Nur medizinische Gase bremsen Linde
jh München
Linde steuert abermals auf ein Jahr mit einem klaren Gewinnanstieg zu. Der amerikanisch-deutsche Industriegasekonzern erhöhte nach dem Umsatz- und Ergebnisanstieg im dritten Quartal zum dritten Mal in diesem Jahr die Prognose für die maßgebliche Kennziffer des Unternehmens: Der Vorstand erwartet nun ein Ergebnis je Aktie von 11,93 bis 12,03 Dollar. Das wären 12 bis 13% mehr als im vergangenen Jahr, bereinigt um Währungseffekte bedeutete es eine Zunahme um 17 bis 18%.
Der Aktienmarkt hatte jedoch offenbar mit mehr gerechnet. Der Kurs von Linde reagierte am Donnerstag im Xetra-Handel auf die mittags veröffentlichten Zahlen zunächst mit einem Rückgang von 2,8% in der Spitze. Für das vierte Quartal stellte das Unternehmen ein Ergebnis je Aktie von 2,80 bis 2,90 Dollar in Aussicht. Der starke Dollar dämpft den erwarteten Anstieg um 8 Prozentpunkte auf 1 bis 5%.
Mit einer Marktkapitalisierung von rund 143 Mrd. Euro ist Linde das am höchsten bewertete Unternehmen im Dax. Der Konzern bereitet allerdings den Rückzug von der Frankfurter Börse vor und wäre dann nur noch in New York gelistet.
Die Ergebnisse des dritten Quartals unterstrichen die Widerstandsfähigkeit von Linde und die Wachstumschancen in jeder Konjunkturphase, sagte Sanjiv Lamba, seit März dieses Jahres Chief Executive Officer (CEO) von Linde. Auch über die Zukunft äußerte er sich optimistisch: „Ungeachtet der makroökonomischen Unsicherheiten bin ich zuversichtlich, dass wir mit unserem Geschäftsmodell und unserer Leistungskultur auch in den kommenden Jahren Wert für unsere Aktionäre schaffen werden.“
Weniger Erlös in Europa
Im dritten Quartal steigerte Linde den Umsatz um 15% auf knapp 8,8 Mrd. Dollar. Auf vergleichbarer Basis ergibt sich ein Plus von 11%. Dazu haben nach Angaben des Unternehmens eine größere Menge 3 Prozentpunkte und höhere Preise 8 Punkte beigetragen. Verglichen mit dem zweiten Quartal 2022 stiegen die Preise um 2%. Der Konzern berichtete, in allen Endmärkten mit Ausnahme der Gesundheitssparte sei das Geschäft gewachsen. In Europa sank der Absatz wegen der Schwäche medizinischer Gase sogar um 3%. Hier erhöhte Linde die Preise um 14%, etwa doppelt so kräftig wie in Amerika und Asien.
Air Liquide, der größte Konkurrent von Weltmarktführer Linde, hatte am Dienstag von einem noch stärkeren Umsatzanstieg von Juli bis September berichtet: Der Erlös nahm um gut 41 % auf 8,25 Mrd. Euro zu. Der französische Konzern profitierte wie Linde von einer hohen Nachfrage und erhöhten Preisen. Um Währungs- und Energiepreiseffekte bereinigt legte der Umsatz von Air Liquide um 8,3 % zu, also schwächer als der von Linde. Die anderen Zahlen hat Air Liquide noch nicht veröffentlicht.
Linde steigerte den bereinigten Nettogewinn um 9% auf 1,56 Mrd. Dollar und das Ergebnis je Aktie um 14% auf 3,10 Dollar. Bilanzierungseffekte des im Herbst 2018 vollzogenen Zusammenschlusses der Linde AG mit Praxair und Kosten für Effizienzprogramme sind in diesen bereinigten Zahlen nicht enthalten.
Das so ermittelte operative Ergebnis stieg um 11% auf 2,0 (i.V. 1,8) Mrd. Dollar. Da der Umsatz um 15% wuchs, verringerte sich die Marge auf 22,8 (23,6)%. Linde weist darauf hin, dass die Marge bereinigt um die Weitergabe von Kostensteigerungen um 0,9 Prozentpunkte zugenommen habe.
Abschied aus Frankfurt
Mehr als mit den Quartalszahlen fand Linde in dieser Woche Aufmerksamkeit wegen des Plans, die Frankfurter Börse und somit den Dax zu verlassen. Vorstandschef Lamba begründet die Entscheidung damit, dass die Beschränkungen der Börsen in Europa für das Gewicht einzelner Werte in Indizes die Bewertung der Aktie von Linde belasteten.
Lamba stört sich besonders an der Kappungsgrenze von 10% für einzelne Werte im Dax. Zudem bedeute das doppelte Listing zusätzliche Kosten und Aufwand. Die Aktionäre von Linde sollen im kommenden Frühjahr über den Vorschlag entscheiden, der Frankfurter Börse den Rücken zu kehren. Im März soll dann der Abschied folgen.