Tierparks

Tierisch ernste Zeiten für zoologische Gärten

Zoologische Gärten kommen bisher gut durch die Krisen. Vater Staat stützt diese Einrichtungen. Denn sie gelten in der Finanztheorie als besonders schützenswert und daher förderungswürdig.

Tierisch ernste Zeiten für zoologische Gärten

Zoologische Gärten sind beliebter denn je. In Krisenzeiten wie diesen sorgen Tierparks bei den Besuchern für Ablenkung. Das Freizeitvergnügen der Moderne, welches seinen Ursprung im 19. Jahrhundert hat, kann bei der Beobachtung von Tieren die Sorgen des Alltags für wenige Stunden vergessen lassen. Gemäß einer vom Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) in Berlin zitierten Forsa-Umfrage befürworten mehr als vier Fünftel der Bevölkerung Zoos in Deutschland. Der Artenschutz ist ein hohes sinnstiftendes Element.

Doch zwischen der wahrgenommenen Bedeutung in der Öffentlichkeit und der Wirklichkeit klafft derzeit eine Lücke. Der Kostenschub aufgrund einer hohen Inflation und die Folgen des Ukraine-Krieges machen auch den Tierparks zu schaffen. Die Versorgung der Tiere mit Futter und Streumittel sowie deren Betreuung wird wegen steigender Beschaffungskosten immer aufwendiger.

Energiekrise belastet stark

Die Materialkosten insbesondere für den Bezug von Wärme, Strom und Wasser gehen durch die Decke. Die Energiekrise hinterlässt in den Gehegen deutliche Spuren. Die in vielen Zoos zuletzt erhöhten Eintrittspreise und die sich erholenden Besucherzahlen können diesen Kostensprung kaum kompensieren. In diesem schwierigen Umfeld haben die Anlagen große Mühe, operativ schwarze Zahlen zu schreiben. Hinzu kommen notwendige hohe Investitionen für die Modernisierung der Innen- und Außenanlagen, um die artgerechte Haltung der Tiere zu verbessern. Der Spielraum für Einsparungen ist daher begrenzt. Das Ansetzen des Rotstifts kann die Probleme der Zoos nur zeitweilig lindern, aber nicht dauerhaft lösen.

Nach den einigermaßen überstandenen Pandemiejahren 2020 und 2021 stehen aufgrund einer bevorstehenden Rezession abermals schwierige Zeiten an. Möglicherweise wirkt sich die sinkende Konsumlaune negativ auf die Zoo-Besucherzahlen aus. Das wäre für die Adressen ein erneuter empfindlicher Rückschlag, liegen die zoologischen Gärten in Deutschland doch noch weit hinter den Rekordniveaus vor Ausbruch der Corona-Pandemie zurück. Die Top Five unter den über 70 Zoos im deutschsprachigen Raum (inklusive Österreich und Schweiz) mussten vor zwei Jahren Einbrüche in einer Spanne von 36% (Tierpark Hagenbeck in Hamburg) bis fast drei Viertel (Münchener Tierpark Hellabrunn) hinnehmen (vgl. Grafik). Die Kontaktbeschränkungen und monatelangen Zwangsschließungen der Betriebe für das Publikum waren ein Stresstest für die Häuser. Der Branchenprimus, der Zoologische Garten Berlin, verzeichnete seinerzeit bei einer Gesamtleistung von 27 Mill. Euro einen Nettoverlust von über 4Mill. Euro. In seinem dieser Tage im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluss berichtet der Tierpark Hagenbeck aus Hamburg im Prognosekapitel von einer „stark“ negativen Belastung fürs Ergebnis und für die Liquidität. Der Kölner Zoo machte im ersten Coronajahr über 2 Mill. Euro Miese bei einem um ein Viertel auf 14 Mill. Euro eingebrochenen Umsatz. Doch diese empfindlichen Dämpfer in den Geschäfts- und Erfolgszahlen machen die in Zooaktien investierten Kleinanleger nicht nervös. Die im Freiverkehr handelbaren Papiere des Berliner Zoos und des Tierparks Hellabrunn erwiesen sich als relativ wertstabil.

Hochpreisige Aktien

Vor Ausbruch der Pandemie pendelte der Anteilschein des Marktführers aus der Kapitale bei rund 9000 Euro. Zum Wochenschluss notierte der Titel an der Börse Berlin bei 8600 Euro. Damit gehört das Wertpapier des Berliner Zoos zu den teuersten Aktien in Europa. Der Titel des zweitgrößten deutschen Zoos war am Freitag an der Börse München 262 Euro wert. Anfang 2020 waren es knapp 300 Euro.

