Frankreichs Sorgfaltspflichtgesetz

NGOs erhöhen den Druck auf französische Unternehmen

Frankreich war 2017 mit einem Gesetz zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen Vorreiter in Sachen nachhaltiger Beschaffung. Umweltschutzorganisationen haben so mehrere Konzerne verklagt. Das erste Urteil wird am 28. Februar erwartet.

NGOs erhöhen den Druck auf französische Unternehmen

Es ist ein Titel, auf den BNP Paribas mit Sicherheit gerne verzichtet hätte. Denn das größte Finanzinstitut Frankreichs ist die erste Bank der Welt, die Umweltschutzorganisationen vor Gericht stellen wollen, weil sie noch immer neue Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe und Unternehmen finanziert, die zur Abholzung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet beitragen. BNP verstoße da­durch gegen ein französisches Gesetz, das Unternehmen zur Sorgfaltspflicht im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltschutz anhalte, beklagen die Organisationen. Die Bank ist zwar die erste, gegen die Umweltschutzorganisationen deshalb juristisch vorgehen, jedoch längst nicht der einzige Konzern in Frankreich. So hat im Dezember in Paris ein Prozess gegen Total Energies stattgefunden, der erste seiner Art. Das Urteil wird am 28. Februar erwartet. Nichtregierungsorganisationen wollen auch den Nahrungsmittelkonzern Danone und andere Firmen vor Gericht stellen.

Grundlage für die Klagen ist ein auf der Welt wegweisendes Gesetz, das das französische Parlament 2017 als Folge des Einsturzes der Textilfabrik Rana Plaza verabschiedet hat, bei dem 2013 in Bangladesch über 1100 Menschen ums Leben gekommen sind. Das Gesetz verpflichtet Mutterkonzerne und andere Unternehmen, die als Auftraggeber fungieren, in ihren Jahresberichten über soziale und Umwelt-Risiken zu informieren und einen Plan zu veröffentlichen, wie sie ihnen vorbeugen wollen. Dabei geht es nicht nur um Risiken, die sie selbst eingehen, sondern auch ihre Tochtergesellschaften, Subunternehmen und Zulieferer, mit denen sie feste geschäftliche Beziehungen pflegen. Betroffen sind Unternehmen in Frankreich, die mindestens 5 000 Mitarbeiter in Frankreich oder 10 000 weltweit beschäftigen.

Nach der Verabschiedung des Gesetzes passierte zunächst einmal lange Zeit nicht viel, da unklar war, welche Gerichte für entsprechende Streitfälle zuständig sein sollten. Diese Frage wurde dann im Rahmen eines Ende 2021 verabschiedeten Gesetzes geregelt, das Justizminister Éric Dupond-Moretti initiiert hatte, um das Vertrauen in die Justiz zu stärken. Seitdem ist das Gericht von Paris, wie von NGOs gefordert, für Klagen gegen Unternehmen wegen der Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht zuständig und nicht das Handelsgericht.

Die Bundesrepublik zog 2021 mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nach. Es ist zu Beginn des Jahres in Kraft getreten. Die EU-Kommission hat ihrerseits Anfang letzten Jahres einen Entwurf für eine Lieferkettenrichtlinie vorgestellt, die darüber hinausgeht. Sie dürfte bis Ende 2025 in Kraft treten.

In Frankreich haben Umweltschutzverbände und Menschenrechtsorganisationen inzwischen gegen acht französische Konzerne geklagt, darunter Total Energies und BNP Paribas. Bereits 2020 hatten sie gegen EDF (Électricité de France) Klage eingereicht, da der Stromversorger in Mexiko auf dem Gebiet der Zapoteken einen Windkraftpark errichten wollte, ohne die Vertreter dieser mexikanischen Urbevölkerung vorher konsultiert und ausreichend informiert zu haben. Das Gericht von Paris lehnte die Klage aus verfahrensrechtlichen Gründen ab. Später annullierte die mexikanische Elektrizitätskommission die Verträge mit EDF.

Dem Einzelhandelskonzern Casino wiederum werfen NGOs wie Sherpa und Envol Vert vor, über seine südamerikanischen Tochtergesellschaften zur Abholzung des Regenwaldes beizutragen. Casino habe nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um Fleisch aus ihrem Angebot zu verbannen, das von Rindern stammt, die auf Gelände gezüchtet werden, für das Regenwald abgeholzt oder Urbevölkerungen Land abgenommen wurde, argumentieren sie. Ein Richter hatte letzten Sommer ein Vermittlungsverfahren vorgeschlagen, doch nach einer ersten Sitzung hatten die Kläger abgelehnt, so dass das Gericht nun über das weitere Vorgehen entscheiden muss.

Sherpa gehört auch zu den Organisationen, die gegen den Kosmetikhersteller Yves Rocher Klage eingereicht haben, da er seiner Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter einer türkischen Tochter nicht nachgekommen sei. Sie soll mehr als 100 Mitarbeiter entlassen haben, weil sie sich gewerkschaftlich organisiert haben. Danone wiederum bezichtigen Umweltschutzorganisationen wie die Surfrider Foundation, Zero Waste und Client Earth, mit ihren Plastikverpackungen zur Umweltverschmutzung beizutragen. Sie hatten den größten Joghurthersteller der Welt zunächst unter Verzug gesetzt. Doch die Antworten seien enttäuschend ausgefallen, sagt Antidia Citores von Surfrider Foundation. Danone habe 2021 sogar noch mehr Plastik produziert.

