Chemieindustrie

Unterschiedliche Sichtweisen

Wie umgehen mit der Krise? Angesichts der explodierten Energiekosten brennt der Chemieindustrie diese Frage auf den Nägeln. Die Antworten der Unternehmen fallen jedoch höchst unterschiedlich aus.

Unterschiedliche Sichtweisen

Es ist der perfekte Sturm, der sich über Deutschlands Chemieindustrie zusammengebraut hat. Nach zwei Coronajahren und einem Kriegsjahr, das sich massiv auf die Kosten der energieintensiven Industrie ausgewirkt hat, droht nun auch noch die Nachfrage abzureißen oder zumindest zu schrumpfen. In der Folge lassen sich die gestiegenen Energiekosten nicht mehr eins zu eins in die Absatzpreise überwälzen. Das kostet Marge.

Auf das herausfordernde Umfeld, das sich zumindest in der ersten Jahreshälfte kaum aufhellen wird, reagieren die großen Branchenvertreter jedoch höchst unterschiedlich. Während Branchenprimus BASF Tausende Stellen streicht und am Stammsitz in Ludwigshafen mit der Stilllegung von Produktionsanlagen beginnt, zugleich aber eine unveränderte Dividende ausschüttet, zäumt Covestro das Pferd andersherum auf. Für weitere Kostenprogramme, die über die eingeleiteten Maßnahmen hinausreichen, sieht der Vorstand derzeit keinen Grund, obwohl die Aussichten für den neuen Turnus das Gegenteil von berauschend sind. Auch an Anlagenschließungen wird in Leverkusen kein Gedanke verschwendet. Anstatt über die hohen Energiekosten, welche die Wettbewerbsfähigkeit tangieren, zu jammern, versteht Covestro-Chef Markus Steilemann die Entwicklung als zusätzlichen Ansporn, noch intensiver an der Energieeffizienz zu arbeiten. Dagegen wird die Dividende angesichts des Verlustausweises gestrichen, was impliziert, dass weder Boni noch kurzfristige variable Vergütungsbestandteile der Vorstandsvergütung ausgezahlt werden.

Hintergrund für den unterschiedlichen Umgang mit den Herausforderungen sind verschiedene Sichtweisen darauf, was globale Aufstellung bedeutet. Während man sich in Ludwigshafen rein auf die komparativen Kostenvorteile zu konzentrieren scheint, produziert Covestro in der Region für die Region. Das inkludiert natürlich auch China, den weltweit größten Chemiemarkt, aus dem sich kein global aufgestellter Konzern – geopolitische Risiken hin oder her – aus freien Stücken zurückzieht. Doch auch in Europa steht das Rad nicht still, wenngleich es gilt, das Angebot an die Nachfrage anzupassen.

Der von Covestro eingeschlagene Kurs scheint gerade vor dem Hintergrund der in Coronazeiten aufgetauchten Lieferkettenprobleme nicht ganz falsch. Denn welcher europäische Kunde wird auf Dauer Verständnis dafür mitbringen, dass seine Vorprodukte mal wieder im Suezkanal stecken geblieben sind oder Container in Schanghai coronabedingt nicht verladen werden. Ganz zu schweigen von protektionistischen Tendenzen, die weltweit um sich greifen.

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