Schnabel eröffnet Debatte über künftige EZB-Bilanz
ms Frankfurt
Die aktuell extrem erhöhte EZB-Bilanz wird in den kommenden Jahren deutlich schrumpfen – aber nicht wieder auf die niedrigen Niveaus wie vor der Weltfinanzkrise. Das hat EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel bei einer Rede am Montagabend in New York gesagt. Laut Schnabel sollte die Bilanz in Zukunft auch nur so umfangreich sein wie nötig, um eine ausreichende Liquiditätsversorgung sicherzustellen. Bei der Steuerung der Kurzfristzinsen sympathisiert sie mit einem Regime wie bei der Bank of England, bei der die Banken entscheiden, wie viel Liquidität sie halten wollen.
Die Aussagen Schnabels geben einen Vorgeschmack auf die Debatte über den künftigen Rahmen zur Umsetzung der Geldpolitik, die in diesem Jahr geführt und abgeschlossen werden soll. Die Frage, wie groß die Zentralbankbilanzen in der Zukunft sein werden, ist weltweit heiß diskutiert. In den Krisenjahren hatte auch das Eurosystem aus der EZB und den nationalen Zentralbanken in großem Stil Anleihen gekauft und unbegrenzt Liquidität bereitgestellt. Die Bilanzsumme war auf knapp 9 Bill. Euro angewachsen. Derzeit liegt sie bei 7,8 Bill. Euro.
Schnabel sagte nun mit Verweis auf das Auslaufen umfangreicher Liquiditätshilfen wie die TLTROs und den begonnenen Abbau des Anleihebestands: „Unsere Bilanz wird in den kommenden Jahren voraussichtlich erheblich schrumpfen, wodurch sich die überschüssige Liquidität reduzieren wird.“ Zugleich betonte sie aber: „Der Umfang unserer Bilanz wird nicht wieder das Niveau von vor der globalen Finanzkrise erreichen.“ Vor der Weltfinanzkrise hatte die Bilanz bei oder unter 1 Bill. Euro gelegen.
Weiter sagte Schnabel: „Wir müssen im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft handeln, und das bedeutet, dass der Umfang unserer Bilanz auf die Dauer nur so groß sein sollte, wie es erforderlich ist, um eine ausreichende Liquiditätsversorgung zu gewährleisten und die kurzfristigen Zinssätze wirksam in Richtung eines Niveaus zu lenken, das mit der Preisstabilität auf mittlere Sicht vereinbar ist.“ Seit März reduziert die EZB ihren Anleihebestand parallel zu ihrer Zinswende.
Bei der Einschätzung des Liquiditätsbedarfs des Bankensystems warnte Schnabel vor der Gefahr, dass sich dieser fundamental verändert haben und folglich unterschätzt werden könnte – so wie in den USA im Jahr 2019. Für das künftige Liquiditätsregime sieht Schnabel zwei Alternativen: ein Regime großer Überschussreserven wie bei der US-Notenbank Fed oder ein nachfragegetriebenes Regime wie etwa bei der Bank of England. Letzteres Regime sei „besonders relevant für einen großen und heterogenen Währungsraum wie den Euroraum“. Während es Schutz vor potenziellen Fragmentierungsschocks bieten würde, könnte ein „vollständiges Anleihenportfolio“ auch eine Rolle spielen, um den strukturellen Liquiditätsbedarf in der Wirtschaft zu decken, sagte sie.