Industriepolitik

Puzzeln für Europas Wettbewerbsfähigkeit

Das Industriepaket fügt sich in einen groß angelegten Masterplan der EU-Kommission ein.

Puzzeln für Europas Wettbewerbsfähigkeit

Die EU-Kommission hat ihr groß angekündigtes Indus­triepaket noch gar nicht offiziell vorgestellt, schon arbeiten sich Wirtschaftsvertreter und Beobachter an publik gewordenen Einzelheiten ab. Es sei nicht damit getan, US-Subventionen „irgendwie zu spiegeln“, mahnt Thilo Brodtmann, der Chef des Maschinenbauverbands VDMA. Anderen kommt der Ausbau der Kapitalmarktunion zu kurz, weil sie befürchten, dass Wirtschaft und Politik finanziell am Ende auf dem Trockenen sitzen. Die ambitionierten Multimilliardenpläne für Europas Industrie wären dann Makulatur.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat einiges an Über­zeugungsarbeit vor sich, wenn sie an diesem Mittwoch den „Green Deal Industrial Plan“ lanciert. Der kommt im Wesentlichen als Antwort auf das US-Subventionspaket namens Inflation Reduction Act daher. Nach dem zu urteilen, was bislang bekannt ist, widersteht die EU-Kommission immerhin der Versuchung, dem „Buy American“ ein plumpes „Buy European“ entgegenzusetzen. Ansonsten gibt es unverkennbare Parallelen zum US-Pendant, wenn es beispielsweise um gezielte Steueranreize und andere Förderinstrumente geht.

Der Industrieplan fügt sich ein in eine Art Masterplan. In dessen Zentrum steht der klimafreundliche Umbau der europäischen Wirtschaft, ohne an internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Dafür setzt die EU-Kommission Puzzleteil für Puzzleteil das Bild einer Industriepolitik der neuen Generation zusammen.

Darin fügt sich der weit fortgeschrittene EU Chips Act ein, um die Versorgung mit Halbleitern auf dem Kontinent zu sichern. Ein ebenso wichtiges Puzzleteil ist der Raw Materials Act, mit dem die EU-Kommission in den letzten Zügen ist. In beiden Fällen – Chips wie Rohstoffe – geht es darum, Europa aus Abhängigkeiten zu befreien. Auch das entschlossenere Vorgehen gegen subventionierte Konkurrenten von außerhalb der EU fügt sich in das Bild einer aktiveren Industriepolitik.

Die Renaissance staatlicher Beihilfen fordert auch die Finanzpolitik heraus. Die Debatte über die Reform der Schuldenregeln in der EU läuft erst an. Die EU-Kommission ist auf eine investitionsfreundliche Ausgestaltung aus, wie Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni auf seiner Werbetour in Berlin unterstrichen hat. Soll heißen: Brüssel will bei Defizitberechnung und Schuldenabbau hier und da ein Auge zudrücken, wenn es dem Wachstum im Allgemeinen und klimafreundlichen Projekten im Speziellen dient. Spätestens beim EU-Gipfel im März kommt das auf die Tagesordnung.

Noch etwas ist Wirtschaftsvertretern von Maschinenbau bis Autoindustrie aus gutem Grund wichtig: Technologieoffenheit. Die EU-Kommission erweckt bisweilen den Eindruck, als kenne sie Gewinner und Verlierer der Klimawende, die ja im Wesentlichen eine Technologiewende ist, schon. So nimmt die Förderung von Wasserstoffprojekten eine herausgehobene Rolle ein. Auch Hersteller von Batterien, Solaranlagen und Windturbinen sind explizit angesprochen. Dafür mag es aus jetziger Sicht gute Gründe geben, doch eine allzu dirigistische Industriepolitik erweckt nun mal Argwohn. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat Gelegenheit, solche und andere Vorbehalte auszuräumen. Die sollte sie nutzen.

               (Börsen-Zeitung,

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