalien handelt.