Auch BNP Paribas hatten Oxfam, Friends of the Earth und Notre Affaire à Tous im Oktober zunächst förmlich aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist die Finanzierung von Unternehmen zu stoppen, die neue Förderprojekte für Öl und Gas entwickeln. Die von der Börsenkapitalisierung her größte Bank der Eurozone hatte daraufhin Ende Januar − 48 Stunden vor Ablauf der Frist − versprochen, die Finanzierungen für die Förderung und Produktion von Öl bis 2030 im Vergleich zum September 2022 um 80 % zu reduzieren und von 5 auf 1 Mrd. Euro herunterzufahren. Sie hatte sich bereits zuvor das Ziel gesetzt, sie zwischen 2020 und 2025 um 25 % zu senken.

Die Kredite für die Förderung und Produktion von Gas wiederum, so BNP Ende Januar, würden bis 2030 um 30 % reduziert. Am Ende der neuen Beschleunigungsphase für den Energiewandel werde man 80 % des Wechsels der Finanzierungstätigkeiten hin zur Produktion von kohlenstoffarmer Energie abgeschlossen haben, erklärte die Bank. Sie hatte bereits 2019 versprochen, die Kohleindustrie in Europa bis 2030 nicht mehr zu finanzieren. Dieses Ziel hat sie 2020 auf alle Mitgliedsländer der OECD ausgedehnt. Doch Anfang Februar war BNP zusammen mit Citi­group und J.P. Morgan an einer Anleiheemission im Wert von 2,5 Mrd. Dollar für BP beteiligt. Die kurzfristig von BP geplanten Gas- und Ölprojekte werden laut einem Bericht der Umweltschutzorganisation Oil Change International so viel Treibhausgas freisetzen wie sechs neue Kohlekraftwerke während ihrer gesamten Lebensdauer. Das zeige, dass BNP entgegen allen Ankündigungen nicht vorhabe, den Kurs zu ändern, meint Lorette Philippot von Amis de la Terre France.

Entsprechend unzufrieden zeigten sich die Umweltschutzorganisationen mit der Antwort der Bank auf ihre Inverzugsetzung. „BNP Paribas hat nicht die aus Sicht der Wissenschaft dringlichste Maßnahme ergriffen: ihre finanzielle Unterstützung für die Ausbreitung fossiler Brennstoffe einzustellen“, begründen Oxfam, Friends of the Earth und Notre Affaire à Tous die von ihnen jetzt eingereichte Klage. Diese sei Bestandteil einer weltweiten Bewegung an Rechtsstreitigkeiten, mit deren Hilfe die wichtigsten Akteure des Klimachaos gezwungen werden sollten, rechtlich Verantwortung zu übernehmen. BNP sei der wichtigste Finanzierer der acht größten europäischen und nordamerikanischen Ölkonzerne und in Europa die Nummer 1 bei der Finanzierung von fossilen Brennstoffen.

„Der Finanzsektor hat eine enorme Verantwortung für unsere kollektive Fähigkeit, das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten zu können oder nicht“, sagt Justine Ripoll von Notre Affaire à Tous. „Dieser erste Klimarechtsstreit mit einer Ge­schäftsbank ist zweifelsohne der erste einer langen Serie überall in der Welt.“ Notre Affaire à Tous hat am 27. Februar zusammen mit Comissão Pastoral da Terra aus Brasilien eine zweite Klage gegen BNP eingereicht. Die beiden NGOs werfen der Bank vor, den Fleischkonzern Mafrig finanziert zu haben, dessen Zulieferer illegalerweise den Regenwald im Amazonas abholzten, sich geschütztes Land von Ureinwohnern aneigneten und auf Zwangsarbeit zurückgriffen. Das zuständige Gericht von Paris muss nun einen Kalender für den Prozess festlegen. Ein Verfahren könne Jahre dauern, heißt es in Paris.

Das zeigt der Prozess gegen Total Energies, dessen Urteil nun erwartet wird. Es wird das erste sein, das auf Basis des Gesetzes zur Sorgfaltspflicht in Frankreich gefällt wird. Amis de la Terre, Survie und vier NGOs aus Uganda hatten 2019 gegen den Ölkonzern geklagt. Sie werfen ihm vor, mit der in Uganda und Tansania geplanten beheizten Ölpipeline Eacop und vorgesehenen Bohrungen von 400 Ölbohrlöchern gegen seine Sorgfaltsprüfungspflicht verstoßen zu haben. Ein Drittel der Bohrlöcher ist auf dem Gebiet des Nationalparks Murchison Falls geplant. Gleichzeitig müssen dafür Zehntausende von Menschen enteignet werden. Nachdem sich der Prozess zunächst wegen Verfahrensfragen hingezogen hat, hat im Dezember die Verhandlung stattgefunden. Doch am Ende könnte ein enttäuschendes Ergebnis herauskommen, meinen Beobachter. So haben die Verteidiger von Total Energies in Frage gestellt, dass das von den NGOs beantragte Eilverfahren die geeignete Verfahrensform ist.

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