Für Schnäppchenjäger sind diese Titel somit ungeeignet. Auch institutionelle Investoren wie etwa Private-Equity-Fonds machen auf der Suche nach lukrativen Anlagen um Tierparks einen großen Bogen. Letzteres liegt vermutlich erstens an deren überschaubarem Margenpotenzial und zweitens an deren Eigentümerstrukturen. Ungeachtet des gegenwärtig schwierigen Umfelds unterliegen Zoos einem externen Risiko: der Wetterlage in Mitteleuropa. Das führt zu stark schwankenden Besucherzahlen. Im Frühjahr und im Sommer herrscht Hochsaison, im Winter Flaute. Dadurch sind die Ergebnisse und die Cashflows volatil. Das mögen Finanzprofis nicht.

Der Berliner Zoo, der Münchener Tierpark Hellabrunn und der Kölner Zoo sind in Deutschland die drei einzigen Unternehmen dieses Freizeit-Wirtschaftszweigs, die als Aktiengesellschaften firmieren. Die Papiere der beiden erstgenannten Häuser sind an der Börse notiert. Das hat historische Gründe. Mit dem einsetzenden Boom von Naturschauspielerlebnissen für breite Bevölkerungskreise waren die Gründer, aus dem Großbürgertum entstandene Vereine, finanziell rasch überfordert. Sie übertrugen das Geschäft auf Publikumsgesellschaften. Das Grundkapital des Berliner Zoos von 1,7 Mill. Euro ist nach Unternehmensangaben aufgeteilt in 1000 Aktien zu einem Nennwert von jeweils 156 Euro und 3000 Aktien à 520 Euro. Diese befinden sich vollständig in Streubesitz. Die privaten Anteilseigner halten im Schnitt ein bis zwei Pa­piere.

Anders als in der Bundeshauptstadt befinden sich die zoologischen Gärten in München und in Köln zum überwiegenden Teil in kommunaler Hand. Das in 300000 Stückaktien (à 2,56 Euro) untergliederte Grundkapital von gut 0,8 Mill. Euro des Tierparks Hellabrunn hält nach Angaben von Vorstand und Tierparkdirektor Rasem Baban die Landeshauptstadt München zu 93,3%, die übrigen 6,7% liegen in Streubesitz.

Die Stadt Köln besitzt 88,1% der insgesamt 4500 nennwertlosen Stückaktien (rechnerisch jeweils zu 31 Euro) der AG Zoologischer Garten Köln. Der Wilhelma Zoologisch-Botanische Garten in Stuttgart befindet sich im Eigentum des Landes Baden-Württemberg. Nur der Tierpark Hagenbeck ist de facto der einzige privat geführte und familiendominierte Zoo in Deutschland.

Die breite Masse der Zoos befindet sich in der Regel in öffentlicher Hand. Viele dieser Einrichtungen sind aufgrund ihrer langen Geschichte be­reits krisenerprobt. So haben zum Beispiel die Big Five in Deutschland die beiden Weltkriege durchgemacht. Ungeachtet ihrer teils unterschiedlichen Firmierungen haben sie alle etwas gemeinsam in Bezug auf ihren Rechtsstatus: Sie sind gemeinnützig aufgrund ihres Kernauftrags des Artenschutzes sowie ihrer Tätigkeiten auf den Feldern Bildung und Wissenschaft. Das bringt für die Adressen enorme steuerliche Vorteile mit sich. Sie unterliegen z. B. keiner Körperschaft- und Gewerbesteuer. Erbschaften sind steuerfrei. Für die Aktionäre bedeutet dieser Status allerdings, dass sie als Miteigentümer keine Ansprüche haben auf Gewinnausschüttungen. Zooaktien gehören in Deutschland nicht zu den klassischen Dividendenpapieren. Zooaktien werden an den Börsen selten gehandelt; sie befinden sich über Generationen im Familienbesitz, sie werden vererbt. Denn die Aktionäre sind zugleich überwiegend auch Mitglieder der Freundeskreise und Förderer der Zoos. Zudem spenden sie für die Einrichtungen viel Geld.

Nutzenstiftende Tätigkeit

Doch ohne zusätzliche finanzielle Hilfen von Vater Staat wäre das Ge­schäftsmodell vieler Adressen kaum tragfähig. Das zeigte sich vor allem in den Coronakrisenjahren 2020 und 2021, als die öffentliche Hand viele Einrichtungen mit Steuermitteln über Wasser hielt. Den Interessenvertretern des VdZ zufolge stößt das in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz. „Es trifft zu, dass viele Tiergärten und Zoos in unterschiedlichem Maße von ihren Kommunen, Regionen oder Bundesländern finanziell gestützt werden. Allerdings ist dies politischer Wille (…)“, schreiben die Berliner auf ihrer Internetseite.

Diese Auffassung der Lobbyisten ist durch die Theorie der öffentlichen Finanzen wissenschaftlich untermauert. Nach dem deutsch-amerikanischen Ökonomen Richard Abel Musgrave (1910 bis 2007) zählen Zoos zu den sogenannten meritorischen Gütern. Das sind jene nutzenstiftende Angebote, für die der freie Markt keine Nachfrage abbilden kann. Daher müsse der Staat diese Güter subventionieren, so Musgrave. Vor diesem Hintergrund haben die Zootiere immerhin ein sicheres Zuhause.

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